laut.de-Kritik
Jared Letos Gegenwart ist unsere Vergangenheit.
Review von Sven Kabelitz"Ich mag es, im morgen, in der Zukunft zu leben. Also, wie ich das sehe, lebe ich irgendwie in der Zukunft. Meine Vergangenheit ist deine Gegenwart", haut Jared Leto im launigen laut.de-Interview zu "This Is War" raus. In seinem Weltbild hecheln wir ihm alle um Jahrzehnte hinterher. Also ziert er, während die ganze Welt Dreiecke für den heißesten Scheiß hält, das neue 30 Seconds To Mars-Album mit bunten Punkten. Ein Werk des britischen Künstlers Damien Hirst. Wow. Das war es dann aber auch schon mit den Innovationen auf "Love Lust Faith + Dreams".
"Dieses Album bedeutet für uns weitaus mehr als eine Weiterentwicklung – es ist ein vollkommener Neuanfang. Wir haben uns musikalisch an einen ganz anderen Ort bewegt, der aufregend und unglaublich inspirierend ist", klärt 'Angel Face' Leto über den mittlerweile vierten Longplayer der amerikanischen Alternative-Band auf. Doch bis auf die alberne Papageien-Frise des Frontmanns hat sich wenig verändert. Nach wie vor sind 30STM mehr Schein als Sein. Pompöser Bombast überdeckt fehlende Ideen im Songwriting. Wenn wir schon keine Melodie haben, dann wenigstens laut. Ein klarer Fall von Overacting. Shatner, ick hör dir trapsen.
Der leidende Leto begeht im theatralischen "Birth" Pfade, die vor sechzehn Jahren von Radioheads "OK Computer" gelegt und seitdem von abertausenden Bands totgetrampelt wurden. Von solch Kinkerlitzchen nicht irritiert, schreien die Tape-Massen ihrem Gladiator zünftig "Hey" entgegen.
Bereits jetzt richtet sich jede noch so kleine Nuance auf die große Bühne aus. Seichter Pseudo-Arena-Rock mit minutiös vorbestimmten Mitgröhl- und Mitklatschparts bildet den Bauplan zum großen Gefühl, zum vorgetäuschten Orgasmus aus Trommeln, Pauken, Trompeten und "Oh-Oh-Oh"-Chören. Schade eigentlich, dass Amerika nicht am Eurovision Song Contest teilnimmt. 30 Seconds To Mars wären mit ihrem klischeebeladenen Gehabe und ihrer schablonenhaften Musik der perfekte Teilnehmer. Dita Von Teese, die im Video zu "Up In The Air" ihre übliche Nummer durchzieht, könnte sie mit ihrer Alex Swings Oscar Sings-Erfahrung tatkräftig unterstützen.
In "Conquistador" und "Nothern Lights" kaut die Band Nineteen-Nineties-Glam Rock der Marke "Mechanical Animals" wieder, gepaart mit einer Portion Nickelback ohne Ecken und Kanten. Selbst die Texte triefen vor Klischees. "This is a fight to the death / Our holy war / A new romance / A trojan whore." Ja ne, is klar.
Auch der zunehmende Einsatz elektronischer Spielereien führt uns nur zu längst abgefrühstückten Schauplätzen. "Pyres of Varanasi" verwendet neben trivialen Keyboard-Streichern das aus Hollywood-Trailern seit vielen Jahren bekannte dramatische Bass-Wummern.
Den Rest füllen die frigide Ballade "End Of All Days" ("All we need is faith, faith is all we need") sowie Midtempo-Schnulzen zu imaginären Soundtracks, die dem Schauspieler Leto, den Goo Goo Dolls und selbst Meg Ryan einst wohl zu seicht gewesen wären ("City Of Angels", "Bright Lights").
Wenigstens die zurückgenommene Klangtüftelei "Convergence", ausnahmsweise von Shannon Leto geschrieben und als Füller angelegt, kommt ohne den allgegenwärtigen Schwulst und Überschwang aus. Eine willkommene, wenn auch nicht berauschende, Abwechslung vom ewigen und all zu verzweifelten Faust in die Luft strecken.
Als Marketinggag flog die erste Kopie der Single "Up In The Air" ins All, um von dort per Stream weltweit ausgestrahlt zu werden. Es hätte keinen großen Verlust dargestellt, wäre "Love Lust Faith + Dreams" diesem Beispiel komplett und ganz ohne Stream gefolgt. Denn das ziellose Konglomerat aus Alternative-Pop, breitbeinigen Midtempo-Rock und unentschlossenen Elektro-Elementen stellt nur eines all zu deutlich klar: Jared Letos Gegenwart ist unsere Vergangenheit.
75 Kommentare
Schlimmer als Nickelback und Bon Jovi zusammen!
@Django77 (« Schlimmer als Nickelback und Bon Jovi zusammen! »):
Aber echt, ich hasse die Band
Ich hab selten jemanden wie Jared Leto erlebt welcher Schauspielerich echt begnadet ist aber musikalisch dafür sorgt dass man mit ihm immer und immer wieder die Szene aus Fight Club nachspielt.
achso, hier nochmal ein beispiel dafür wie dumm dieser sancho ist. schöne demontage.
http://www.laut.de/Deutschrap-Battle/Die-w…
Für mich 2/5 Sternen und das als ganz großer (ehemaliger) 30 Seconds To Mars Fan... ich war bereits auf der Bühne mit ihnen und habe auch ein kurzes Wörtchen mit Jared geredet... aber die Sympathie zur Band ist fast bei 0 und das liegt fast nur wegen dem neuen Album.
Ich bin kein Fan aller ersten Stunde, nein, ich habe die Band erst seit 2007 kennen gelernt. "The Kill" oder "From Yesterday" haben mich zur Band geführt. Das Album "A Beautiful Lie" war der absolute Hammer und dieses kann ich mir noch heute anhören. Persönlich finde ich die beiden o.g. Songs auch am Besten.
Schon der Nachfolger "This is war" war anders, poppiger und elektrischer, aber anders, nicht schlechter...
"Kings and Queens" ist der epischste und zugleich beste Song auf dem Album, dass mit super Songs wie "Hurricane", "Closer to the edge" und vor allem "Vox Populi" glänzen konnte.
Das neue Album "LLFD" ist für mich eine absolute Enttäuschung. Die Songs sind durchweg viel zu poppig und haben kaum noch wiedererkennungswert. Es hört sich viel zu sehr nach U2 an. Schade... werde erstmal auf kein Konzert von 30STM gehen.
Ich liebe 30stm, aber dieses Album hat leider sehr enttäuscht. Es ist viel zu zurückhaltend. Wo ist der Schreihals Jared Leto hin? Wo sind die Ohrwürmer hin? Alles viel zu sehr aufs Radio zugeschnitten. Warum nur?
Hoffentlich mach sie es beim nächsten Mal wieder besser.