laut.de-Kritik

Die Anlagen sind da, die Ideen leider nicht.

Review von

Um es kurz zu machen: AFIs selbstbetiteltes Werk lässt sich in einem Wort zusammenfassen: langweilig. Manchmal wünscht man sich beim Hören des "Blood Album" fast, die Ohren würden bluten. Denn so ein Widerhaken im Fleisch würde wenigstens bedeuten, dass etwas haften bleibt. Tut es aber selbst nach mehreren Durchlaufen nicht.

Wer Sunrise Avenue für musikalischen Hochgenuss hält, dem dürfte "The Blood Album" gut reinlaufen. Wobei bei den Finnen immerhin die eine oder andere Hook hängen bleibt. AFI gelingt heuer nicht einmal das. Durchgehend versuchen sie sich an breitbeinigem aber auch sensiblem Stadionrock. Das Ergebnis ist eine lauwarme Melange aus halbgaren Gefälligkeits-Riffs und gerne gewollten Händeschwenkrefrains. So geht es gleich im Opener "Dark Snow" los: "Oho o oho!"

Das darauffolgende "Still A Stranger" schwankt beständig zwischen Post-Hardcore und undefinierter Pop-Punk-Suppe. Der 'aggressive' Mittelpart soll wohl künstlerisch und poetisch sein, er bleibt aber vor allem eins: austauschbar. Abgesehen davon passiert lyrisch gefühlt ständig dasselbe: der Sänger fühlt sich "strange". Das hat man bereits nach der zweiten Wiederholung kapiert, man braucht keine fünf weitere. Da kann sich Davey Havok noch so viele unterschiedliche Vortragsweisen ausdenken.

Dabei sind die grundlegenden Arrangement-Ideen sicher keine schlechten. Gerne streut die Band zwischen die Distortion-Chords Akustik-Einsprengsel. Was mit entsprechender Substanz im jeweils gespielten Pattern toll funktionieren würde. Die Übergänge gehen flüssig vonstatten, dahingehend verstehen die Musiker ihr Handwerk definitiv. Aber das ist angesichts des teilweise durchaus guten Backkatalogs AFIs ja auch keine Überraschung. Nur nützt dieses Wissen über das Können der Combo angesichts des Dargebotenen nichts. "Pink Eyes" etwa startet ambitioniert und möchte dem Bass das Strophenfeld überlassen. Der Hörer legt aber derweil ein Nickerchen ein, wenn der Viersaiter unfassbar dünn seine paar Nötchen rausdudelt und der Rest des Songs vor sich hin schunkelt.

Apropos Nickerchen: Das Abstopp-Riff in "So Beneath You" hätten Blink 182-Kids vor etlichen Jahren vielleicht mal cool gefunden. Heute lockt man damit aber niemanden mehr vom Schulhof. Das ist wirklich beneath you, guys. Selbiges gilt für das in "Get Hurt" aufploppende Gitarrensolo – selten einfallslos. Beinahe peinlich. Das können Frei.Wild besser. Immerhin kennt Jade Puget seine Pentatonik.

Aber eigentlich passt es ganz gut zum Albumkonzept. Das scheint nämlich gewesen zu sein, ja nichts draufzupacken, das es nicht schon gibt. Bloß nicht anecken, man könnte ja jemanden vergraulen. Mag sein, dass das in den Radioplaylists eine Zeit lang ganz gut funktioniert. Ich wünsche viel Spaß im Tal der Vergessenen, wenn der DJ nach ein paar Monaten genug neue Songs in die Rotation eingespeist hat, um die des "Blood Album" zu verdrängen.

Trackliste

  1. 1. Dark Snow
  2. 2. Still A Stranger
  3. 3. Aurelia
  4. 4. Hidden Knives
  5. 5. Get Hurt
  6. 6. Above The Bridge
  7. 7. So Beneath You
  8. 8. Snow Cats
  9. 9. Dumb Kids
  10. 10. Pink Eyes
  11. 11. Feed From The Floor
  12. 12. White Offerings
  13. 13. She Speaks The Language
  14. 14. The Wind That Carries Me Away

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6 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Seh ich genauso. Hatte mich gefreut mal wieder was Neues zu hören, nachdem mein Streamingdienst im Release Radar AFI erwähnte, aber schon während des Hörens wusste ich nach 5 Lieder bereits gar nicht mehr, was ich überhaupt angemacht habe, weil die Musik so belanglos ist. Keine Dynamik. Schade

  • Vor 7 Jahren

    Hätte 3 Sterne vergeben, im Grunde ist es solider AFI-Output stilistisch ähnlich wie das Album.
    Natürlich sind die großen Prog- und Hardcorepunk tage vorbei, der Name AFI taugt halt nur noch zum Geld verdienen. Dass es besser geht zeigen die Nebenprojekt von Havok und Puget. Warum hier Frei.Wild als Vergleich herangezogen wird erschliesst sich mir leider überhaupt nicht.

    • Vor 7 Jahren

      Ähnlich wie das Album Crash Love.

    • Vor 7 Jahren

      Wann waren AFI denn bitte mal Prog?

    • Vor 7 Jahren

      Nur, dass bei Crash Love mit Medicate ein absoluter Hammersong dabei war. Auf der neuen ist kein Song, der mich irgendwie stört dabei, aber auch nichts, was hängen bleibt.

    • Vor 7 Jahren

      Das mit dem Prog war ein Versehen, ich hatte die um Ende 90er/Anfang 00er Jahre als ziemlich ausgefuchst und frickelig in Erinnerung, aber das ist ja quatsch. Horror oder Goth passt da wohl eher.

      Medicate war 'ne Single um die Kuh zu melken, genauso wie 17 Crimes vom letzten Album, welches überraschenderweise recht gelungen war, für alle Fans die seit Girls Not Grey die Mette schwingen.

  • Vor 7 Jahren

    Das Ganze ist sicherlich recht anspruchslos. Aber es stellt sich auch immer die Frage des persönlichen Anspruchs; habe das Album während einer Autofahrt gehört. Es stört nicht weiter, es bleibt aber sicherlich auch nicht besonders viel hängen. Solide sagt man da wohl...

  • Vor 7 Jahren

    Mich schockiert bloss, dass Torque das gut findet. Das war doch immer eher so reav-Material. Ich muss nicht mehr extra erwaehnen, dass reav ein Hurensohn war.

  • Vor 7 Jahren

    findet ihr metalcore ist metal? oder ist es einfach nur der neue nu metal

  • Vor 2 Jahren

    5 Sterne. Noch immer eines meiner Lieblingsalben. Mit dem Blood Album konnte ich mich viele Monate lang beschäftigen. Und ich habe noch immer das Gefühl, dass es noch mehr darin zu entdecken gibt, was sich mir bisher nicht erschlossen hat. Es gibt Alben, für die versucht man, am Leben zu bleiben, weil man sie noch eine Weile hören möchte. Blood ist so ein Album für mich. An deren Stelle hätte ich wahrscheinlich nach diesem Album aufgehört. Wobei ich auch nicht ausschließen möchte, dass sie sich noch übertreffen und noch eines kommt. Bisher kommt danach nichts mehr an Blood ran, finde ich. Sie könnten noch eins drauf setzten, meiner Meinung nach. So ein paar Kleinigkeiten vermisse ich in Blood noch. Aber das ist wirklich auf ganz hohem Niveau.