laut.de-Kritik
Mozart-Balls To The Wall!
Review von Ulf KubankeDas Leben ist eine Achterbahn. Einerseits krönen die deutschen Metal-Urväter Accept ihre lange Karriere mit dem vorläufigen, sehr ambitionierten Höhepunkt "Symphonic Terror - Live At Wacken 2017". Zusätzlich markiert der sinfonische Gig den Startschuss zur folgenden Tour gleichen Formats samt Orchester.
Doch zeitgleich verkündet Bassist Peter Baltes nach über 40 Jahren seinen Ausstieg. Damit ist ihr von 80.000 Metalheads plus einer Handvoll Kühen und Schafen bejubelter WACKEN-Gig vom letztjährigen August nunmehr sein Abschied.
Manch einer mag sich fragen, weshalb es schon wieder ein Livealbum gibt. Immerhin brachte man doch gerade erst vor kurzem den Konzertfilm "Restless And Live" heraus. Doch diesmal ist alles ganz und gar anders und steht im Zeichen hochkultureller Klassik.
Das Konzert spaltet sich in drei Teile. Im ersten Drittel kredenzen sie ihre grundsolide Heavy-Show gewohnter Prägung. Neue Tracks wie "Koolaid", "Pandemic" oder "Die By The Sword" machen live eine durchaus passable Figur gehobenen Grillstuben-Metals. Letzten Endes bieten sie hier jedoch nichts, was sich als zwingende Alternative zu den letzten beiden Livescheiben andient. Alles Routine!
Der Mittelteil gestaltet sich interessanter. Gitarrist Wolf Hoffmann präsentiert Ausschnitte seines Soloalbums "Headbangers Symphony". Hier kommen Mozart, Vivaldi oder Beethoven zum Zuge und bekommen statt Gehrock die Metalkutte übergestülpt. Das funktioniert dank des ebenso lässig wie wuchtig aufspielnden Orchesters recht gut. Prokofievs "Romeo And Juliet", Ludwig Van Beethovens "Pathetique" und ein Cellokonzert Vivaldis zeigen, wie inspiriert eine derartige Fusion klingen kann.
Als Highlight dieses Blocks taucht des Wolferls berühmte "Symphony No. 40" als Mozartkugel aus jenen Untiefen auf, in die Rondo Veneziano etc. sie einst hinab stießen. Gerade weil das Stück so weltbekannt und allgegenwärtig ist, fällt positiv auf, dass Band und Orchester nicht entfernt auf Nummer Sicher gehen. Mit Dynamik und Schwung entreißen sie die schöne Musik ihres Telefonschleifen-Exils. Mozart-Balls to the Wall!
Heimlicher Liebling ist der Dirigent des Orchesters. Herrlich anzusehen, wie agil und souverän er inmitten der Band steht und den ganzen Laden scheinbar mühelos im Griff hat. Im finalen Part kehrt auch Sänger Mark Tornillo zurück vors Mikro. Gewohnt souverän imitierend aber ohne jegliche Eigenständigkeit klingt er einmal mehr wie ein Homunculus, den man aus Teilen von Udo Dirkschneider und Brian Johnson bastelte.
Ab diesem Moment zeigt sich die gesamte Ambivalenz des Spektakels. Einerseits machen Klassiker wie "Princess Of The Dawn", "Metal Heart" oder "Balls To The Wall" viel her und reiften ohne Patina. Ebenso klingen Band und Orchester wie aus einem Guss ("Stalingrad", "Breaker"), statt wie anno Metallica steril nebeneinander her zu spielen. Auch das Publikum macht als zwölfter Mann auf der Weide den hymnischen Kohl recht fett.
Gleichwohl kann alle Spielfreude der Beteiligten nicht verhehlen, dass besonders die urigen Kultnummern sich schlichtweg nicht recht zur Vermählung beider Stile eignen. "Fast As A Shark" etwa drückt trotz gelungenen Arrangements das Orchester als Staffage an die Wand. Mit den anderen Evergreens sieht es kaum besser aus.
Einzig beim kongenial umgesetzten "Metal Heart" schwingt das Orchester sich vom Statisten zum Partner auf Augenhöhe empor. Mehr klassische Offensive hätte als Paroli zum Stahlträgersound durchaus gut getan.
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