laut.de-Kritik
Musikalische Klangerotik, diesmal ohne Erektionshilfe!
Review von Jasmin LützGleich zu Beginn gibt es eine praktische Einführung in das erotische Lippenbekenntnis "I Can Hear Your Heart" von Mr. Aidan John Moffat höchst persönlich. Man soll zunächst die Kurzgeschichte im beigefügten Booklet lesen, bevor man sich die musikalisch-unterlegte Liebes-Prosa anhört, im Bett natürlich und am besten über Kopfhörer. Erst dann geben die wolllüstigen Worte einen Sinn.
Der schottische Sänger stöhnt sich exzessive in das Herz des Hörers. Er spricht mehr, als er singt, hart und direkt, zu seinen von Schamesröte gekennzeichneten Zuhörern. Sein schottischer Akzent betont die halb autobiographische Sinnlichkeit des ehemaligen Arab Strap-Gründers. Aidan verbindet hier Musik und Literatur auf eine sehr persönliche Weise, und man meint, einem alten Kumpel bei seinen sexuellen Phantasien zuzuhören.
Die Gedichte sind teilweise schon älter und beruhen auf den Geständnissen eines Mitzwanzigers. Dass er dabei auch mal in der sexuellen Idioten-Schublade landet, kümmert Moffat weniger. Im Gegenteil, nimmt er sich doch ganz gerne mal selbst nicht so ernst und hütet seinen Schalk im Nacken.
Die Bekenntnisse des etwas anderen Hochstaplers Felix Krull. Lüsternes Gestöhne, das es sonst nur in französischen Millieustudien zu hören gibt. Derartige Aktivitäten vergibt Moffat den simplen Titel "Fuck It". Seine Inspirationen findet der Musiker bei vielen Schriftstellern wie William S. Burroughs oder Ivor Cutler, die schon länger für ihre offenen Worte bekannt sind.
Schottische Impressionen hält Moffat durch Dudelsack-Melodien fest, wie man in "View From The Kitchen" vernehmen kann. Das einzig wirklich gesungene Stück der insgesamt vierundzwanzig intimen Hörerfahrungen ist "Hungry Heart" - der geschulte Rocker wird das Original von Bruce Springsteen gleich erkennen.
Der schottische Eros weiß seinen "Dirty Talk" zu verkaufen. Provozierende und schockierende Erzählungen im leichten Reim-Rhythmus: "Relax, it's only sex / Just me, two boys, a bed / My brand-new man and my jealous ex", haucht er in "Double Justice".
Abwechslungsreiche Sound-Collagen unterstreichen die tabulosen Worte und unterstützen die knisternde Stimmung. Die Liebeskunst erreicht mit "Hilary And Back" seinen schmatzenden Höhepunkt, in einem über zehnminütigen, betrunkenen Monolog. Eine ungewöhnliche Veröffentlichung, die mit Sicherheit nicht jedermann Sache ist und zu allerlei Diskussionen führen dürfte.
Den humoristischen Wink des bärtigen Schotten sollte man dabei allerdings beachten und seinen Phantasien ruhig, freien Lauf lassen. Ein gewisser Anspruch richtet sich an den Hörer, der das Konzept der Platte, die Symbiose vom gesprochenen Wort und musikalischer Klangerotik, mit Haut und Haar hoffentlich nachempfinden kann.
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