laut.de-Kritik
Tonnenschwere, zähe Riffs in purer Gänsehaut-Atmosphäre.
Review von Michael Edele14 lange Jahre sind ins Land gezogen, seit Alice In Chains ihr letztes, selbstbetiteltes Album veröffentlicht haben. 14 Jahre, in denen ihr charismatischer Sänger Layne Staley an einer Überdosis Drogen starb und die Band auseinander brach, in denen Gitarrist Jerry Cantrell sein zweites Soloalbum veröffentlichte und dabei so ganz nebenbei auf den neuen Alice In Chains-Frontmann William Duvall stieß.
Der erscheint wie die stimmliche Reinkarnation Laynes. Wenn einem die ersten Töne des schwermütigen "All Secrets Known" durch Mark und Bein fließen, wird schlagartig klar: William könnte der kleine Bruder des verstorbenen Sängers sein.
Doch nicht nur deswegen lässt gleich der Opener keinen Zweifel daran, mit welcher Band man zu tun hat. Dazu hält Jerry Cantrell das musikalische Ruder zu fest in der Hand, sind seine Riffs zu markant. Dabei sollte auch Drummer Sean Kinney nicht vergessen werden, der der bereits bekannten Single "Check My Brain" mit seinem unschlagbar effektiven Spiel seinen Stempel aufdrückt.
"Lessons Learned" oder das von der Melodieführung überraschend weitläufige "Take Her Out" sollten für diverse wohlige Schauer auf dem Rücken sorgen. So liebt und kennt man die Band noch von früher, die Trademarks könnten deutlicher nicht sein. Altbacken klingt dabei jedoch überhaupt nicht.
Ganz im Gegenteil, der zweistimmige Gesang von William und Jerry gerät so zeitlos wie die zum Teil tonnenschweren, zähen Riffs. Gerade das überlange "A Looking In View" fährt mächtige Geschütze auf, wobei man sich wünscht, dass William bei dem Song mal so richtig explodierte und anfinge zu schreien. Sein Vorgänger wusste nur zu genau, dass Wut manchem Album ganz gut getan hat.
Nun ist William aber kein Klon und besitzt durchaus seine eigene Stimmfarbe, die er vor allem in "Last Of My Kind" zum Ausdruck bringt. Dabei handelt es sich um den Track, zu dem William die Gesangsmelodie im Alleingang geschrieben hat, was man dem sonst typischen Alice In Chains-Songs deutlich anmerkt.
Doch auch im schleppenden "Acid Bubble" hört man immer wieder Williams eigene Stimmfarbe heraus. Allerdings bricht in diese Nummer mit einem abrupten Break plötzlich ein völlig deplatziertes Riff herein, das später leider wiederholt wird.
Ansonsten lassen sich auf "Black Gives Way To Blue" beim besten Willen keine Ausfälle verzeichnen. Vor allem die ruhigen Nummern wie "Your Decision", "When The Sun Rose Again" oder das etwas an "Down In A Hole" erinnernde "Private Hell" verströmen pure Gänsehaut-Atmosphäre.
Gleiches gilt für den abschließenden Titeltrack, der in seiner besinnlichen Art auch von VAST stammen könnte. Dass Elton John sich für die Nummer ans Klavier gesetzt hat, sollte dabei nur eine Randnotiz bleiben. Der Song geht recht plötzlich und viel zu früh zu Ende.
49 Kommentare
Auf dieses Album bin ich mal sehr gespannt....
AiC war einer meiner Favorites über viele Jahre...das "Ende" der Band viel zu abrupt. Mal sehen was die das aus Hut gezaubert haben...die Kritik lässt mich gutes erhoffen
Hammer!
In Seattle weiß man noch wie Rockmusik geht!
Die alten Grungebands blasen einfach so gut wie alles was so in letzter Zeit unter dem Namen Postgrunge oder Grunge (oder Rockmusik) lief sowas von weg...
Ich find's merkwürdig, wie dieses Album überall abgefeiert wird. Die letzte Soloscheibe von Jerry Cantrell ("Degradation Trip") wollte so gut wie keiner hören, obwohl die qualitativ absolut auf einem Niveau mit den alten Alice In Chains-Platten war, sogar deutlich besser als die selbstbetitelte.
P.S. Und warum muss immer erwähnt werden, dass Elton John beteiligt war, um dann im selben Satz sowas wie "aber das soll nur eine Randnotiz bleiben" zu schreiben? Dann kann man's doch gleich lassen!
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich hab lange gebraucht um über Staleys Tod hinweg zu kommen. AIC war in Originalbesetzung meine 2. "all time favorite" Band, die ich befürchtete durch diesen frühen Drogentod verloren zu haben. Aber Alice in Chains wollten nicht aufgeben. Wollten ihr Schicksal nicht durch den Tod eines einzigen Bandmitglieds bestimmen lassen. Ich hab das jetzt lange Jahre einfach verdrängt. Weil ich die Veränderung gescheut habe, weil ich mir AIC so banal und herzlos es nun auch klingt, ohne Staley nicht vorstellen konnte. Den neuen Sänger, die neue Tour, die neuen Alben -wollt ich alles gar nicht wissen. Inzwischen bin ich bereit mich auf das Abenteuer einzulassen. Nicht zuletzt dank der Kritik. Die Welt dreht sich ja weiter...