laut.de-Kritik

Exzessives Abspacken auf der Rasierklinge.

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Wenn man bedenkt, dass Amy Winehouse schon seit längerem den Boulevard mit negativen Schlagzeilen fest in der Hand hat, erscheint die Wahl des DVD-Titels mehr als logisch. Sein Wahrheitsgehalt ist ein kleiner Tritt in die Weichteile derer, die zu einem der desaströsen Deutschland-Konzerte pilgerten. Die (teilweise?) enttäuschten Zuschauer hatten sich nämlich mehr oder minder etwas erwartet, das dem nahe kommt, was hier auf DVD zu sehen ist.

Eine in allen Belangen souveräne und selbstsichere Amy sieht zwar nach wie vor anders aus, aber im Großen und Ganzen liefert sie hier eine passable Vorstellung ab. Dass das Wörtchen passabel im Zusammenhang mit Winehouse' gesanglichem Talent fällt, ist eigentlich schon frevelhaft, dennoch notwendig.

In der im Extrateil zu bestaunenden und gut gemachten Doku sagt sie zwar, dass sie für ihr Outfit wesentlich weniger Zeit aufwendet als für ihre Monstertolle, aber ein wenig mehr Stilberatung in Sachen Bühnenklamotten wäre von Vorteil gewesen. So steht sie schließlich in einem billig aussehenden Minipli auf der Bühne, das das Image der abgehalfterten Koks'n'Crack-Nutte bestätigt.

Wobei einem ja mehr oder minder egal sein sollte, ob ein Künstler in einem Anfall modischer Entgleisung auf der Bühne steht oder auch nackt - Hauptsache die Performance stimmt. Aber die stimmt an vielen Stellen eben nicht. Nichts gegen ein gerüttelt Maß Improvisation, gibt es doch nichts Langweiligeres als eins zu eins vom Studio auf die Bühne transferierte Auftritte. Was Amy ihren Songs jedoch mit unnötig aufgeplusterten Phrasierungen des Öfteren abverlangt, tendiert mehrmals in Richtung Vergewaltigung. Ganz schlimm in dieser Hinsicht: "You Know I'm No Good".

Dass ihre Darbietungen einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, liegt ganz sicher nicht an ihrer Backing-Band. Die gibt nämlich ganz tight ihr Bestes. Ob Backing-Vocals, instrumentales Können oder Style, die Mannen im Hintergrund meistern diesen Aspekt des Auftrittes ganz hervorragend und liefern das Bindeglied zwischen Bühnenbild und Musik. Die Musiker liefern den Rahmen, Amy füllt ihn leider nicht ganz aus.

Der Eindruck, die Dame würde jeden Moment mit nach hinten verdrehten Augäpfeln ins Koma stürzen, entsteht an der ein oder anderen Stelle. Zum Beispiel wenn sie am Anfang des (seltsamerweise) ganz famosen "Hey Little Rich Girl" mit den Fingern eine stilisierte Pistole an die Schläfe und in den Mund schiebt und pantomimisch abdrückt. Danach gibt's erst einen Schluck Wasauchimmer aus dem Plastikbecher, ehe sie in der tollen Off Beat-Nummer mit ihren zwei Sängern ihr Bestes gibt.

Diese Szene scheint typisch für das Phänomen Winehouse. Das exzessive Abspacken auf der Rasierklinge, immer pendelnd zwischen zwei Abgründen, unterbrochen von Geniestreichen. Richten wir den Blick einmal von der Bühne weg und schauen, was uns da sonst noch auf Silberling begegnet. Da hätten wir die wirklich nett gemachte Doku, die sämtliche bislang abgeklapperten Karrierestationen beleuchtet.

Original-Material zeigt hier tatsächlich eine gesund aussehende Amy, die nicht wie das bulimiegeplagte Abziehbild ihrer Selbst daherkommt. Mehr gibt es zu diesem Filmchen kaum zu sagen. Anschauen lohnt. Was sich die Zuständigen aber beim zweiten Dingdong gedacht haben, das sie hier als 'Extra' kredenzen, bleibt wohl für immer ihr Geheimnis. "Back To Black And White Extra Option" heißt es da.

Was sich dahinter verbirgt? Nach Label-Auskunft kann man optional im Menü auswählen, ob die Songs "Tears Dry On Their Own", "He Can Only Hold Her" und "Some Unholy War" in Farbe zu sehen sind oder im oldschool S/W-Modus. So ganz weiß ich das aber nicht, da dieses Feature bei der vorliegenden Promo-Disc anscheinend nicht funktionieren mag.

Wir machen aber trotzdem mal ein Fass Puffbrause auf und stoßen auf den Fortschritt der Technik an. Das ich so etwas Umwälzendes noch erleben darf! "I Told You I Was Trouble" macht seinem Namen letztlich alle Ehre, selbst wenn Amy in Hochform schon bessere Performances abgeliefert hat.

Trackliste

Live In Concert

  1. 1. Intro/Addicted
  2. 2. Just Friends
  3. 3. Cherry
  4. 4. Back To Black
  5. 5. Wake Up Alone
  6. 6. Tears Dry On Their Own
  7. 7. He Can Only Hold Her/Doo Wop (That Thing)
  8. 8. F*** Me Pumps
  9. 9. Some Unholy War
  10. 10. Love Is A Losing Game
  11. 11. Valerie
  12. 12. Hey Little Rich Girl Feat. Zalon & Ade
  13. 13. Rehab
  14. 14. You Know I’m No Good
  15. 15. Me And Mr Jones
  16. 16. Monkey Man
  17. 17. Outro

Extras

  1. 18. Back To Black And White Extra Option
  2. 19. Tears Dry On Their
  3. 20. He Can Only Hold Her
  4. 21. Some Unholy War

Dokumentation: I Told You I Was Trouble/Exclusive Documentary

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