laut.de-Kritik

Katsching, die Kasse klingelt.

Review von

Bist du erst einmal beim Produzenten Christian Geller angelangt, kannst du dir sicher sein, dass deine künstlerische Karriere zuende ist. Mit ihm an der Seite geht es nur noch um die schnelle Kohle. Gegen ihn wirkt Dieter Bohlen wie David Bowie. Selbst ein Starbucks-Wegwerfbecher verfügt über mehr Herzblut und Individualität als seine Produktionen. Von Zlatko & Jürgens "Großer Bruder" ausgehend, verlängert sich die Liste seiner Gräueltaten an der Musik mittlerweile im Wochentakt.

Zu einem seiner liebsten Konzepte gehören Coverversionen. Diese packt er dann gerne zusammen mit den Künstler:innen in ein ungewohntes Umfeld. Das funktioniert bei Giovanni Zarrellas italienischen Alben ("La Vita È Bella", "Per Sempre"), letzte Woche bei Heinos unsäglichen "Lieder Meiner Heimat" und diese Woche eben bei Anastacia. Minimaler Aufwand, maximaler Gewinn. Katsching, die Kasse klingelt.

Für "Our Songs" übersetzen Geller und die Chicagoerin zwölf zumeist deutsche Lieder ins Englische. Wobei "Still Loving You" von den Scorpions, Reamonns "Supergirl" und Alphavilles "Forever Young" schnell zeigen, wie ernst man es mit dem Konzept meint, mit dem man für dieses Produkt wirbt. Im Grunde erscheint Anastacias Anbiederei an den deutschen Markt jedoch konsequent. In Großbritannien hat man sie das letzte Mal vor 15 Jahren in den Charts gesehen, in den USA liegt dies sogar noch weiter zurück. Wir sind alles, das dem ehemaligen Weltstar bleibt. Es liest sich so traurig, wie das Resultat klingt.

Wie vollkommen wumpe den beiden deutsche Musik letztendlich ist, zeigt sich gut an der Auswahl der Lieder. Auch wenn es einem manchmal nicht so vorkommt, gibt es in Deutschland wirklich viel zu entdecken. Vieles, das auch gut zur Stimme der Sängerin gepasst hätte und sogar erfolgreich war. Stattdessen geht man komplett auf Nummer sicher und spult die schlimmsten und totgenudeltsten Songs der letzten Dekaden runter. Es bleiben also nur zwei mögliche Varianten: Entweder erfolgte die Orientierung alleine an Chartpositionen, oder Anastacia hat einen fürchterlichen Musikgeschmack.

Weiter als von einem "I'm Outta Love" mit seinen zünftigen Funk-Elementen könnte "Our Songs" jedenfalls nicht entfernt bleiben. Stattdessen leiert Anastacia die blassen Stücke so teilnahmslos herunter, als hätte man ihr gerade eben erst das Textblatt in die Hand gedrückt. Mit nach Hilfe suchenden Augen liegt die alte Scorpions-Schmonzette "Still Loving You" hier blutleer vor ihr und japst nach Luft. Die einst gefeierte Stimme der Sängerin wirkt dabei (wie in den meisten der Stücke) wie eine quakende Karikatur ihrer selbst und gibt dem Stück etwas unfreiwillig Komisches.

"Best Days" hält sich brav an die "Tage Wie Diese"-Vorlage der Toten Hosen. "Monsoon" ("Durch Den Monsun") hatten Tokio Hotel auf "Scream" ja netterweise bereits 2007 ins Englische übersetzt. Noch weniger Arbeit. Auf die verrückte Idee, die gewonnene Zeit in die Verbesserung des dünnen Plastikarrangements zu stecken, kam aber niemand.

In einem kurzen Moment ertappt man sich während "Born To Live" ("Geboren Um Zu Leben") sogar dabei, sich den Grafen von Unheilig zurück zu wünschen. Aber vorsichtig mit Wünschen, sie könnten über den ein oder anderen Umweg wahr werden. Plötzlich schaut dann nämlich ein Originalinterpret in all seiner vermeintlichen Größe inmitten dieses Machwerks vorbei. Gegerbt wie ein Stück Leder, steht für "Just You" ("So Bist Du") tatsächlich Peter Maffay, der Klaus Augenthaler der deutschen Jeansjacken-Musik, auf der Fußmatte. Gemeinsam knödeln sich Anastacia und er durch ein Duett des Grauens, in dem sie versuchen, dieses Stück Kohle mit dem puren Druck ihrer Stimmen zu einem Diamanten zu pressen. Was für böse Folgen es aber haben kann, wenn man oben zu sehr presst, wissen wir alle. Der Chor der Gerechten feuert die beiden im Hintergrund theatralisch an, bis das frisch aus den 1980ern importierte Saxophon übernimmt.

Man kann sich schon jetzt sicher sein, sollte dieses Album ein Erfolg werden - und das wird es! - dürfen wir uns über mindestens zwei weitere Platten dieser Art freuen. Dann mit Bouranis "Auf Uns", Helene Fischers "Atemlos Durch Die Nacht" und Torfrocks "Beinhart". Ach, nein, das letzte wäre zu originell.

Zur erstaunlichsten Erkenntnis von "Our Songs" gehört, dass sich irgendwo in Liedern wie "Geboren Um Zu Leben" und Johannes Oerdings "An Guten Tagen" wohl doch ein Fitzelchen Seele versteckt hatte, denn dieser Longplayer treibt sie ihnen auf ewig aus. Jedes einzelne dieser zwölf Lieder ist im Original besser als hier. Bei vielen der Vorlagen: auch irgendwie ein Kunststück.

Trackliste

  1. 1. Best Days
  2. 2. Now Or Never
  3. 3. Beautiful
  4. 4. Still Loving You
  5. 5. Monsoon
  6. 6. Born To Live
  7. 7. Cello
  8. 8. Just You
  9. 9. Symphony
  10. 10. Supergirl
  11. 11. Forever Young
  12. 12. An Angel

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21 Kommentare mit 29 Antworten

  • Vor 7 Monaten

    Christan Geller Masterclass:

    Man nehme "Tage wie Diese" ohne Vocalspur, pitcht das ganze hoch, bis es auf Ihre Stimme passt (egal wie die Instrumente danach klingen), gibt Anastacia ein Mic und einen Zettel mit Text, legt anschließend noch das gute Antares Autotune drüber, vergisst hier aber natürlich auch ein wenig feinzutunen, so das man dies häufig, wenn das erste Wort einer Zeile erklingt, auch hören kann, haut noch das Ozone mit dem Preset ROCK über den Master und schon hat man innerhalb von 20 Minuten den ersten Song fertig.

  • Vor 6 Monaten

    Bei der Version von Cello fehlt leider (wenig überraschend) jeglicher Charme. Da hat die Original Version und auch Clueso’s Cover einfach viel mehr Ecken und Kanten, was hier einfach fehlt.

    Schade um die tolle Stimme der Sängerin, aber das hier ist einfach nur lieblos und Geldmacherei.

  • Vor 6 Monaten

    Gerade in die ersten beiden Alben nach etwa 20 Jahren reingehört. Bin ein Kind der 90er und hab die 2000ender dementsprechend voll miterlebt. Dementsprechend mag ich die Sachen irgendwie, auf Dauer dann auch wieder nicht. Aber wer singt schon nicht bei Backstreet’s Back mit?