laut.de-Kritik
Gute Stimme verschwendet sich an Softporno-Mumpf.
Review von Dani FrommIm Krieg und in der Liebe sei alles erlaubt, besagt ein geflügeltes Wort. Nun, manches gehört besser dennoch verboten. Enttäuschungen, wie sie einem Angie Stones jüngster Erguss beschert, blieben einem dann vielleicht erspart. Dabei lässt sich alles so gut an. Wenn eine exzellente Sängerin in Marvin Gayes Studio ein Album aufnimmt, das das traditionsreiche Stax-Logo ziert, häufen sich eigentlich die günstigen Vorzeichen. Um so ernüchternder gerät das Resultat.
Um vorab jeden Zweifel auszuräumen: Mit Angie Stone bekommen wir es mit einer ganz exzellenten Vokalistin zu tun, die gleich im ersten Song ihren beeindruckenden Stimmumfang demonstriert. "Take Everything In" lässt sie sich nicht zweimal sagen: Sie präsentiert dunkle Passagen ebenso gekonnt, wie sie sicher die hohen Töne meistert. Angie Stone tönt mal zuckersüß, mal bitter, mal trotzig selbstbewusst, mal sehnsuchtsvoll. Sie singt, spricht, haucht und umgarnt ihre Hörerschaft in jeder erdenklichen Weise.
Solcherlei Potenzial so zu verschenken, wie es auf "The Art Of Love & War" geschieht: Das grenzt wahrhaftig an Krieg. Nicht nur Uuh-Ooh-Gesinge im Hintergrund verwischt den guten Eindruck bis zur Unkenntlichkeit. Überaus langweilig weil uninspiriert programmierte Drums erdrücken an zahlreichen Stellen den Gesang, der sich auch gegen an sich hübsch angelegte Bassläufe wie in "Baby" nur schwer durchsetzt.
Angie klebt an der üblichen ausgelutschten Balladeninstrumentierung mit Piano, Streichern und Fingerschnippen, beides aus der Konserve. Herumknödelei auf Vokalen, wie sie R. Kelly bis zum Erbrechen zelebriert, findet sich ebenfalls reichlich, und wer jetzt noch nicht genug hat, den treiben inflationär eingesetzte Chimes zur Weißglut - ein Geräusch, das bei mir mittlerweile unmittelbar Übelkeit auslöst.
Warum verschwendet sich eine derart talentierte Stimme an solch drögen 08/15-Softporno-Mumpf? Eine Frage, die mich über die komplette Länge des Albums nicht loslässt. Dabei kann sie doch anders! In "Go Back To Your Life", einem bedauerlicherweise kaum eineinhalbminütigem A capella-Interlude, beweist Angie Stone, dass sie ohne begleitendes Brimborium weit souveräner dasteht.
In "My People" liefert sie an der Seite eines überaus starken James Ingram und mit nicht unerheblicher Hilfe des alten Duke Ellington eine stolze Aufzählung mit Recht verehrter "Black Stars". Witziges Konzept, tolle Gitarre: Derlei Originalität hätte ich mir öfter gewünscht. Statt dessen knautscht Duett-Partner Chino in "Half A Chance" Zeilen wie "Everything I do, girl, it's all for you." Entschuldigung, aber geht es abgedroschener?
Funky Bläser, kraftvoll groovender Bass und ein gerader Beat, der jedem Dancefloor-Bedürfnis gerecht wird, beherrschen dagegen "Play Wit It". Angie Stone, die hier zur Abwechslung einmal kein Herumgejaule, wohl aber eine druckvolle Gesangsleistung abliefert, produzierte diese Nummer höchstselbst. Vielleicht sollte sie dies öfter wagen, anstatt sich von diversen Produzenten in glanzlose R'n'B-Klischees schnüren zu lassen.
Das abschließende "Happy Being Me" führt noch einmal die ganze Tragik des vorliegenden Longplayers vor Augen: Was zu Beginn mittels Gitarre und Mundharmonika ein angenehm unbeschwertes Huckleberry-Finn-Gefühl verschafft, verhunzen übertriebene Backgroundchöre, das unvermeidliche Chimes-Geklingel (Bäh!) und ein völlig überflüssigerweise nach dreieinhalb Minuten obenauf gepackter, viel zu mächtiger Bass, bis am Ende wieder der klassische Einheitsbrei aus der Box matscht. Was sagen wir dazu? Hochgradig bedauerlich.
2 Kommentare
Ich mag Huckleberry-Finn
Nur weil Dani Fromm kein Chimes Gedudel mag, ist die Scheibe nicht schlecht. Sit down ist eine tolle RnB Nummer, Pop Pop eine tolle Pop RnB Nummer.