laut.de-Kritik
Das Mädchen von nebenan fährt die Krallen aus.
Review von Kai ButterweckAchtung Mädels! Kettet eure Boyfriends an, denn hier kommt Anna F. Die zierliche Österreicherin hat keine Lust mehr, das zarte Songwriter-Mäuschen von Nebenan zu mimen. Anno 2014 heißt die Devise: angreifen, zupacken, abschleppen – und seien es nur die Lebensgefährten wildfremder Frauen. Auf die hat es Anna F. nämlich besonders abgesehen.
"It doesn't matter what you say, I don't care, i just wanna fuck your friend", haucht die Maid aus der Steiermark während des Songs "DNA" ins Mikrofon. Musikalisch wird die unmissverständliche Kampfansage ummantelt von tanzwütigen Handclaps und rhythmisch abgehackten Bumtscha-Elementen. Abseits gängiger Pop-Routen sorgt Anna F. mit roboterartigen Vibes für viele Fragezeichen beim Hörer.
Auch der Rest des Albums stellt Schubladendenker vor ernste Probleme. Wohin mit der lasziv vor sich hin säuselnden Sängerin? Weder die Tür zum Elektro-Pop-Archiv ("Friedberg", "Lost In Perfection"), noch die, die ins Reich samtig weicher Synthie-Folk-Klänge führt, wollen so richtig aufgehen ("Tongue Tied"). Die Schlüssel passen zwar, aber irgendwie lassen sich die Klinken nicht runterdrücken.
Nächster Versuch: Die Tür mit dem Indie-Pop-Button. Doch auch hier regt sich nichts. Groovende Drums im Verbund mit akzentuierten Synthie-Flächen sorgen aber wenigstens für einen durchs Schlüsselloch huschenden Lichtstrahl ("Too Far", "We Could Be Something").
Anna F. spielt gekonnt mit ihren musikalischen Reizen und lässt sich nur ungern in die Karten blicken. Das zeugt von Reife und einem gesunden Selbstbewusstsein. Die Österreicherin weiß, was sie will. Mit ihrem engelsgleichen Organ und dem Gespür für atmosphärische Drehungen und Wendungen wickelt sie Freunde sphärischer Pop-Kost spielend leicht um den Finger.
Gefangen in Parallelwelten und gepeinigt von Angstneurosen und Liebeskummer, versucht sich die Sängerin mit Hilfe eingängiger Melodien, kindlichen Zwischensequenzen und einem flächendeckenden Synthie-Folk-Pop-Background zu befreien – mit Erfolg. Am Ende huscht ein Grinsen über ihr Gesicht. Das ausgeblichene EMF-Shirt passt wie angegossen ("Unbelievable"), während ihre wallende Mähne von nicht enden wollendem Trockeneisnebel umhüllt wird. Befreiung geglückt.
4 Kommentare
Was habe ich diese Frau bei ihrem Debüt langweilig gefunden. Umso überraschter bin ich, dass der Zweitling ein abwechslungsreiches Album geworden ist, das keinen 0815-Pop anbietet und trotzdem eingängig ist.
@agunt: ditto! Debut ist sowas von langweilig, aber das hier ist echt nett. Locker, leicht, manchmal frech, manchmal süß, einfach ein perfekt gemachter Pop-Rock mit bisschen Indie. Nur das unsäglich schlechte Cover von Unbelievable könnte sie sich echt sparen!
Ich stör' mich da zwar nirgends dran (außer vielleicht dem vergallopiertem Cover), kickt mich aber auch nicht.
Für ein Pop-Album klingt das gar nicht schlecht. Vielleicht an einigen Stellen etwas zu verspielt, aber doch abwechslungsreiche und hörenswerte Musik 3/5.