laut.de-Kritik
Drei Konzerte, drei Blickwinkel, und ein Fixpunkt.
Review von Artur SchulzDas Timing stimmt: Passend zur aktuellen Tournee erscheint Annett Louisans zweite Konzert-DVD "Das Optimale Leben - Live Edition". Ein Muss für all jene Fans, denen der Besuch einer der kommenden Auftritte nicht vergönnt ist - und diejenigen, die Annett Louisan & Band daheim noch einmal genießen möchten.
Die DVD ist in drei Abschnitte gegliedert: Als Hauptteil fungiert ein Konzert im Rahmen des 3sat-Festivals. Als Bonus sind Auftritte mit dem Babelsberger Filmorchester und der hr-Bigband beigefügt.
Starten wir einem nicht so geglückten Punkt der DVD. Dieser liegt nicht in der Arbeit der Künstlerin oder ihrer zahlreichen Mitstreiter inclusive Bild/Regie/Kamera-Einsatz begründet, das Problem ist die Ton-Ausstattung. Leider sind auf der von mir bewerteten Promo-DVD keinerlei Angaben zum Ton-Format enthalten, doch scheint es sich, wie beim Vorgänger, ebenfalls lediglich um Stereo 2.0 zu handeln. War es zu Zeiten des Erstlings für eine noch aufstrebende, junge Sängerin sicher o.k, mit zwar schlichtem, doch gut ausgearbeitetem Stereo 2.0 aufzuwarten, lässt der erneute Verzicht auf eine differenzierte 5.1-Aufarbeitung die freudige Erwartungs-Miene inzwischen doch schon nach unten fallen.
Mäkeln ist ebenfalls an der Gesamt-Ausstattung erlaubt - zwar bietet die DVD unterschiedliche Konzert-Parts, aber es fehlen ganz besondere Extras, wie sie auf "Unausgesprochen - Live" noch zu finden waren.
Doch nun hinein ins Entertainment-Etablissement Louisan - es bietet gleich dreierlei Amüsement für den geneigten Besucher: Eine ganz große Kleinkunst-Bühne, den weitläufigen, eleganten Kinosaal, und sogar die Besuchsmöglichkeit eines süffig-beschwipsten Nachtclubs.
1. Die charmante Kleinkunst-Bühne
Eine Lady in Black steht vor dem erwartungsvollen Publikum: Im kleinen Schwarzen, darunter eine enganliegende, bis zu den Knöcheln reichende Hose, die aparten Füße mit hochhackigen Pumps verziert. So eröffnet Annett Louisan den ersten Abschnitt ihrer DVD, einen 21 Songs umfassenden Auftritt beim 3sat-Festival, der ein großes Spektrum ihrer bislang erschienen Studio-Alben abdeckt.
Mit dem beschwingten "Die Dinge" beginnt Annett den Abend, und spätestens beim dritten Track, einer effektiv umarrangierten Version von "Frauen Lügen Nie" hat sie das Publikum voll auf ihrer Seite - dank einer intensiven Gesangsleistung und den unterstützenden, großartigen Mundharmonika-Parts.
Überhaupt: Annett überzeugt zunehmend mit ihren dunkel gefärbten Stimm-Momenten. Bei "Der Blender" dann für Gesundheitsapostel ein Schock: Die Louisan posiert mit qualmender Zigarette. Doch sie steht ihr verdammt gut, während der blaue Dunst wehmütige Erinnerungen weckt: Nämlich an jene Zeiten, als Sinatra, Dean Martin und französische Chansonniers die weiße Geliebte ungestraft als lässiges, cooles Stilmittel einsetzen durften - dies scheint bald Jahrhunderte her und ist ein weiteres Stück Kultur, das unterzugehen droht. Die Louisan allein mit ihrer Band: Das hat manchmal etwas von brillanter Kleinkunst, gänzlich ohne Netz und doppelten Boden.
2. Großes Gefühls-Kino im stilvoll-eleganten Lichtschauspielhaus
Wolf Kerschek ist der heimliche Meister im Hintergrund einer acht Songs umfassenden Präsentation von Annett Louisan-Songs, eingespielt mit dem Babelsberger Filmorchester. Er zeichnet hier als Dirigent und Arrangeur verantwortlich. Was er und die Musiker aus den Songs herausholen, verursacht oft genug Gänsehaut. Die zierlichen Song-Miniaturen der Louisan werden vom großen Orchester mit Harfe, Flöte und Streicherorchester nicht erstickt, sondern blühen in ganz neuen, leuchtenden Farben geradezu auf.
Beginnend mit einer facettenreichen Version von "Das Gefühl", setzt sich die exzellente Arrangement-Arbeit mit "Daddy" fort, das mit den zusätzlichen Parts noch mehr Tiefe und Wahrhaftigkeit gewinnt als ohnehin. Die textliche Doppelbödigkeit von "Der Den Ich Will" strahlt im samtenen Orchester-Kleid besonders hell. Annett überrascht - und bezaubert - hier mit einem glitzernden, sternflirrenden Augen-Make-Up. Ihre dann und wann durchaus spürbare Aufgeregtheit gefällt als symphatischer Zug, die sie aber nie zu einem Patzer verleitet.
3. Süffig-beschwipster Ausklang im Party-Club am Rande von Mitternacht
Der zweite Bonus-Part der DVD ist optisch gänzlich in warmen Sepia-Tönen gehalten. Die fünf mit der hr-Bigband aufgenommenen Titel, vor einer dicht gedrängten, aufgeräumten Zuhörer-Schar präsentiert, schlagen ein weiteres Kapitel der künstlerischen Bandbreite Annett Louisans auf: Mit ungewohnter Kurzhaar-Frisur hält sie die Menge von Anfang an im Griff und hat sichtlich Spaß an der Interaktion mit dem Publikum - das gut gelaunt mitmacht.
Kein Halten mehr gibt es einer musikalisch gepfefferten, Tanzfreude weckenden Version von "Die Lösung" mit seinen stark ausgeprägten Cha-Cha-Cha-Elementen. Annett als Party-Feger - wer hätte das gedacht! Aber auch die elegant-verführerische Version des erotischen Schleichers "Was Hast Du Vor" überzeugt auf ganzer Linie: Annett weckt Erinnerungen an Veronica Lake, jenen atemberaubenden, blonden Vamp aus dem schwarz/weißen Hollywood der vierziger Jahre.
Drei Konzerte, drei verschiedene Blickwinkel, und eine Künstlerin als Fixpunkt: "Das Optimale Leben - Live Edition" präsentiert sich als spannend zusammengestellte Bestandsaufnahme dessen, was Annett Louisan so einzigartig macht, und überrascht den Zuschauer mit neuen Bühnen- und Arrangement-Einblicken. In Sachen Charisma und Austrahlung hat die Wahlhamburgerin live enorm dazugewonnen. Somit ist diese DVD fraglos ein weiteres Erfolgs-Kapitel in der Historie Annett Louisans.
Die DVD ist ebenfalls als "Tour Edition" erhältlich und enthält neben den Konzertmitschnitten auch das aktuelle Studio-Album "Das optimale Leben", ergänzt durch drei bislang unveröffentlichte Bonus-Tracks und dem Video zur Single "Das Alles Wär Nie Passiert".
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