laut.de-Kritik
Ziegenbart und Matte schütteln auf hohem Niveau.
Review von Michael EdeleIch muss gestehen, dass ich wirklich positiv überrascht war, als ich in die Batschkapp einlief. Trotz extremer Hitze, jeder Menge Open Airs und dem Haufen Bands, die im Augenblick überall auftreten, war die Halle beinahe ausverkauft. Zwar konnte ich mir dank des Frankfurter Verkehrs die Vorband nicht genehmigen, aber laut Zeugenaussagen habe ich dabei auch nicht viel verpasst. Wirklich geärgert hätte ich mich aber, wenn ich Tommy Victor und Co. nicht gesehen hätte, denn das Prong-Quartett legte anschließend einen verdammt geilen Gig hin. Die Songauswahl ist exzellent und Tommy zockte seine groovenden Riffs mit einer Lässigkeit, die immer wieder für Maulsperren sorgte.
Zwar sind nicht alle Gesangslinien eine Offenbarung, aber allein die Tatsache, dass der Kerl über stellenweise extrem abgefahrene Anschläge überhaupt singen kann ist schon eine mehr als beachtliche Leistung. Zwar wirken sowohl sein Basser, als auch der zweite Gitarrist auf der kleinen Bühne etwas statisch, doch Tommy sorgt zu jeder Sekunde, die er nicht hinter dem Micro verbringen muss, für Stimmung und gute Laune. Am besten schlagen natürlich die Riffgranaten wie "Beg To Differ", "Prove You Wrong" oder "Snap Your Fingers" ein. Der einzig neue Song geht aufgrund seines melodischen Mittelteils leider im schlechten Sound unter. Der Fanzuwachs an diesem Abend ist aber dennoch eindeutig und beachtlich: Strecken sich zu Beginn des Sets gerade mal 20 Fäuste in die Luft, so ist es am Ende beinahe die ganze Halle, die Prong Tribut zollt.
Nach kurzer Umbaupause entern dann Anthrax im gemeinsamen Pentagrammlook die Bühne und legen mit "What Doesn't Die" und "Superhero" der neuen "We've Come For You All"-Scheibe auch gleich mächtig los. Zwar ist Johns Gesang für meinen Geschmack etwas zu leise abgemischt, aber nach ein paar Songs ist das dann auch egal. Das Publikum frisst den New Yorkern von Anfang an aus der Hand und die Band dankt es mit einem klasse Song nach dem anderen. Die allgemeine Hochstimmung steigert John noch, indem er erzählt, dass er beim letzten Gig in der Batschkapp anscheinend einen Fan, der auf einem Stuhl am Rand der Bühne rumsaß, ständig anfeuerte, doch endlich seinen Arsch hochzuheben und mitzumachen. Dumm nur, dass der arme Kerl eigentlich im Rollstuhl saß ... Doch auch ohne solche Stories ist der Gig wirklich groß, ganz im Gegensatz zu den Akteuren auf der Bühne, denen ich im Photograben beinahe ins Gesicht schauen kann.
Scott Ian schwingt seinen Ziegenbart, Frank Bello schüttelt die stark gekürzte Matte und Neuzugang Rob Caggiano grinst mit seinem Iro noch etwas schüchtern ins Publikum, erledigt seinen Job aber souverän. Auch als ihm Frank während eines Solos die Augen zuhält, lässt sich der Kerl nicht ablenken. John wetzt dabei immer wieder über die Bretter und legt eine unglaubliche Gesangsleistung hin, auch wenn er einige Sachen etwas smoother angeht, als auf Tonträger. Der Bruce Willis der Metalszene überzeugt aber zu jeder Sekunde. Die Setlist führt durch beinahe alle Stationen der Bandgeschichte und sogar "Bring The Noise" kommt zum Einsatz. Während des ganzen Gigs spürt man einfach jederzeit, dass es keinen in der Halle gibt, der die Show nicht genießt und als nach anderthalb Stunden und "I Am The Law" Schluss ist, ist es um die New Yorker Thrash-Szene auf einmal wieder ganz gut bestellt.