laut.de-Kritik
Mit halbgaren Witzchen ist dem Irrsinn nicht beizukommen.
Review von Dominik LippeDass die Antilopen Gang auch ohne begleitende Marketing-Maschinerie stimmige Projekte quasi nebenbei veröffentlichen können, bewiesen sie bereits 2015 mit dem Gratis-Album "Abwasser". Ein halbes Jahr nachdem sie mit "Abbruch Abbruch" einen feuilletonistischen Siegeszug antraten, schöpfen Danger Dan, Koljah und Panik Panzer in den pandemiebedingten Monaten der Ruhe und einer erfrischenden Dosis "Adrenochrom"-Kraft für ein neues Album. Doch abgesehen vom verheißungsvollen Titel scheint das Trio dem herrschenden Irrsinn gleichgültig gegenüber zu stehen.
"Der Angriffskrieg beginnt, jeder beugt sich der Macht, ja. Wenn wir fertig sind, dann ist Deutschland Agrarland." Mit poppig verpackter Kriegslyrik wecken sie in "Plan B" zunächst Interesse, auch wenn Ziel und Sinn der martialischen Attacken neben Belobigungen für den Morgenthau-Plan und Ton Steine Scherben weitgehend im Unklaren verbleiben. Mit "Jetzt werden wieder Guillotinen poliert" schlagen sie zudem Töne der zunehmend in Parallelwelten lebenden Demonstranten an, zu denen auch ein alter Bekannter gehört: "Klar, Xavier Naidoo hat ein Rad ab, aber schon seit 20 Jahren."
Wie lässt sich dem Verschwörungswahnsinn am besten begegnen? Reicht die Verächtlichmachung aus oder lohnt sich eine genauere Auseinandersetzung? Der "Anti-Aluhut-Sound" der Antilopen Gang fällt leider nicht sonderlich überzeugend aus. Zwischen Nackttanz mit Christian Drosten und Labor-Ausbrüchen aus Wuhan begnügt sich die Band in "Globuli" mit halbgaren Witzchen, die dem Thema in keiner Weise beikommen. Zudem verbietet sich eigentlich die Adrenochrom-Erzählung von Pädophilen und Kannibalen mit pseudowissenschaftlichem Unsinn undifferenziert zu vermengen.
Zumindest Shukos treibende Trap-Unterlage fällt, verglichen mit dem nichtssagenden "Kritisch Hinterfragt", gelungen aus. Im besagten Song zeigt das Trio aus erhabener Position vergnügt mit dem Finger auf die Corona-Proteste, um ihnen die Relevanz abzusprechen: "Das ist nicht dadaistisch, das hinterfragt sehr kritisch. Viel mehr Mühe hat sich Attila Hildmann auch nicht gegeben." Dabei spielt es eben keine Rolle, ob der Verschwörungstheoretiker über einen großen Geist verfügt. Seine ideologische Anhängerschaft auf Telegram und beim sogenannten 'Sturm auf den Reichstag' bleibt ja trotzdem real.
Wenn die Antilopen Gang in "Hokus Pokus" neben "Kloppe" für Nazis selbst vages Aufbegehren gegen die Obrigkeit formuliert, bleibt offen, ob sie echte Absichten hegt oder nur Personen mit echten Absichten parodiert. So verkommt alles zur profillosen Pose, die sie selbst Kollegen vorwerfen: "MC Bomber ist der Prototyp profilloser Gefolgsmann." Auch in "Anführer Deiner Feinde" treffen Nonsens-Lines auf Vieldeutigkeiten. Sobald sie das Reich des Ungefähren verlassen, fällt die kritische Haltung recht dümmlich aus: "Triff mich nachts, wie ich Absztrakkt vor die Haustür kack'."
"Warum soll ich mich aufregen? Worüber überhaupt? Warum sollt' ich Faschisten keinen Stock über die Rübe hau'n?" "Warum Sollte Ich" zelebriert die Verweigerungshaltung in alle Richtungen. Folgerichtig befreien sie sich in "Pack It Up" von allen Bemühungen. Die Antilopen Gang reist in die 90er, um sich an "Jump Around" von House Of Pain zu laben. Statt sich um Relevanz zu bemühen, gelingt ihnen mit der Feier des textlichen Blödsinns ein Höhepunkt des Albums: "Ich kauf' einen Dyson-Staubsauger und schalte ihn ein. Und dann wieder aus und dann schick' ich ihn zurück."
"Ich zweifelte schon zu Lebzeiten an meiner Existenz", konstatiert Danger Dan in "Name Und Adresse", das "Adrenochrom" das betrübliche und eben damit versöhnliche Ende beschert. Zwischen Amnesie und Ahnungslosigkeit finden sich die Antilopen in einer kafkaesken Welt wieder, die ebenso rätselhaft erscheint wie die eigene, sich in Auflösung begriffene Identität: "Neulich nachts hab' ich geträumt, dass ich aus einem Traum erwach'. Und alles, was mich ausgemacht hat, war leider nur ausgedacht." Immerhin birgt der Zerfall immer auch das Potenzial für einen Neuanfang.
9 Kommentare mit 8 Antworten
Waren als Crew schon immer überbewertet und dümmlich-provokativ. Dafür lobe ich mir die Solosachen, allen voran die von NMZS (R.I.P.).
Musiker, die man wegen ihrer politischen Haltung hören muss und nicht wegen ihrer musikalischen Qualität, sind sowieso eine künstlerische Form der moralischen Erpressung. Das gilt für die Antilopen und auch für Rechtsrock-Bands gleichermaßen.
davon abgesehen, dass Kai F. einer der besten gitarristen der 90er war, kann man antilopen auch wunderbar hören wegen ihrem bisweilen etwas absurdem humor und texten über substanzkonsum und scheitern in nahezu allen bereichen (d. sozialen Lebens)
Was für eine scheiß Kritik. Massiv von oben herab und ohne sich mit Künstler und Hintergründen auseinanderzusetzen. Schwach. Klingt nach massivem Gutmenschentum ala Yannik tm. Nach dem sozi Lk ausgelernt.
Projekt ist ganz gut gelangen. Im Gegensatz zu den sehr langweiligen Langspielern der letzten Jahre tut es den Antilopen gut, wenn sie wie Prezi sagt "einfach machen". Kommt bei weitem nicht an Abwasser Ran, aber ist ganz gut anzuhören.
Letztendlich lief bei mir Abbruch Abbruch maximal fünf Mal. Das hier wird es n paar Mal mehr schaffen.
Ok, sehr interessant. Vielen Dank für Deine Meinung, aber jetzt lösch Dich bitte, hm?
Gutmenschentum als Schimpfwort ist auch so eine peinliche Entwicklung
Squalle an sich ist eine peinliche Entwicklung.
Zustimmung. Zu beidem!
naja es ist die quersumme von "spaßbefreites frigides bildungsspießbügertum" gibt sicher schlimmeres...aber wirklich sein will man es dann halt auch nicht
"Zudem verbietet sich eigentlich die Adrenochrom-Erzählung von Pädophilen und Kannibalen mit pseudowissenschaftlichem Unsinn undifferenziert zu vermengen."
Dann ist die Adrenochromgeschichte also kein pseudowissenschaftlicher Unsinn? Wieder was gelernt!
Ansonsten nervt die Truppe so sehr wie Oliver Pocher. Der Scheiß provoziert praktisch keine Sau mehr, aber Hauptsache, man findet sich selber lustig.
Wenn du KIZ bei Wish bestellt hast.
in der heutigen zeit ein Spaß-Album so zu nennen ist Makaber und tritt die Opfer mit Füßen.
...und das würde jede Menge frisches Adrenochrom freisetzen!