laut.de-Kritik

Party, Panik, "Pop of the Tops".

Review von

2005 luden uns Art Brut zum ersten Mal in ihren rebellischen Rock'n'Roll-Zirkus ein. "Formed A Band" wurde zum feucht-fröhlichen Bühnen-Hit, und die erste Liebe "Emily Kane" war nicht nur in aller Munde, sondern traf auch mitten ins Herz. Das letzte Album liegt nun schon sieben Jahre zurück und rührte nur noch wenige Gemüter. Schon damals sprangen aber schon die Ausrufezeichen im Titel ins Auge: "Brilliant! Tragic!".

Das aufdringliche Satzzeichen beherrscht nun auch den neuen Plattentitel "Wham! Bang! Pow! Let's Rock Out!" und zwei weitere Songs. Sogar das englische Label Alcopop! Records enthält das eher lästige Betonungssignal. Das hat sich Sänger und Kopf der Band Eddie Argos wohl auf so mancher deutschen Plattform abgeguckt? Für die deutsche Sprache hatte er jedenfalls schon immer ein Faible ("It's a bit complicated"), und da der Engländer nun schon längere Zeit in Berlin lebt, will er das mit seinen neuen Tracks auch verdeutlichen.

Party, Panik, "Pop of the Tops": Es ist viel passiert in seinem Leben. Musikalisch bleibt er dem Gute-Laune-Punk-Rotz-Style treu. Stimmung und Euphorie des Sängers und der Band betont dann auch gleich der erste Song deutlich: "Hooray"! tritt uns förmlich die Tür ein. Es poltert und rockt, eine echte Art Brut-Hymne, mal wieder.

In gewohnter Sprech-Manie sprudelt es aus Eddie nur so heraus. "Hurra, wir leben noch" dürfen wir hier wörtlich nehmen. Das ist ja auch wahrhaftig ein Grund zur Freude. Schließlich hat der Sänger so Einiges durchgemacht und darüber zum Glück seine Lebensfreude nicht verloren. "It's not a game over, I got, I got an extra life, I was born again, in a pure white light."

Eddie litt an einer lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung, da hört der Spaß zunächst auf. In "Hospital!" erzählt er von seinem längeren, unangenehmen Krankenhausaufenthalt. Auch sonst war im Hause Argos Etliches los. Er ist Vater geworden, hat ein Buch, ein Comic und ein Musical geschrieben, war als One-Man-Show alleine unterwegs und malt leidenschaftlich gerne Plattencover diverser Bands.

Mit der Beziehung lief es leider nicht so gut. Scheinbar trifft man die große Liebe und fühlt sich emotional "Top of the Pops" ("She Kissed Me – And It Felt Like A Hit"), doch oft folgt nach Leidenschaft und enger Verbundenheit der niederschmetternde Bruch. Eifersucht, Wut, Ironie und vor allem große Verletzbarkeit pflastern Argos' Weg. In "I Hope You're Very Happy Together" pöbelt der Verlassene frei heraus und wünscht der neuen Beziehung seiner Ex nichts Gutes. Es soll der letzte Trennungs-Song in seinem Leben sein, das kann man ihm wirklich nur wünschen.

Neben seiner Vorliebe für Ausrufezeichen und der nachhaltigen Betonung des "Niemals Erwachsenwerdens" mittels Alkoholgelagen und Zerlegung mancher Möbelstücke, wie der Titelsong "Wham! Bang! Pow! Let’s Rock Out!" hörbar vermittelt, mischt Eddie nun auch mehr und mehr seine Deutschkenntnisse ins Repertoire. Er begrüßt pfeifend seine neue Stadt und wühlt dabei in der Klischee-Kiste ("Good Morning Berlin"). Hier sind die Nächte lang: "Kannst du bitte die Luft aus dem Glas lassen?" Natürlich macht er dann auch Bekanntschaft mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), die bekanntlich sich selbst lieben, ach nee, ihre Mitfahrer, aber nicht ihre "Schwarzfahrer".

In altbewährter Manier erzählt Eddie seine Geschichten, das kann er gut (noch besser in seiner Spoken Word-Live Performance), und davon gibt es viele. Die Melodien sind eingängig, mehr Pop als Punk. Das liegt sicherlich an der neuen Formation von Art Brut: Jasper Future und Mikey Beyer sind nicht mehr dabei. Dafür blieben aber Freddy Feedback (Bass) und Ian Catskilkin (Gitarre), und sie begrüßen einen weiteren Gitarrenspieler Toby McFarlane, der sonst in der Band von Graham Coxon mitspielt.

Am Schlagzeug sitzt Charlie Layton (The Wedding Present). Mit ihm erfüllt sich ein Kindheitstraum für Eddie: Mit ihm wollte er schon immer gern in einer Band spielen. Herzlichen Glückwunsch, zu allem. Auf das Leben! Art Brut lieben ihr neues Album, und wir lieben Art Brut.

Trackliste

  1. 1. Hooray!
  2. 2. I Hope You're Very Happy Together
  3. 3. Good Morning Berlin
  4. 4. She Kissed Me (And It Felt Like a Hit)
  5. 5. Schwarzfahrer
  6. 6. Hospital!
  7. 7. Too Clever
  8. 8. Kultfigur
  9. 9. Veronica Falls
  10. 10. Wham! Bang! Pow! Let's Rock Out!
  11. 11. Awkward Breakfast
  12. 12. Your Enemies Are My Enemies Too

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