laut.de-Kritik
Düsterromantische Liebe zwischen Pop und Heavy.
Review von Manuel BergerDie Abnabelung Avatariums von Doom-Papa Leif Edling vollzieht sich. Stammten auf den ersten Alben der Schweden noch fast alle Kompositionen vom Candlemass-Boss, bilden nun Sängerin Jennie-Ann Smith und Gitarrist Marcus Jidell das kreative Zentrum der Band. Schon auf dem vorangegangenen "Hurricanes And Halos" hatten sich beide stärker ins Songwriting eingebracht und die Stilpalette deutlich erweitert. Diesen Trend setzt "The Fire I Long For" nun fort.
Zunächst aber graben Avatarium nach ihren Wurzeln. "Voices" walzt mit zentnerschweren Doom-Riffs ins Album. Jidell jagt sein Gitarrensignal durch ein bis zum Anschlag aufgerissenes Fuzzpedal und setzt einen wunderbaren Kontrast zur klaren Stimme Jennie-Anns. Die Dynamik der beiden Pole des Avatarium-Sounds prägt auch das folgende, etwas poppigere "Rubicon" sowie das stark an Candlemass angelehnte "Epitaph Of Heroes".
Die auf "The Girl With The Raven Mask" und "Hurricanes And Halos" intensivierten, psychedelischen 70s-Einflüsse kommen in "Shake That Demon" zum Vorschein. Jennie-Ann bittet den besungenen Dämon zum Tanz und wirbelt ihn durch synthieverhangene Höhen. Hier und im folgenden "Great Beyond" übertreiben es Avatarium allerdings mit den Vintagesound-Spielereien. Sowohl Gitarre als auch Gesang ersticken im Effektgewaber. Gerade die weiten, offenen Melodiebögen in der melancholischen Halbballade "Great Beyond" hätten ihre Wirkung mit reduzierterem Klang wohl stärker entfaltet.
Der Titelsong liefert den Beweis. Hier instrumentieren Avatarium transparenter: Akustikgitarre verleiht der epischen Low-Tempo-Nummer klangliche Tiefe, daneben lässt Marcus Jidell die High-Gain-Akkorde lange atmen und würzt mit überlegten Leads. Jennie-Ann breitet dazu in aller Ruhe eine Ohrwurmmelodie aus, die die Band im Verlauf des Stücks über mehrere Variationen hinweg zum intensiven Höhepunkt stilisiert. Ganz neue Texturen präsentieren Avatarium in "Lay Me Down" und "Stars They Move". In Letzterem kanalisiert Jennie-Ann ihre Leidenschaft für klassisches Singer-Songwriting und singt zu leisem Piano. "Lay Me Down" dagegen spielt in sehnsüchtigen Americana-Sphären. Zweistimmige Vocals und ein filigranes Netz aus Akustik- und Slidegitarren prägen den Track.
Trotz der teils ungewohnten musikalischen Gefilde bleibt die düsterromantisch verträumte Grundatmosphäre, die Avatarium schon beim Debüt auszeichnete, stets intakt - Textzeilen wie "Lay me down / Close to you, so near / In the silent ground / And I will hold you / For a million years", entrückte Orgelharmonien und Jennie-Anns einzigartigem, mystischen Ausdruck sei Dank. Avatarium schaffen auf ihrem vierten Album, der Liebesheirat aus Pop und Heavy neue Facetten hinzuzufügen. In manchen Momenten spielen sie sanfter als je zuvor, einige Riffs dagegen klingen so hart wie seit dem Debüt nicht mehr. Faszinierend, wozu sich dieses ursprünglich als Kollabo mit Mikael Åkerfeldt (Opeth) geplante Projekt in nur sieben Jahren entwickelt hat.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Ich empfinde dieses Album als gute Mischung zwischen den Alben "Avatarium" und "The Girl With The Raven Mask" und gebe 8/10 oder 4/5.
Meine Band-Referenz ist und bleibt allerdings "Avatarium", weil ich mehr auf diese "niederwalzenden Doom-Riffs" stehe...
Ist wie ne typische Metalplatte aus den 70ern mitsamt aller Klischees, die damals noch frisch waren. Nur klingt sie nicht so aufregend schmutzig und wild, sondern scheußlich modern, glattgebügelt und energielos.
Hättest du ein Album in dem Genre parat, das schmutzig, wild, unmodern, ungebügelt und voller Energie ist?
Mir würde Manic Frustration von TROUBLE einfallen. Absolut unterschätzt, das Ding.
Ist vielleicht etwas mehr 80er-Metal, aber die aktuelle King Gizzard ist fett. "The Sword" gehen auch gut. Bin aber auch nicht mehr so metal-affin, weil es einfach zu viele glatte, formelhafte Metalbands wie Avatarium gibt.
Manic Frustration zieh ich mir rein, danke!
King Gizard ist ja wohl geil! Hammer! Kannte ich bislang nicht, schön rotzig das Ganze.