laut.de-Kritik

Düster verhangene Blicke auf die Straßen der Nordweststadt.

Review von

"Azphalt Inferno - wow! Teil eins hat euch gefickt, Teil zwei tut es auch." Keine leere Versprechung, die Jeyz, Manuellsen, Juvel und natürlich Betonregent Azad via "Kopfschuzz" unters geneigte Volk spucken.

Wer am Vorgänger seine Freude hatte, wer düster verhangenen Blicken, wahlweise auf die Straßen von Frankfurts Nordweststadt oder in die Abgründe menschlicher Seelen, etwas abgewinnen kann und sich dazu noch in martialischen Beatkulissen gut aufgehoben fühlt, wird zur vollsten Zufriedenheit bedient.

Das Ende seines Labels Bozz Music mag beim Geschäftsmann Azad Spuren hinterlassen haben. Der Künstler hat keine sichtbaren Schrammen davon getragen. Im Gegenteil: Der ist daran gewachsen. Er- und Überlebtes scheint Azad an den harten Stellen noch härter, an den deepen noch empfindsamer gemacht zu haben.

"Es ist das Leben, das dich macht, wie du bist / Es ist das Schicksal und dessen Schlag, der dich trifft / Es ist, dass manche Krisen gehen, dafür kommen neue dazu / Es ist scheiße, doch so is' es, Bruder. Was willst du tun?" Nicht, wie man annehmen könnte, resigniert tönt solches - sondern startklar, bereit zum Zubeißen: "Es ist Kämpferattitüde, weil ich überleben muss."

Mit zur Faust geballter Stimmgewalt drischt Azad tiefe Löcher in den Asphalt, auf deren Grund es sich dann in einem Meer aus "Blocktränen" gar trefflich baden lässt. Die schiere akustische Präsenz des Frankfurter Urgesteins beeindruckt jedes Mal aufs Neue, auch wenn sich die transportierten Inhalte seit "Leben" wenig gewandelt haben. "Dieser Junge ist stabil", keine Frage.

Er malt in Anthrazit und Schwarz, kennt sich mit den "Blocksymptomen", mit "Depris, Wut und Hass", aber auch mit dem Schmerz bestens aus. "Die leisen Schreie zwischen meinen Zeilen weinen, wie 'ne Geige" - nur wer ein Herz aus Stein spazieren trägt, kann sie überhören.

"Ich hab' versucht, mein Glück zu schmieden, doch es ist missglückt / und Stück für Stück noch weiter in die Ferne gerückt." Wer so schonungslos, beinahe beiläufig mit den Scherben seiner Träume jongliert, darf auch schmerzfrei Freundeskreis zitieren, dem sei sogar der x-te Aufguss des immer gleichen Hintergrund-Gewitterregens verziehen.

Abgesehen davon gerät das Beat-Fundament gewohnt makellos. In "Komm Ran" brechen Synthies die Theatralik der einleitenden Kirchenorgel: X-Plosive zeichnet verantwortlich, ebenso für die Kombination aus brachialem Bass und stechenden Klängen in "Bozz Effekt" oder "Waz Loz". Benny Blanco schiebt in "Wenn Die Straße Spricht" orientalische Melodien zwischen Betonpfeiler aus Bassschlägen.

M3 & Noyd haben für "Kopfschuzz" die Majestätik gepachtet. Sti pendelt je nach Bedarf zwischen beinahe zarter Zurückhaltung und Breitbild-Bombast. Djorkaeff und Beatzarre kreieren für "Fuck Tha Police 2010" ein finsteres Monster mit Ragga-Hookline: gelungene Produktionen, wohin man schaut.

Durchwachsener gestalten sich - wieder einmal - die Gastparts. "Ich seh' keinen, der in meiner Liga spielt, weit und breit", so Azad in "Komm Ran". An der Seite seiner ewigen Mitstreiter Hanybal, Chaker, Jeyz oder Manuellsen - oder auch in Begleitung Godsillas - muss er um seinen Führer-Status nicht fürchten. Zu groß der inhaltliche wie technische Klassenunterschied.

An das unvermeidliche Fußvolk hat man sich über die Jahre gewöhnt. Ohne die Kollegen würde einem inzwischen vermutlich sogar etwas fehlen. Mit Sicherheit nicht vermissen würde ich dagegen Adem, der in "Waz Lan Waz" limbomäßig alle Qualitätsgrenzen unterwandert, so dass am Ende sogar ein exquisit nervenzerfetzender Dervizz-Beat zur Unhörbarkeit verkommt. "Meine Mucke Terror." Das stimmt.

Azad dürfte sich statt dessen getrost mit Kollegen auf Augenhöhe messen. Deswegen gerne mehr Kollaborationen mit Savas und Havoc ("Futurama Remix"), des Ruhrpotts Straßenstolz Snaga ("Welt Des Scheins") oder dem anderen hessischen Altmeister, Reimroboter Tone. Schon dessen charakteristisch zischendes Einatmen verspricht: Es gibt in Form herrlich vertrackter Battle-Ansagen derbe "Aufz Maul".

Oder eben gleich Azad pur. Er steht ohnehin unverrückbar wie ein Fels in jeder Brandung.

Trackliste

  1. 1. Komm Ran
  2. 2. Fuck Tha Police 2010 feat. Godsilla & Navigator
  3. 3. Welt Des Scheins feat. Snaga
  4. 4. So Much Trouble feat. Chaker
  5. 5. Bozz Effect feat. Manuellsen & SAW
  6. 6. Murder (Manuellsen feat. K-Rush)
  7. 7. La Vie Cut
  8. 8. Immer Wenn Es Regnet
  9. 9. Scheizz Auf Alle (Jeyz)
  10. 10. Waz Loz feat. Hanybal
  11. 11. Wenn Die Straße Spricht (Chaker)
  12. 12. Drive By Sound feat. Hanybal
  13. 13. Es Ist Wie Es Ist feat. Chaker
  14. 14. Rollin' Like A Bozz feat. Manuellsen & Francisco
  15. 15. Futurama Remix feat. Kool Savas. Havoc & Moe Mitchell
  16. 16. Fly Away feat. Kool Savas & Francisco
  17. 17. Waz Lan Waz (Adem)
  18. 18. Kopfschuzz feat. Jeyz, Manuellsen & Juvel
  19. 19. Aufz Maul feat. Tone & Manuellsen
  20. 20. Tag Aus Tag Ein feat. Jeyz
  21. 21. Blocktränen feat. Chaker

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LAUT.DE-PORTRÄT Azad

Azads Hip Hop-Roots lassen sich bis ins Jahr 1988 verfolgen. Als kurdisches Flüchtlingskind findet er schwer Anschluss in den kalten deutschen Landen.

5 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    sehr gutes mixtape

    vier sterne wären verdient gewesen!
    aber das kommende album wird euch schon aus den socken hauen ;)

    GIB DIR BÖSSE!!

  • Vor 13 Jahren

    Produktionstechnisch wirklich sehr gut, grade der "Fuck Tha Police"-Beat gefällt mir sehr gut.

    Snaga, Savas, Tone Juvel haben mir als Feature erwartungsgemäß gut gefallen.

    Godsilla, Chaker, Hanybal, Jeyz, SAW und vor allem ADEM, Manuellsen und Francisco hätte er sich allesamt echt sparen können... was soll dieser Sing Sang auf Azad-Platten, raff Ich nicht.

    Ich hoffe nicht, dass Francisco das für Azad wird, was Hoe Mitchell bei Savas is, sonst dreh Ich noch ab.

    Alles in allem ordentliches Release, das erste Inferno war besser.

  • Vor 13 Jahren

    Wann hören diese ganzen Ghetto-Spasten eigentlich endlich damit auf alles mit "z" zu schreiben?! Das ist nicht "gangsta", das ist nicht cool oder sonst irgendwas, sondern einfach nur behindert!

    Dieser bemühte Trend ist derart uralt, ausgelutscht und mittlerweile so breit getreten, dass man sich beim Anblick dessen nur noch fremdschämen kann!

    Fällt den ganzen Herrn "Gangsta"-Rappern unserer Tage nichts besseres mehr ein, als sich dieser peinlichen, unkreativen Wortgeschöpfe zu bedienen?!

    Schlimm, schlimm! Vor allem wenn nun schon die 10-jährigen Kinners in der Schule anfangen so zu "schreiben"... Gute Nacht!

  • Vor 13 Jahren

    PS: keine Kritik an Azad bzw. der Platte.
    Ich musste aber mal spontan zum "Rundumschlag" ausholen, weil's einfach gedrückt hat! ;)

  • Vor 13 Jahren

    @leitwolf (« Wann hören diese ganzen Ghetto-Spasten eigentlich endlich damit auf alles mit "z" zu schreiben?! Das ist nicht "gangsta", das ist nicht cool oder sonst irgendwas, sondern einfach nur behindert!

    Dieser bemühte Trend ist derart uralt, ausgelutscht und mittlerweile so breit getreten, dass man sich beim Anblick dessen nur noch fremdschämen kann!

    Fällt den ganzen Herrn "Gangsta"-Rappern unserer Tage nichts besseres mehr ein, als sich dieser peinlichen, unkreativen Wortgeschöpfe zu bedienen?!

    Schlimm, schlimm! Vor allem wenn nun schon die 10-jährigen Kinners in der Schule anfangen so zu "schreiben"... Gute Nacht! »):

    Hast schon recht. Die Tracknamen gehen mir bei diesem Release ebenfalls enorm auf den Sack. Es ist allerdings so, dass - zum Glück - kaum noch irgendwelche Artists auf eine solche Schreibweise zurückgreifen. Von daher versteh ich deine Aufregung nicht so ganz ;)

    zum Release:
    Die Review hat es treffend auf den Punkt gebracht. Azad top, die meisten Features eher flop. Wobei ich sagen muss, dass mir Manuellsen diesmal ziemlich gut gefällt.
    Alles in allem gefällt mir AI2 besser als Teil 1 und würde von mir 4 von 5 Sternen bekommen - trotz Features.

    Btw. ist auf 18 gechartet, die Platte. Ist doch ganz ordentlich ;)