laut.de-Kritik
Introspektion und Systemkritik mit kleinen Schwächen.
Review von Dominik Lippe"Immer, wenn sie sagen, wir sind alle gleich, sage ich, laber' keinen Scheiß, zwischen mir und euch gibt es keine Verbindungen." Ob nun als Kunstfigur oder als durch diese sprechende Privatperson: BOZ bleibt nach wie vor "Unbekannt". Im einleitenden "Immer Wenn" baut der Hamburger die Distanz zur Szene und ihren Gesetzmäßigkeiten noch weiter aus, während er gleichzeitig zu sich selbst findet. Denn wie der unheilvolle Blick in den Spiegel auf dem Cover verrät, liegt das Unbekannte immer auch in einem selbst.
Mit Mut zur Introspektion beleuchtet er seinen Werdegang und erkennt im Rückblick die Sinnlosigkeit so manchen Treibens: "Ich war nie einer von denen, die bei Streitereien daneben stehen. Damals hab' ich's drauf angelegt, ohne Grund wie ein Psychopath. Mit dem Kopf durch die Wand zu geh'n, sogar dann, wenn die Tür auf wahr." Doch "Unbekannt" geht weit über eine Nabelschau hinaus.
Angesichte der unzähligen Fallen, die das Leben im gerade volljährigen 21. Jahrhundert bereithält, besteht für BOZ die größte Herausforderung im "Normal-Sein". So gilt es für ihn etwa, sich an religiösen Radikalisierungstendenzen vorbei zu manövrieren: "Wo sind meine tausend Brüder? So viele von ihnen laufen über zu den Glaubensbrüdern." Statt wie andere Rapper auf Albumlänge ihren Glauben als Feigenblatt vor sich her zu tragen, pocht er im wahren religiösen Einklang auf Güte und Demut: "Ihr benehmt euch so wie dreckige Hunde und sagt dann: 'Nur Gott kann mich richten.'"
Auch das kapitalistische System ist ihm ein Dorn im Auge. In "Geh Meinen Weg" bemängelt BOZ die Prioritäten-Setzung seiner Mitmenschen: "Um Geld wird gekämpft, um Freiheit wird gebeten." Den Glück versprechenden Konsum zwischen Shisha und Saufen verdammt er gleichermaßen: "So ein Scheiß ist nur da, um dich abzulenken, um den falschen Dingen mehr Macht zu schenken." Dabei ist auch er nicht frei von derlei Einflüssen und widmet seiner Nikotinsucht mit "Marlboro Medium" sogar einen ganzen Song.
Neben seiner Kritik an Machtstreben und Missgunst stellt vor allem Gerechtigkeit eine Herzensangelegenheit des Rappers dar. "Immer noch gibt es kein Gegenmittel gegen Hunger und Krankheit. Unter der Hand kriegst du alles, denn jemand nimmt sich einen unfairen Anteil", knurrt er etwa in "Ahab". Angesichts der zahlreichen, sich zwischen klug gedacht und gut gemeint bewegenden Verse sei ihm vereinzelt auftretender wohlfeiler Populismus verziehen: "Als Kinderschänder kriegst du hier ein paar Jahre, aber du gehst lange weg, wenn du dem Staat schadest."
Die weniger starken Momente des Albums ergeben sich immer dann, wenn BOZ gängigen Rezepturen folgt. An der Seite von Jin liefert er etwa in "Kareeminell Leutnant" halbgare Battle-Einlagen, die ob ihrer Plumpheit dem Rest des Albums zu widersprechen scheinen. Auch dem dutzendfach gehörten Representer-Track weiß er mit "Zurück" nichts Substantielles hinzuzufügen. Vielmehr wirft er die Frage auf, weshalb der Hamburger es für eine gute Idee hält, seine Selbstbeobachtung zu pausieren, um vergleichsweise monoton zu beteuern, den "miesesten Shit" zu bringen.
Dabei beherrscht BOZ durchaus sein Handwerk. In Songs wie "Schwerkraft" und "Marlboro Medium" gibt der Hamburger einen bleibehangenen Vortrag zum Besten. Mit seiner angenehm angerauten Stimme scheint eine mögliche Nebenbeschäftigung als Sprecher durchaus in Reichweite. So unaufdringlich wie sein Flow fallen auch die Instrumentals aus. Es dominieren Trap-Produktionen, die oftmals düster über den Takt schweben ("Immer Wenn", "Kareeminell Leutnant"). "Der Ton Macht Die Musik" fußt zwar auf einem arg klischeehaften Piano-Loop, überzeugt dafür aber textlich mit einer Liebeserklärung an die Kunstform.
Mit "Unbekannt" gelingt BOZ ein erwachsenes Album, das nicht einen Sicherheitsabstand zur reinen Pose hält und alles umschifft, an dem der Straßenrap krankt. Keine Großmannssucht, die sich mit randgruppenfeindlichen Ansagen zu einem präfaschistischen Brei vermengt, keine mit Stolz zur Schau gestellte Dummheit und keine Autotune getränkte Trend-Trittbrettfahrerei: "Ich weiß, ich war ein Sturkopf und bleib' so. Vielleicht trifft er nicht den Nerv der Zeit, aber er ist zeitlos."
2 Kommentare mit einer Antwort
guter mc. ziemlich underrated. frage mich, warum er nicht auf den großen plattformen stattfindet? eigenartig das ihn auch kein großes label aufm schirm hat...vermutlich ist das ganze ein stück weit zu erwachsen
Insgesamt ganz ok, 3/5. Finde Boz recht sympathisch und frage mich etwas, wo er die letzten 5-6 Jahre gesteckt hat. Delivery ist gut, Themen könnten noch etwas vielfältiger von der Aussage her sein. Erinnert etwas an die aktuellen Snaga Sachen. Allerdings ist sein Vortrag deutlich monotoner. Das wäre auch meine Kritik, er bietet weder stimmlich noch vom Flow variationen, was das Ganze etwas langweilig macht. Klingt insgesamt etwas aus der Zeit gefallen. Thematisch aber auch irgendwie das, was man sich von 187 langsam mal wünschen würde.
PS. Beats sind analog dem Rap etwas eintönig und haben im Mix zu wenig Druck.