laut.de-Kritik

Zornige, intelligente Funk- und Afrobeat-Attacke.

Review von

Hypnotische Afrofunk- und Highlife-Sounds zaubert das engagierte Album "What Is Your Breaking Point?" von Bantu. Das Akronym B.A.N.T.U. steht für die Brotherhood Alliance Navigating Towards Unity. Die stets wortreichen und sozialkritischen Texte von Bandleader Ade Bantu begeistern dieses Mal auch eine reisende Rapperin mit Köln als Wohn-Schwerpunkt, die stets ernste und bissige Akua Naru. Das gemeinsame Stück "Na Me Own My Body ft. Akua Naru" fügt dem Longplayer eine weitere Musikfarbe und ein richtig starkes Überraschungs-Highlight hinzu.

Aber "What Is Your Breaking Point?" zeigt sich sowieso denkbar facettenreich für eine Platte in der Tradition Fela Kutis. Nigerianische und ghanaische Vibes basierten in den '70ern auf ausladenden Blechbläser-Arrangements und fiebrigen Rhythmen. In den letzten Jahren hat eine neue Generation übernommen und wühlt eklektisch Einzelteile aus dem großen Pott an Gestaltungs-Varianten hervor, verpflanzt sie in überwiegend digitale Produktionen voller Auto-Tune und Trap-Beats, versehen mit dominierenden Dancehall- und Hip Hop-Mustern. Bantu bleiben jedoch weitgehend den Grundlagen aus der Kuti senior-Ära treu.

Entsprechende Trompeten-Intros wie in "Breaking Point" künden davon, wobei der folgende Abschnitt mit hart skandierten Lyrics (über Militarismus und Unterdrückung) auf Funkrock-Riffs eher der Worldbeat-Welle der späten '80er entsprungen scheint. Schwungvoll und dynamisch gerät der Gesamteindruck unter anderem aufgrund der herausragenden Klangqualität, dem Kontrast weicher Keyboards (Babajide Okays) mit energischer Percussion (Wurasamba Oke) und der flinken Wechsel zwischen männlichen Lead Vocals in den Strophen (mehr gerappt als gesungen) und weiblichen Erwiderungen im Refrain (Damilola Williams).

In "Wayo And Division" bimmelt eine P-Funk-Gitarre. Entlang der ganzen Länge des Songs sorgt sie für ein repetitives Riff in hoher Tonlage. "Japa Japa" ist eine Saxophon-Schlagzeug-Nummer mit der Wärme eines Tropenregens und einem pulsierenden meisterlichen Grundlagen-Groove. Das Zusammenspiel aller Zutaten trägt locker über die fünf Minuten Dauer. Immer wieder werden "regressive leadership" und enttäuschte Hoffnungen auf mehr Demokratie und Transparenz statt Autoritarismus, Korruption, Polizeistaat (huhu, Markus!) und Populismus thematisiert, wie in "Ten Times Backwards". Jeden Schritt nach vorne erkaufe man sich mit zehn Schritten rückwärts, beklagt das Kollektiv Bantu hier. Ein weiteres Thema ist der systematische Erwerb großer Nutzflächen durch ausländische, vor allem chinesische Investoren auf dem ganzen afrikanischen Kontinent: "Africa For Sale". 

"Schaut, wie unsere Regierungen das Land der Leute verkaufen. Die Zwischenhändler der 'Slavemasters' (...) unterzeichnen Verträge, die überhaupt keinen Sinn ergeben, unsere Souveränität hergeben für Peanuts und Shopping-Malls." "Borrow Borrow" sticht dann in den lange schon währenden Trend in den Massenmedien hinein: "Copy and paste, no originality!" Ade Bantu untersucht den Berufswunsch 'Influencer' und tragikomische Gestalten, die dafür kein Talent haben und sich trotzdem vor der Öffentlichkeit lächerlich machen. Auf blinden Konsum programmierte Mentalitäten seien eine weitere Folge, "brand new second hand, fabricated reality" würde sich so vielfach im Netz übertragen. Ein deepfunk-bluesiges Gitarren-Solo in Santana-Stil durchschneidet den Song in der Mitte.

Eine wirtschaftspolitische Analyse unternimmt der traumhafte, wunderschöne Soul-Smoother "Your Silence" über das alte Spiel: Nigeria ist gefragt, wenn es Bananen und Soja exportiert, aber keinesfalls wenn es selbst etwas verarbeitet und einen Mehrwert erzeugt, die alte Story. Warum sich daran nichts ändert, untersucht der Text: Für jede noch so kleine Änderung müsse man sich einem harten Kampf aussetzen. Dafür sei das Leben zu kurz. Eine perfekte Entschuldigung, so das Lied. Lächeln, die Augen schließen und bewusst wegschauen, sei da einfacher. "Keep it moving, don't complain." - Viele glauben irrtümlich, zu schweigen schütze sie davor, selbst im System den kürzeren zu ziehen. Selten hört man Zorn so sanft verpackt und so intelligent formuliert.

Es ist ein bisschen schwierig, hier Anspieltipps anzugeben, weil jeder Track genial klingt und rhythmisch mitreißt, eingängige Melodien und perfekte Gestaltung bereit hält. Durch den Wechsel der insgesamt fünf Stimmen am Mikrofon und die häufigen Duette durchdringt auch von dieser Seite weitere Vielfalt das schöne Klangbild. Je nachdem ob man's lieber perkussiv und atemlos mag ("We No Go Gree" mit Rap-Metal-Einlage über die Inflation), röhrend-funky ("Worm And Grass") oder flirrig ("Na Me Own My Body ft. Akua Naru") - diese Platte hangelt sich von einem Highlight zum nächsten Geniestreich.

Trackliste

  1. 1. Wayo And Division
  2. 2. Japa Japa
  3. 3. Ten Times Backwards
  4. 4. Worm And Grass
  5. 5. Borrow Borrow
  6. 6. Africa For Sale
  7. 7. Na Me Own My Body ft. Akua Naru
  8. 8. Breaking Point
  9. 9. Your Silence
  10. 10. We No Go Gree

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