laut.de-Kritik
Hier ist jeder Song eine Überzeugungstat.
Review von Matthias MantheEin Kritikerdilemma, wenn man bei den beiden Vorgängern bereits mit Superlativen um sich geschossen hat. Wie der Rückblick zeigt, allerdings allemal berechtigte: Zweifach zur UK-Platte des Jahres nominiert, mit mystifiziertem Dramatic Pop die Hürde Konzeptalbum locker genommen, Kreise zwischen Adele-Mainstream und Eastwilliamsköln souverän eingenommen – Bat For Lashes hat sich mit lediglich zwei Langspielern selbst als Meilenstein gesetzt.
Ergo nahm sich der Act, der eigentlich Natasha Khan heißt, eine Auszeit. Vieles, was sich über Jahrzehnte aufgestaut hatte, war gesagt, komponiert und vorgetragen worden, und schnöde Tourgeschichten seien nie ihr Sujet gewesen, wie sie sagt. Mit diesem Gefühl zog sich die Britin in ihre Brightoner Wohnung zurück. Plante ihren alten Lehrerinnenjob anzunehmen, überdachte ein Engagement in einem Krankenhaus und widmete sich ansonsten der Gartenpflege.
Als sie wieder zu schreiben begann, setzten nur folgerichtig Stress und Blockade ob der mittlerweile riesigen Erwartungshaltung ein. In ihrem Moleskine aus jener Periode finden sich zahlreiche Skizzen von bedrohlichen Gestalten. Zwischen den Zeilen die panikgefütterte Idee: Aufhören, Aussteigen, Mutter werden.
Dass nun drei Jahre nach "Two Suns" doch die dritte LP von Bat For Lashes vorliegt, ist daher alles andere als selbstverständlich. Welche Leichtigkeit aus jedem Stück "The Haunted Man" durchklingt, sogar noch weniger - erwähnte Schreibschwierigkeiten ("I worked my bloody arse off") hört man in keiner Sekunde heraus. Dass dieses Album wie seine Vorläufer als weiterer Meilenstein in die Jahrbücher eingehen wird, ist dann eigentlich nur noch erstaunlich.
"The Haunted Man" listet Beck, Dave Sitek, den langjährigen PJ Harvey-Kollaborateur Rob Ellis sowie Adrian Utley (Portishead) als Ideengeber bzw. Feature-Gäste. Trotzdem entsteht nie der Eindruck eines von extern verlenkten Stückwerks. Vielmehr hat die Bat For Lashes-Stimme in mühevoller Detailarbeit ihre Fähigkeiten als beeindruckende Sängerin, herausragende Songwriterin und versierte Arrangeurin perfektioniert.
Auf sehr selbstbewusste Weise präsentiert sie sich nicht nur auf dem Cover-Artwork, auch ihr untrügliches Gespür für den Vier-Minuten-Mikrokosmos macht jeden Song zur Überzeugungstat. Allen voran der unübertroffene Titeltrack: Zur Eröffnung ein wenig Micro House-Geschnipsel, dann geht ein folkloristischer Männerchor mit Marching Drums auf große Fahrt, bis schließlich gleisende Synthie-Fanfaren, jubilierende Violinen und Khans euphorisches Timbre die Philharmonien der Welt für sich reklamieren.
Bat For Lashes ist als nokturne Landschaftsarchitektin zwischen Synthiepop, Orchester, Gospel, Elektronica und Vocal Storytelling endgültig erwachsen geworden. Die gewonnene Reife erlaubt es ihr, Musik zu produzieren, die ungezwungen, fast leicht klingt, obgleich Monate oder Jahre Feinschliff dafür nötig waren. Zwingend ist jedoch das übergeordnete Ziel: überdauerndes wie bewegendes Popmomentum zu schaffen.
Mystische bis esoterische Konzepte oder hippe Andersartigkeit in memoriam Zielgruppe dürfen nicht länger sekundieren. Keine verwunschenen Wälder mehr, kein Indianerschmuck und keine Identitätsstörung. Stattdessen steht Natasha Khan auf dem Frontcover und trägt einen Mann. In schwarzweiß, unbekleidet und ungeschminkt, scheinbar unbeschwert.
Mit diesem Selbstvertrauen transponiert sie musikalische Phänomene. Seien es die Witch House-Bassdrum'n'Claps in "Marilyn" oder die Weirdo-Psychedelica von "Oh Yeah" – bei Bat For Lashes dienen Sounddesign und kulturelle Techniken lediglich als Werkzeug für den Aufbau des eigenen Opus. Damit liefert die Ausnahmekünstlerin von neuem das Referenz-Popalbum für Herbst und Winter. Bleibt bloß zu hoffen, dass der Kinderwunsch noch ein paar Fulllengths warten kann.
13 Kommentare
Schön geschriebene Kritik! Hab es jetzt ein paarmal durchlaufen lassen und es ist wie ihre vorigen Alben, einfach nur großartig. Diese Frau kann musikalisch einfach nichts falsch machen und mit Laura hat sie einen der schönsten Songs dieses Jahres für mich beschert.
Schöne Kritik ja. Aber kein Wort über die Musik geschrieben... Wäre auch lächerlich was darüber zu lesen in einer Album Rezension. Viel wichtiger ist es zu erfahren dass sie Lehrerin ist. Wayne. Genau wie die Gaslight Anthem und Mumford Sons 5-Punkte-weil-super-Kritiken.
Da ich ein riesen Fan des letzten Albums war (das Debut find ich langweilig) werd ich ohnehin reinhören. Die Proben sind schon mal toll!
Kniet nieder und huldigt dem Genie der Natasha Khan.
Das Album ist ganz grosse Klasse, trotz oder grade wegen der Entschlackung des Sounds. Ich hatte erst Bedanken, daß es "zu kalt" klingen könnte, aber dem ist nicht so.
Das Geschreibsel da oben, das eine "Plattenkritik" sein soll, das ist allerdings ganz großer M!st. Aber das ist ja nichts neues hier.
Obwohl mir Bat for Lashes namentlich ein Begriff ist, hab ich in der Vergangenheit bisher nur "Pearl's Dream" wahrgenommen in Form des Videos
und dieses hat mir sehr gut gefallen!!
Den neuen Song inlusive Video hab ich fast bis zum
Ende auf ihrer Website gehört, dann hab ich weggeklickt, weil mir das Zwischenspeichern auf den Senkel ging. Aber der Titel ansich klingt richtig gut und das SW-Video ist sehr gelungen!1
Ich denke, es wird Zeit, die Platten von Ms Khan
in die Sammlung aufzunehmen.
laura ist perfektion
5/5 - Ein echtes Meisterwerk!
Die besten Tracks:
Lillies
All Your Gold
Laura
Winter Fields
The Haunted Man
Marilyn
Rest Your Head