laut.de-Kritik

Das Strandhaus sah schon mal verlockender aus.

Review von

Beach House: Dieser Name gilt im Dreampop etwas. Mit dem 2010er-Großwerk "Teen Dream" hoben sie das Genre eigenhändig auf ein daseinsberechtigendes Niveau, keiner ihrer Akolythen konnte sich auch nur annähernd über einen ähnlichen Zeitraum auf ihrem Niveau halten. Über den Vorgänger "7" und die mit ihm einhergehenden Änderungen im Soundgefüge konnte man vortrefflich streiten, allein das machte ihn schon gelungen.

Man durfte also nachvollziehbar gespannt sein, wohin das in vier, peu à peu schon erhältliche "Once Twice Melody" als Gesamtkunstwerk führt. Die Gitarre von "Zebra" oder "10:37", das oft schwere, Schiffer-angehauchte ("Auburn And Ivory") und manchmal sehr spannende ("Take Care", "Turtle Island") Keyboard-Spiel, sie alle weichen Synths und Loops. Beach House hören sich viel mehr als in der Vergangenheit an wie Leban Hanover oder She Past Away und ähnliche Düsterduos. Eigentlich naheliegendere Akteure wie Majical Cloudz such(t)en nämlich gern das Cineastische, Dramatische, was diesem Album komplett abgeht.

Es ist eine alte Musikweisheit, dass Musik umso komplexer beziehungsweise in ihrer Erstellung herausfordernder wird, je simpler sie konzipiert ist. Nichts gegen Conrad Keelys Songwriting, aber wenn bei And You Will Know Us By The Trail of Dead mal eine Spur im Songwriting nicht endgültig sitzt, wem fällt das auf? "Once Twice Melody" ist dagegen eine über weite Strecken ausgesprochen spartanische Angelegenheit, die sich viel weniger als Vorgängeralben auf griffige Melodien verlässt, sondern atmosphärisch in die Gehörgänge kriechen will.

Das geht nicht immer gut: "Through Me" beginnt langweilig, kann aber mit einer tollen zweiten Hälfte überzeugen. Vom Twin Peaks-Möchtegernsoundtrack zu einem prickelnden Etwas, mit einer Dynamik, die einem Großteil des Albums leider abgeht. "Superstar" schämt sich vermutlich für seinen eigenen Namen, so ereignislos zieht der Track an einem vorbei. "Once Twice Melody" passt wie die Faust aufs Auge, hier wird sogar aktiv in den Texten ein Vorbeiströmen thematisiert. Handwerklich schlecht ist das gar nicht, nur nicht weiter bemerkenswert und deutlich unter den Möglichkeiten der Band.

Die Grundidee von "Runaway" ist mühelos 90% von all dem, was in der Welt unter Dreampop firmiert, überlegen, setzt seine schöne musikalische Grundidee aber viel zu verzagt und mit der Handbremse um. Dabei geht es nicht um den Ausbruch, natürlich liefern Beach House den nicht, aber irgendwo hin, sei es in ein Schmachten, ein Aufgeben, ein Verschämt-Zur-Seite-Schauen, ein Ermatten, irgendwo hin ging eben fast jeder Beach House-Song bislang. Und das ist bei dem Pathos und dem karikierten Gehabe auch notwendig, um den Sound nicht völlig Richtung Ritus und Art-Pop abdriften zu lassen.

Die Songs auf "Once Twice Melody" setzen genau diesen Kontrapunkt aber zu selten, sondern mäandern meist stoisch vor sich hin wie "Finale" oder "Only You Know". "ESP" ist ein ganz ausgesprochen gelungenes Gegenbeispiel, ein Song, der crescendo und Rücknahme kennt, der einen irgendwo abholt und an einem anderen Ort wieder abgibt. Der einem als Hörer nicht das Gefühl gibt, zufällig wo vorbeigekommen zu sein, wo gerade Musik spielt. Selbst wenn diese sehr verlockend klingt wie auf "New Romance" oder "Hurts To Love", vermisst man doch immer den Abschluss, das Ziel, gerade, weil einen die Songs eben immer ein Stück weit packen können. Es lief doch so gut, Lied, warum gehst du mitten im Gespräch?

Vielleicht ist "Once Twice Melody" unausweichlich für die beiden Beach Houseler, um den eigenen Emanzipationsprozess ohne Langzeitproduzent Coady weiter voranzutreiben. Bei dieser musikalischen Pubertät muss man aber nicht unbedingt dabei sein. Die beiden Musiker schütteln immer noch Ideen aus dem Ärmel wie nichts, das Grundgerüst des Songwritings dieses Album trägt aber nicht.

Trackliste

  1. 1. Once Twice Melody
  2. 2. Superstar
  3. 3. Pink Funeral
  4. 4. Through Me
  5. 5. Runaway
  6. 6. ESP
  7. 7. New Romance
  8. 8. Over And Over
  9. 9. Sunset
  10. 10. Only You Know
  11. 11. Another Go Around
  12. 12. Masquerade
  13. 13. Illusion of Forever
  14. 14. Finale
  15. 15. The Bells
  16. 16. Hurts To Love
  17. 17. Many Nights
  18. 18. Modern Love Stories

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