laut.de-Kritik
Nur das Schlimmste destilliert und dann noch nicht mal umgerührt.
Review von Dani FrommGroß, groß, lächelnd, bezaubernd, sensationell, brandneu, umwerfend, wundervoll: Wer diese euphorische Adjektiv-Kollektion in gerade einmal zwei Sätzen unterbringt, hat auch kein Problem damit, darin zusätzlich gleich dreimal die Vokabel "Traum" zu bemühen. Man möchte vor den Autoren des Presseinfos beinahe den Hut ziehen: Hanebücheneren Blödsinn habe ich diese Woche noch nicht gelesen - und das, obwohl da bereits ein Text dabei war, der Eminems "Marshall Mathers LP" zum "Heiligen Gral des Horrorcore" deklarierte.
Ausführlich preist die Beipack-Klapp-Pappe die angeblichen Vorzüge Beatrice Eglis und ihres aktuellen Albums. Das einzige, das sich zu loben gelohnt hätte indes, darüber schweigt die ellenlange Salbaderei. Über die blitzsaubere Stimme und ihren akkuratesten Einsatz verliert der ausufernde Text kein einziges Wort. Deswegen tu' ich das mal an dieser Stelle: Ja, die Schweizerin kann singen. Sie kann, wie sie im Rahmen von "Deutschland sucht den Superstar" Woche für Woche unter Beweis stellte, ihre Musik zudem hochgradig professionell in Szene setzen.
Das wars aber auch, mit dem Lob. "Pure Lebensfreude", mit Verlaub, ist eine Frechheit. In einer gerechten Welt dürfte man eine derart billige, lieb- und einfallslose Produktion als Verbrechen an der Musik im Allgemeinen und am Schlager im Besonderen unter Anklage stellen. Die dümmlichen Texte mit ihrem beschränktem Vokabular, den flachen Inhalten und den primitiven Reimen müssen jedem auch nur in Ansätzen denkenden und fühlenden Menschen wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen.
Als verhöhne einen noch nicht genug, was aus den Boxen eitert, entblöden sich die für die Promotion Verantwortlichen nicht, dabei von "modern" und "stilistisch aufgeschlossen" zu faseln, von "Authentizität" und "spürbarer Leidenschaft", mit der Beatrice Egli "ein lange belächeltes Musikgenre auch und gerade bei jungen Leuten wieder salonfähig" mache. Äh - wie bitte? Ich schrieb es bereits, und ich schreibe es wieder: Mist wie dieser trägt die volle Verantwortung für den schlechten Ruf, den der deutsche Schlager genießt - und den er, solange er ohne Aufschrei der Empörung Grütze wie diese in seiner Schublade duldet, auch verdient.
"Genau wie ihr gefeiertes erstes Album entstanden auch die Stücke auf 'Pure Lebensfreude' erneut unter der fachmännischen Aufsicht von Dieter Bohlen, der einmal mehr demonstriert, wie unverbraucht, modern und akzentuiert Schlager im 21. Jahrhundert klingen kann." Man möchte erst kotzen und sich dann fragen, ob derjenige, auf dessen Konto dieses Geschwätz geht, a) in den letzten ... na, sagen wir, vier Jahrzehnten den einen oder anderen guten Schlager und b) die vorliegende Platte gehört hat und ob er, falls das eine oder andere zutrifft c) überhaupt noch eine mickrige Latte am Zaun hat.
Unverbraucht? Modern? Akzentuiert? Ohren auf! Tatsächlich wärmt Bohlen die gleiche ranzige Suppe wieder auf, die er seit Dekaden kredenzt und für die er sich die Zutaten munter hier und da zusammengeklaut hat: Vierviertel-Bummsbeat vom Autoscooter und räudige Keyboardmelodien. Bloß nicht zu komplex, sonst kommt die Mitklatsch-Zombie-Klientel am Ende noch aus dem Takt. Ein, zwei schäbige Elektrosounds. Dazu wahlweise Chimes (Oh, so gefühlvoll!) oder eine knödelnde E-Gitarre (Wow, so rockig!). Ein einziges Stück, "Du Bist Die Sonne", verzichtet auf den Ballermann-Rhythmus und setzt statt dessen - unverbraucht, modern, akzentuiert, jaja! - auf Klavier, Streicher und wieder Chimes.
Dabei hat sich "das Erfolgsgespann Egli/Bohlen diesmal viel mehr Zeit als noch bei den Debütaufnahmen genommen". Womit um alles in der Welt haben die die viele Zeit, immerhin ein stolzes halbes Jahr (!) seit dem Erstling, nur verplempert? Dreimal flüchtig "Every Breath You Take" gehört, dann das jeweils Schlimmste aus Nena, der Münchener Freiheit und DJ Ötzi destilliert und das Gesöff daraus noch nicht einmal umgerührt? Ja, ich verstehe. Das braucht seine Zeit.
Auf die peinlichen Texte, für die Bohlen "ich und du" auf "Rendez-Vous" reimt und diesmal halt die Egli statt der Catterfeld ein paar Wolken weiterschieben lässt, bin ich noch nicht einmal eingegangen. Ich kann auch fast schon nicht mehr, so bescheuert erscheint mir das alles: Wenn eine 25-Jährige "nach all den Jahren", "ich weiß es noch wie heut'", "ich wollte dich hassen, kann nicht von dir lassen" blubbert, kommt mir das in der Tat ungeheuer "tief empfunden" vor. "Authentisch", is' klar, und natürlich irrsinnig "verrückt" und "crazy". "Zweimal Wahnsinn Und Zurück", bitte.
Beatrice Egli singt von der großen Liebe, dem großen Herzbruch und dem großen Neuanfang, allein: Es klingt alles völlig gleich, kratzt noch nicht einmal an der erst auf Hochglanz polierten und dann bis zum Anschlag weichgezeichneten Oberfläche. Statt, wie die schon deutlich abgewracktere Kollegin, tausend- hat sich Beatrice Egli erst siebenmal belügen und betrügen lassen. Kein Wunder, dass da das Formationstänzerlächeln noch perfekt sitzt.
"Mit dir allein in einem Himmelbett ... das fänd' ich wirklich nett." Ich dagegen fände echt nett, wenn sich Menschen zumindest ansatzweise mit der Sprache befassen würden, derer sie sich bedienen. "Nur wir zwei, verliebt und vogelfrei." Vogelfrei? Ehrlich? Verwendet man das in der Schweiz (oder in Tötensen) noch in der Bedeutung "frei wie ein Vogel"? Hierzulande seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr. Hier bedeutet "vogelfrei" "geächtet", und damit "zum Abschuss freigegeben". Meint ihr das? Na, dann ... "Schieß' mich zu den Sternen rauf, spann' die Sehnsuchtsflügel auf."
27 Kommentare mit 115 Antworten
Vogelfrei heisst auch in der Schweiz soweit ich weiss geächtet. Ich kann dich beruhigen. Allerdings kann "Vogelfrei" im sinne von "geächtet" im Schlagerkontext durchaus auch eine melancholisch-romantische wir-gegen-den-rest-der-Welt-Metapher sein ... wunderschön Dani. Gib es zu, überwinde deinen Hass gegen in deutsch gesungenes Liedgut der wieder unfairerweise zugeschlagen hat.
mit der Beatrice Egli "ein lange belächeltes Musikgenre auch und gerade bei jungen Leuten wieder salonfähig"
Ich dachte das wäre der Job der Hosen?
Hey, die Hosen sind voll Punk und so.
Schon groß, was für absoluter Dreck heutzutage veröffentlicht wird. Für den Pool vom Eifel Timo (den er nicht besitzt) würde die gute Beatrice aber wohl taugen.
Mir taugt die auch, aber der musst als Schweizerin schon was anderes bieten als einen Pool
Die is aber auch gut behangen, die Alte!
bamboon5 ist ein troll. oder jemand der auf Dorffesten zu Schlagermusik seinen Emotionen freien lauf lässt.
hab ich was von kompliziert gesagt? nein, du projizierst. und dem kritiker muss es egal sein, ob der künstler massen mobilisiert oder nur zwei leute. das quantitative argument ist unredlich. sonst wäre bohlen zu lebzeiten ein größerer künstler als van gogh.
junge bands wie etwa "die höchste eisenbahn" oder alte schlachtrösser wie ina müller/barb' schöneberger zeigen, dass es auch anders geht. um nur mal 2 gegenbeispiele zu bringen. die sind auch nicht verkopft....nur eben nicht debil....das problem bei lesern wie dir ist doch, dass du dich und das publikum mit angegriffen fühlst. dem ist aber nicht so. man darf das natürlich mögen.
...aber man darf das auch anprangern. deine argumentation §mimimi, ihr hab alle vorurteile gegen deutsches" ist aber würdelos für dich und die gegenseite gleichermaßen...ich bitte dich...
Anwalt, warum unterhälst du dich mit einem Fake-profil, der hier nur für Stimmung sorgen will. Das alles wirkt doch zum Himmel stinked konstruiert.
Als ob man das immer so verkomplizieren müsste. Die beste Poltik ist immer noch die, wenn man mit einfachen Mitteln das Volk begeistern kann. Und das beherrschen die Diktatoren perfekt. Oder warum sieht man auf Dorffesten, Jahrmärkten, HJ-Treffen oder stinknormalen Parteiveranstaltungen massenweise Menschen, die zu den Parolen ihren Gefühlen freien Lauf lassen? Wie ich schon damals schrieb, ist es immer wieder auffällig, wie parolensicher die Menschen sind, wenn es zu A.Hitler kommt.
oh, dasss habä äch nächt gewossst