laut.de-Kritik
Eilende Beats, schräge Samples und träge Melancholie.
Review von Joachim Gauger"One, two ..." - am Anfang war der Rhythmus, nicht das Wort: ein vorwärts stürzender Bass und mit reichlich Hall unterlegtes Schlagzeug eröffnen "Elevator Music" und damit das neue Beck-Album "The Information". In der Strophe singt Beck nicht, sondern rappt, im weiteren Verlauf dienen Keyboard-Klänge, verzerrte Gitarren und Klingeltöne vor allem als Taktgeber. Und wenn auch der Refrain so etwas wie eine Melodie andeutet, bleibt "The Elevator" doch ein äußerst rauhes Stück Musik und damit das Gegenteil von "Fahrstuhl-Sound" (Muzak).
Seit 2003 arbeiteten Beck und sein Produzent Nigel Godrich (u.a.: Radioheads "OK Computer", "Kid A") angeblich bereits an "The Information", und tatsächlich kommt die Scheibe sehr ausgereift daher, wenn sie auch an keiner Stelle überproduziert wirkt. Selbst bei dem ausgewiesenen Sample-Freak Beck überrascht die Fülle an seltsamen Geräuschen, die sich nie wiederholen, und Effekte, die, stets in neue Zusammenhänge gestellt, stets auch neue Wirkungen erzeugen.
Im zweiten Song bilden Strophe und Refrain einen starken Kontrast: während ein schepperndes Synthie-Sample und eine trockene Basslinie "Think I'm In Love" zunächst wieder alle Sinnlichkeit austreiben, treffen Becks Stimme, eine gezupfte Gitarre und Streicherklänge im Refrain zu einem wärmenden Unisono aufeinander. Dazwischen ist noch Platz für das eine oder andere Interlude, z.B. ein kurzes Solo auf der Bongo, das wieder mit reichlich Hall ausgestattet ist.
Die Aufteilung zwischen rhythmusorientierter, oft gerappter Strophe und eingängigem (gesungenem) Refrain findet sich auch im folgenden "Cellphone's Dead" wieder. Zwischen diesen beiden Polen ist gleichsam das gesamte Album aufgehängt, wenn auch einzelne Tracks auf verschiedene Schaffensphasen von Beck verweisen. Das verhalten melancholische "New Round" wäre auch auf "Sea Change" gut aufgehoben gewesen, der Sample-Wahnsinn von "1000bpm" weckt Erinnerungen an frühe Alben wie "Odelay", während das rockig vorantreibende "Nausea" irgendwo zwischen "Mutations" und "Midnight Vultures" angesiedelt ist.
Ja, der Herr Beck beginnt, sich zu wiederholen, wie schon Kollege S. kürzlich anmerkte. Dahinter steckt jedoch kein Sicherheitsdenken, vielmehr bringt Beck die Gegensätze, die früher auf verschiedene Alben verteilt waren, hier in einem wagemutigen Akt zusammen. Kaum ein anderer populärer Musiker der Gegenwart vereint so mühelos eilende Beats mit träger Melancholie oder schräge Samples mit ohrwurmartigen Melodien und vibrierenden Saiten.
Zum Schluss noch ein Wort zu den Lyrics, die Beck bildreich verrätselt. Von "geistiger Klarheit" (im Sinn von: Abwesenheit von Müll oder, um mit Adorno zu sprechen, Abwesenheit des Nicht-Identischen, das nur schmerzhaft sich eingliedern ließe) keine Spur. Da lehnt man sich doch als Scientologie-kritischer Beck-Jünger ganz entspannt zurück und drückt noch mal auf Play - "... you know what to do".
23 Kommentare
Juten Moin,
Habe mir soeben bei iTunes das neue Album (ohne Videos) von Beck runtergeladen (war so ungeduldig) und kann nur sagen: Was für ein geiles Album!!! Muss ja zugeben, dass ich ein bisschen enttäuscht war von Guero und dem hinterhergeworfenen Remix-Album Guerolito. Aber jetzt ist er wieder da: Der gute alte Beck-Sound! Vielleicht bestell ich mir auch noch das Album, man soll wohl das Cover mit Aufklebern selbst gestalten können (!!??) und ne DVD ist noch mit dabei (sämtliche Musikvideos)...
http://www.amazon.de/Information-CD%2bDVD-…
Hier könnt ihr euch mal ne längere Hörprobe anhörn, auch wenn der Track nicht mein Favorite ist...
http://www.24secrets.de/music/beck_new_gro…
Am originellsten ist, meiner Meinung nach, "Motorcade". Was für HAMMER Ideen...
Ich habe mich genauso wie du auf die neue Beck gefreut, und die Beck+Nigel Godrich Liason ist natürlich auch mal wieder was ganz feines.
Habe das Album jetzt zwei mal gehört und bin ein wenig zwiegespalten. Finde es einerseits super, weil es total gewieft, fett, facettenreich und verspielt produziert ist, jedoch führt genau dieser Bombastsound bei mir ein bisschen zu Ermüdungserscheinungen. Finde es teilweise echt ein bisschen anstrengend.
Vielleicht wächst es noch und es wird groß, wie es bei mir bei Guero war.
Meine Lieblingstracks sind bisher (top3):
1. Think I'm in Love (wegen dem arschcoolen, hymnischen chorus)
2. Soldier Jane
3. No Complaints (unter anderem wegen der coolen videospielsoundtrack-esquen melodieführung)
..sind also wie du siehst alles die etwas ruhigeren tracks.
Wann kommt Seachange 2? ((
sollt' ich mir eigentlich auch noch geben : Später vielleicht.
hat nen bisschen gedauert aber jetzt hab ichs: die letzte scheibe von ben harper. das fand ich extrem "sperrig", selbstverliebt, irgendwie authistisch. dann lieber weniger "anspruch" und dafür superhörbar wie "welcome to the cruel world" es war.
Jaja,
Alles eingefleischte Fans!! Ich finde Beck's The Information super, weil:
1. Der typische Beck-Sound wieder drin ist (nicht daß mir Guero und sein kleiner Bruder nicht gefallen haben)
2. Mr Beck auch mal (wieder) was neues ausprobiert
3. ...ihm das hier auf eine Art und Weise geling, die eher oberflächigen Musikgeister auch reingeht (musste ja Monate mit dem Guero Werk verbringen um nen Draht zu bekommen)
Außerdem hat er da schon ne feine Versammlung an Musikern mit reingebracht, die das Album definitiv super machen. Album des Jahres Top 10 für mich!
Aloha
War von "Guero" auch sehr enttäuscht, muss ich zugeben. Irgendwie lieblos bis undurchdacht produziert. Will hoffen, dass sich das neue Album wie ein Trostpflaster auf meine Öhrchen legt...