laut.de-Kritik
Hip Hop-Konventionen vs. verrückte Kunsthochschul-Ideen.
Review von Alexander EngelenGut Ding will Weile haben. Noch bevor Big Bois Solo-Album zu seinem ganz eigenen "Detox" unveröffentlicht in die Treppenwitz-Historie des Hip Hop-Genres einziehen konnte, packte sich Def Jam nach mehreren Jahren ein Herz und schenkte dem 17 Tracks starken "Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty" endlich den verdienten VÖ-Termin.
Nicht das Absurdeste an der Geschichte. Weil Arista Big Bois Outkast-Bruder Andre 3000 untersagte, auf "Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty" in Erscheinung zu treten, ist die 64-minütige Veranstaltung so Outkast-los geworden wie nie zuvor.
Mit einer kleinen Ausnahme: Für "You Ain't No DJ feat. Yelawolf" durfte André Benjamin zumindest an die Regler und frickelte stechende Space-Geschosse in einen verstört klickernden Klimbim-Beat. Big Boi macht darauf, was er auf dem gesamten Rest des Album tut: Er präsentiert sich als knallharter Battle-Rapper, mit einem Swagger, der so tief im Mark steckt, dass es den Rap-Kollegen, die sich dieses Schlagwort in den vergangenen Jahren auf die Fahnen geschrieben haben, Angst und Bange wird.
"Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty" ist ein knallhartes Rap-Album. Big Bois Reime haben dabei wenig von kunstkultiviertem Boheme-Gehabe, nichts von postmodernem Dandy-Appeal.
Das beste Beispiel: "General Patton". Auf Marschbläsern, Choralgesängen und beklemmenden Stakato-Hi-Hats aus der 808 betätigt Big Boi den lyrischen Flammenwerfer: "Witness the n***a that spit that vicious pitbull attack shit when it comes to this rap shit."
Die nachfolgende Strip Club-Nummer "Tangerine feat. T.I. and Khujo" mit angekäster E-Gitarre beschäftigt sich selbstredend mit ganz anderen Inhalten. Big Bois Raps verlieren aber auch hier keinen Deut ihrer Bissigkeit.
Den Grund dafür liefert der Protagonist selbst im lockeren Sommer-Schunkler "Daddy Fat Sax": "It is the B-I-G to the B-O-I, me oh my, I got my ears to the street and my eyes to the sky." Da verwundert es kaum, dass auf das krank angefunkte George Clinton-Feature "Fo Yo Sorrows feat. George Clinton & Too Short" die klassische Dirty South-Nummer "Shine Blockaz" mit dem omnipräsenten Nöl-König Gucci Mane folgt.
Hip Hop-Konventionen alternieren mit verrückten Kunsthochschul-Ideen. Musikalische Großtaten, die sich stets aus dem Wunsch nach Neuem speisen und nicht mit Konformitäten begnügen - ganz so, wie man es eben aus der unvergleichbaren Outkast-Historie kennt.
Wieso diese Formel stets auch vom Pop umfassend akzeptiert wurde, untermauert die pompös perpetuierende New Funk-Nummer "Shutterbug" einmal mehr. Auf jovial blubbernder Bassline gibt Scott Storch den kontemporären Roger Troutman, mischt Synthie Claps mit Soft Rock-Licks, während Big Boi sich lyrisch um die Geschichten über mexikanische Drogenkartelle und die Referenzen zu UGK und Soul 2 Soul kümmert. Ein Sure Shot, wie er im Buche steht.
Ende gut, alles gut, also. Denn offenbar haben die Label-Querelen und das Verbot der Zusammenarbeit auf "Sir Lucious Left Foot: The Son of Chico Dusty" Big Boi und seinen Partner Andre 3000 wieder zusammengeschweißt. Man spricht wieder voller Enthusiasmus von einem kommenden Outkast-Album, das zeitnah nach Dres Solo-Scheibe erscheinen soll. Musikindustrielles Unvermögen kann also doch zu etwas gut sein.
15 Kommentare
einfach nur gut. Wird gekauft.
Bestes Hip-Hop-Album dieses Jahr. 5/5
Einfach nur AMAZING, wirklich ein unglaublich starkes Album, bestes Hip-Hop-Album der letzten Jahre!
6/5 Sterne
Ich hab meine Meinung geändert finds doch gut.
Dass ichs nicht so gut fand, war dem nebenbeihören geschuldet. Jetzt bin ich eher für 4/5
Ich weiss nicht ob dieses oder Kanye's Werk der Platz auf den Thron haben sollte. Aber das Teil hat mich durch und durch beeindruckt! Und wie!
Ohne Scheiss, etwas vom besten dieser Dekade.
Ich kann dieser Album-Review nur zustimmen.. Schön geschrieben. 5/5
Ich vermisse Outkast...