laut.de-Kritik

Der Gitarrist von The Coral versucht sich als Soundtrack-Komponist.

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Die Entscheidung, The Coral zu verlassen, ist Bill Ryder-Jones vermutlich nicht einfach gefallen - schließlich besetzte er als Gitarrist eine zentrale Stellung. Ausgerechnet das Album, auf dem er sich am meisten einbringen konnte, führte 2007 schließlich zur Trennung. Er habe verstanden, dass er etwas anderes machen müsse, so der eher introvertierte Musiker.

Als Gitarrist kann man ihm auf seinem vorliegenden Solodebüt kaum bezeichnen. Wie auf seinem letzten Werk mit The Coral, "Roots & Echoes", beschäftigt er sich hier mit orchestralen Klängen. Das sei einfacher gewesen als es scheinen mag, erklärt er. Er habe einzelne Kapitel von Italo Calvinos experimentellem Roman "Wenn Ein Reisender In Einer Winternacht" vertont und die Stücke seien ihm regelrecht zugeflogen, so Ryder-Jones.

Mit der Vertonung literarischer Werke ist das so eine Sache – wie Lou Reed mit "The Raven" und "Lulu" bestens gezeigt hat. Doch während der New Yorker eine legendäre Schroffheit besitzt, die seine Musik wesentlich beeinflusst, eignet Ryder-Jones ein eher sanftes Gemüt. Kanten sind auf "If …" kaum zu finden.

Das Album könnte durchaus als Soundtrack durchgehen. Die Streicherlandschaften, die Ryder-Jones mithilfe des Liverpool Philharmonic Orchestras, eines Klaviers und befreundeten Musikern gezeichnet hat, fallen großflächig aus. Eine Kamera von weit oben, die über Wälder, Wiesen und Seen gleitet und schließlich bei einem einsamen, idyllischen Haus stehen bleibt. Wie es drinnen zugeht, bleibt offen. Furchtbares ist aber nicht zu vermuten.

In der Tat habe sich Ryder-Jones von Abel Korzeniowskis Soundtrack zu "A Single Man" inspirieren lassen. Weitere Vorbilder waren die Eigenbrötler Syd Barrett und Nick Drake sowie seine Lieblingsband, Gorky's Zygotic Mynci. Die lassen sich am ehesten noch aus "Enlace" (Drake) und "Intersect" (Barrett) heraushören, wobei Ryder-Jones in letzterem ausnahmsweise zur E-Gitarre greift. Ansonsten hält er sich im Hintergrund auf. "By The Church Of Apollonia" und "Give Me A Name" sind zwei der drei Stücke, auf denen er singt – allerdings so leise, dass man die einzelnen Worte kaum wahrnimmt.

Charttauglich ist das vorliegende Album bestimmt nicht. Aber das hatte Ryder-Jones auch nicht vor. Stattdessen ist ihm mit "If …" eine perfekte Bewerbungsmappe für einen Job als Soundtrack-Komponist gelungen. Nebenbei eine Platte, die auch ohne Leinwand-Bilder gut funktioniert.

Trackliste

  1. 1. If…
  2. 2. The Reader (Malbork)
  3. 3. Leaning (Star Of Sweden)
  4. 4. By The Church Of Apollonia
  5. 5. Le Grand Desordre
  6. 6. Enlace
  7. 7. Intersect
  8. 8. The Flowers #3 (Lotus)
  9. 9. Give Me A Name
  10. 10. Some Absolute End (The End)

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