laut.de-Kritik

Schnappatmungsgefahr beim Thrash-Schweinsgalopp.

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Ein richtig geiles Thrash-Metal-Album ist ein Balanceakt: Es soll einerseits eine gnadenlose Abreibung in Sachen Aggression und Tempo darstellen. Andererseits darf das Ganze nicht in stumpfsinniges Gekloppe ausarten. Gefragt ist also eine Punktlandung. Ein äußerst kniffliges Unterfangen, an dem auch gestandene Genre-Veteranen schon zur Genüge gescheitert sind.

Gelegentlich tritt aber auch der konträre Fall ein, und Jungspunde, die wohl kaum jemand auf der Rechnung hatte, hauen ein waschechtes Brett raus. So wie Bio-Cancer mit ihrem Zweitwerk "Tormenting The Innocent". Bisher brachten die fünf aus Athen außerhalb ihrer Heimat nur die Ohren einiger Eingeweihter zum Schlackern, doch nun empfehlen sie sich definitiv für höhere Weihen. Die Griechen legen eine Energie und einen Tatendrang an den Tag, dass man sich ernsthaft Sorgen um ihre Blutdruckwerte machen muss.

"Obligated To Incest" zeigt gleich, wie der Hase läuft: Zum Aufwärmen gibt es ein paar hymnische Gitarrenklänge des Duos Thanasis/Stavros, während sich Drummer Tomek in Form wirbelt. Selbst der Bass ist prominent nach vorne gemischt. Die Jungs haben offenbar nichts zu verstecken. Gerade, wenn es genug der Harmonie ist, zünden sie das erste Highspeed-Riff, verdoppeln das Tempo, und ab geht der metallische Schweinegalopp. Zwar taucht das Intro nochmals als Bridge auf, ansonsten gilt aber bis zum Schluss akute Schnappatmungs-Gefahr.

Das Titelstück führt die Raserei nahtlos fort, nimmt im Mittelteil aber kurz den Fuß vom Gas, um den Groove in den Fokus zu rücken. Generell gehören die ersten vier Songs mit zum frischesten, das seit geraumer Zeit aus der Thrash-Ecke geschossen kam: Riffs und Licks, die amtlich Arsch treten, wunderbar hirnrissige Soli, ein Händchen für Melodien: haben die beiden Gitarristen alles am Start. Interessanterweise schwingt in ihren Riffs manchmal auch eine rock'n'rollige Note mit: So klingt gerade das zur Single erkorene "Bulletproof" wie ein mit schaufelweise Speed hochgezüchteter Rocksong. Das zeigt vor allem die gelungene Breakdown-Passage, in der auch Bassist Giannis glänzt.

Während die Saitenfraktion durchaus harmonisch kann, bevorzugen Shouter und Drummer die härtere Gangart. Tomek ist eine echte Urgewalt an den Kesseln und den Pedalen. Der Wahnsinn! Die Vocals dagegen dürften nicht jedermanns Sache sein, hat Sänger Lefteris doch offenbar dieselbe Angepisster-Gremlin-Universität wie Exodus-Kollege Steve Souza besucht. Der Kerl kreischt und zetert wie von Sinnen, bloß ohne jegliche Variation. Zum Glück haben Bio-Cancer ein Faible für Gang-Shouts, was neben der Abwechslung auch einigen Old-School-Charme ins Spiel bringt.

Erst "F(r)iends Or Fiends?" kommt nicht so recht aus den Puschen. Die Nummer beginnt getragen mit Cello und bemüht sich auch sonst um einen ernsteren Grundtenor, was nicht die Stärke der Jungs zu sein scheint. Natürlich beschleunigen sie am Ende auch hier auf Eilzugtempo, dennoch fehlt der entscheidende Schuss Eindringlichkeit. Auch das folgende "Think!" bietet zwar solides Thrash-Geschnetzel, an das Niveau der ersten Albumhälfte reicht es aber nicht heran.

Dass sie ihr Pulver noch nicht verschossen haben, zeigen Bio-Cancer im Schlussteil des Albums: Allein was sie im fünfminütigen "Chemical Castration" veranstalten, ist gewaltig. Der Auftakt gehört einmal mehr einem im Midtempo gehaltenen Instrumental, ehe sich der Chef-Kläffer ein- und gleich zwei Gänge hochschaltet. Spätestens nach dem zweiten Refrain denkt man, Tomek habe sein Schlagzeug endgültig zu Feinstaub pulverisiert. Aber nein, da folgt noch ein starker Ausklang mitsamt schicker Soloarbeit der Gitarreros.

"Haters Gonna ... Suffer!", der kürzeste Track des Albums und ein Highspeed-Massaker, klingt, als habe man den Shouter-Gnom und eine ratternde Kettensäge in die Waschmaschine gesteckt. Herrlich abgedreht! Der zwischenzeitlich vermisste Spaßfaktor ist definitiv zurück, und man bekommt schon vor dem Rausschmeißer Bock auf eine neue Runde griechischen Thrash. Sobald man wieder zu Atem kommt. Es muss nicht immer Bay Area sein: Hellas Awaits!

Trackliste

  1. 1. Obligated To Incest
  2. 2. Tormenting The Innocent
  3. 3. Bulletproof
  4. 4. Boxed Out
  5. 5. F(r)iends Or Fiends?
  6. 6. Think!
  7. 7. Chemical Castration
  8. 8. Haters Gonna ... Suffer!
  9. 9. Life Is Tough (So Am I)

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