laut.de-Kritik
Gereifte Melancholie für chillige Stunden am Kamin.
Review von Kai ButterweckFünf Jahre sind vergangen, seit Birdy der Welt bewiesen hat, dass sie auch mit opulenter arrangierten Sounds umgehen kann ("Beautiful Lies"). Auf ihrem neuen Album "Young Heart" geht es nun wieder etwas ruhiger zu.
"Ich bin in den letzten fünf Jahren erwachsener geworden. Das hört man den neuen Songs auch an", sagt die 24-jährige Britin, die bereits mit 14 die englischen Charts stürmte ("Skinny Love"). Und ja, die neuen Tracks klingen reifer. Birdy geht strukturierter und aufgeräumter zu Werke.
Schon die bereits im Januar veröffentlichte erste Single konnte man nach nicht einmal einer Minute mitsummen. Ein leises Klavier, ein zartes Schlagzeug und die fragile Stimme der Hauptdarstellerin: "Surrender" ging sofort ins Ohr – und tut es auch heute noch.
"Second Hand News" folgt einem ähnlichen Schema. Samtweiche Singer/Songwriter-Klänge begleiten schwermütige Lyrics, in denen sich alles um Verzweiflung, Einsamkeit und Hoffnung dreht. Zum Ende hin steigern sich Musik und Emotionen. Alles wird ein bisschen lauter und präsenter. Aber die Grenze zum emotionalen Ausbruch wird nie überschritten.
Die beiden etwas mehr in die Breite gehenden Songs "Loneliness" und "Deepest Lonely" klingen wie eine folkige Version von Florence And The Machine. Birdy schreibt Liebeslieder für all die schweren Gefühle, die einen begleiten, wenn man irgendwo ganz allein im Dunkeln sitzt und sich überlegt, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn irgendwer ganz plötzlich das Licht anschaltet. Ja, Birdy hat auch Hoffnung. Nicht alles ist schlecht.
Eine gescheiterte Beziehung, das Sortieren von dunklen Gedanken, der Reifeprozess einer introvertierten Mittzwanzigerin: Das alles hat auch seine guten Seiten - und wenn es nur die Aussicht auf Heilung ist.
Birdy kann mittlerweile ein paar Akkorde auf der Gitarre spielen. Diese Neuerung teilt sie ebenso mit ihren Hörern wie das am Neujahrstag 2021 vor ihrer Haustür aufgenommene Vogelgezwitscher ("Voyager"). Musikalisch deutlich reduzierter als in der Vergangenheit präsentiert sich Birdy auch als gereifte Poetin ("Nobody Knows Me Like You Do").
Aufgenommen im Musik-Mekka Nashville zeichnet "Young Heart" ein Klangbild in dunklen Farbtönen. Das Licht am Ende des Tunnels ist nur schemenhaft zu erkennen. Wenn es dann aber durchdringt, ist man als Freund von melancholischen Klängen für chillige Kaminstunden schnell Feuer und Flamme.
1 Kommentar mit einer Antwort
"Celestial Dancers" und "Moon" nicht erwähnt bzw. gehört?
4/5 hätten es schon sein dürfen, lieber Kai .
Naja, Tashian und Fitchuk haben ja Ähnliches bereits mit Kacey Musgraves geliefert. Dieser Mix aus belanglosem Pop und einem seichten Country-Einschlag mag hörbar sein, ist aber künstlerisch ziemlich mittelmäßig.