laut.de-Kritik
Harte Riffs, deprimierte Lyrics, Soli, alle Regler auf Maximum, Weltuntergang.
Review von Giuliano BenassiAuch als Prince Of Darkness hat man es nicht immer leicht. So erinnerte sich Ozzy Osbourne in seiner amüsanten Autobiografie an den Moment, als er seinem Vater voller Stolz das erste Album seiner Karriere präsentierte: "Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mit seiner Lesebrille rumfummelte und sich das Cover vor die Nase hielt. Dann schlug er das Album auf und sagte: 'Hmm, bist du sicher, dass sie keine Fehler gemacht haben?' - 'Was meinst du damit?' - 'Dieses Kreuz steht auf dem Kopf'!"
Ozzys Vater hatte nicht mal so unrecht, denn Bandname, Satansanspielungen und all das schwarze Brimborium waren in erster Linie das Herausstellungsmerkmal einer jungen, unbekannten Band, um aus der Masse herauszustechen. Die Engländer nahmen nichts ernst, waren damit aber durchaus erfolgreich: Ihr Debüt "Black Sabbath", Ende 1969 in gerade mal zwei Tagen aufgenommen, erreichte in der Heimat und den USA die oberen Etagen der Charts und verkaufte sich mehr als eine Million Mal.
Der nur ein halbes Jahr später entstandene Nachfolger "Paranoid" war zwar eine ähnlich informelle Angelegenheit, dennoch von ganz anderem Kaliber. Besaß das Debüt noch deutliche Blues-Wurzeln, ist der Sound hier wesentlich düsterer und härter. Steppenwolf hatten zwei Jahre zuvor in ihrem bekanntesten Stück "Born To Be Wild" einen Begriff verwendet, der hier perfekt passt: Heavy Metal thunder, oder abgekürzt Heavy Metal.
Wer mit Metallica und Slayer aufgewachsen ist, stellt sich das Genre wesentlich lauter und effektlastiger vor, doch die Grundelemente sind auf diesem Album alle vorhanden: Harte Riffs, deprimierte Lyrics, Soli, alle Regler auf Maximum, Weltuntergangsstimmung. Hinzu kommt, dass Gitarrist Tony Iommi bei einem Unfall zwei Fingerkuppen verloren hatte und sich mit Plastikprothesen behelfen musste. Um die Spannung der Saiten so gering wie möglich zu halten, spielte die Band drei Halbtöne tiefer als es in der Regel der Fall ist, was den Sound nur noch düsterer macht.
Der Opener "War Pigs" fällt mit knapp acht Minuten ungewöhnlich lang aus. Ein lamentierendes Riff, Bombensirenen, ein wirbelndes Schlagzeug, dann plötzlich eine Tempoverschärfung und Osbourne, der mit einer Stimme aus dem Jenseits über Generäle, schwarze Messen und Soldaten ("War Pigs") sinniert, die auf dem Schlachtfeld krepieren: "In the fields the bodies burning / As the war machine keeps turning / Death and hatred to mankind / Poisoning their brainwashed minds."
Dabei handelt es sich um zwei Stücke in einem, denn der textlose Abschluss fällt wesentlich melodischer aus und erhielt mit "Luke's Wall" einen eigenen Namen, eine Hommage an die beiden, damals einzigen Roadies der Band. Wie das Cover verrät, sollte das Album nach dem Opener benannt werden, doch die Plattenfirma entschied anders, da sie die Politik raushalten wollte, schließlich waren dies die Zeiten des Vietnam-Krieges. Also musste ein Stück herhalten, das in aller Schnelle als Lückenfüller entstanden war.
Iommi steuerte ein Riff bei, Bassist und Haupttexter Geezer Butler kramte ein voll gekritzeltes Blatt heraus, Osbourne las es ab und erfand dazu eine Melodie, während das Band lief. 20 bis 25 Minuten habe es gedauert, um das Stück zu schreiben und aufzunehmen, schätzt Schlagzeuger Bill Ward. 20 bis 25 Minuten, von denen die Mitglieder heute noch leben, denn der Song heißt "Paranoid" und gehört zu den bekanntesten Metal-Stücken überhaupt. So bekannt, dass es Osbourne und Iommi mit Phil Collins am Schlagzeug 2002 bei einem Jubiläums-Konzert für die Queen spielten.
"Ich glaube, weder Ozzy noch ich wussten überhaupt, was der Begriff 'paranoid' bedeutet", erinnerte sich der Gitarrist. Butler sei der Schlaue in der Band gewesen, deshalb habe er die Lyrics geschrieben, ganz einfach. Er bedeutete den endgültigen Durchbruch für Black Sabbath, in Deutschland stand "Paranoid" 1970 an der Spitze der Charts.
Doch war nicht nur Glück in Spiel. Dass die Band es tatsächlich drauf hatte, zeigt das beste Stück des Albums, "Iron Man": Osbourne verkündet mit verzerrter Stimme, ein Mensch aus Stahl zu sein, dann folgen Schlagzeug und eines jener bleischweren Riffs, wie sie nur Iommi hinkriegt. Zwei Soli, die zwar nicht mit den ewigen Rivalen Jimmy Page und Ritchie Blackmore mithalten können, aber trotzdem sitzen. Lyrics über eine metallene Kreatur, die sich gegen ihre Erbauer, die Menschen, richtet. Frankenstein revisited. Ein Song für die Ewigkeit.
Kaum zu glauben, dass die erwähnten drei Stücke alle auf der A-Seite untergebracht waren. Ergänzt durch "Planet Caravan", das mit Bongos und einer eher jazzigen Stimmung aus dem Rahmen fällt. Dass die B-Seite das Niveau nicht halten kann, ist kein Makel. "Hand Of Doom", mit sieben Minuten wieder ein längeres Stück, haut noch mal voll in die Kerbe. Der Text handelt von Veteranen, die sich mit Drogen vollpumpen, um die Schrecken des Krieges zu betäuben. Die Musik fand Steve Harris offenbar inspirierend, denn Bass und Aufbau erinnern stark an das, was er einige Jahre später in der Gründungszeit von Iron Maiden schreiben sollte.
Über die Entstehung des kuriosen Titels des letzten Stücks, "Fairies Wear Boots", wörtlich "Feen tragen Stiefel", kursieren verschiedene Versionen. Laut Iommi hätten Butler und Osbourne in einer Pause einen Joint geraucht und im hinter dem Studio gelegenen Park Schwule ("Fairies") beobachtet. Butler hingegen erinnert sich, dass die Band auf eine Gruppe Skinheads gestoßen sei. Offenbar kein schönes Ereignis, denn anschließend hätten sie die Glatzköpfe als "Fairies" bezeichnet. Fest steht, dass das Stück im weiteren Verlauf der Bandgeschichte keine große Rolle mehr spielte.
Wohl aber die folgenden Alben, die unter zunehmendem Drogen- und Alkoholeinfluss entstanden. Es lässt sich vorzüglich darüber streiten, ob nicht "Master Of Reality" (1971) oder "Sabbath Bloody Sabbath" (1973) noch geeigneter für die "Meilenstein"-Rubrik wären. Oder gar "Heaven And Hell" (1979) oder "Mob Rules" (1981) mit Ronnie James Dio, der hinsichtlich Stimme und Bühnenshow viel besser zu Iommi passte als Osbourne.
Doch war es "Paranoid", das aus einer von unzähligen südenglischen Combos eine Band mit Weltformat, gar eine Legende machte. Das hätten sich weder Ozzy noch sein Vater träumen lassen, als sie gemeinsam dem ersten Song auf dem ersten Album lauschten (die beide auf den Titel "Black Sabbath" hörten). Papa Osbourne war alles andere als begeistert, doch kannte er seinen Sohn schon damals sehr gut, wie sein vernichtender Kommentar beweist: "John, bist du sicher, dass du nur hin und wieder ein Bier trinkst?"
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
34 Kommentare
Eine äußerst gelungene Wahl; da es vermutlich sonst übergangen bzw. noch ein Weilchen "zu lange" übersehen wird, möchte ich hier noch kurz hervorheben: Unwound - Leaves turn inside you.
I am Iroooooon Maaaaaaan
Däääon däääon, däon dun dun, dängelängelänge däon däon dun dun!
sauber!
Ja, definitiv ein Meilenstein... wobei "Black Sabbath" aber definitiv das bessere Album ist. Auch "Sabbath bloody Sabbath" ist besser. Aber wohl weniger Metal und somit weniger Meilenstein.
@Dehumanizer
Warum "Dehumanizer" eines der bedeutendsten Sabbath Album sein soll, ist mir allerdings schleierhaft. Ich meine, ich mag das Album, aber richtig bedeutend, abgesehen von Dio's Rückkehr, wars im nachhinein nicht. Mit "Heaven and Hell" gebe ich Dir allerdings recht.
Mir gefällt Sabbath Bloody Sabbath ebenfalls besser, den MASSIVEN Einfluss von paranoid kann und darf man tatsächlich nicht leugnen.