laut.de-Kritik

Mark Hoppus und Co. lösen ihr Ticket für Rock am Ring.

Review von

"Teens React ..." heißt ein äußerst spaßiges Youtube-Format, das die Reaktion pubertierender Zahnspangenträger auf Videos von zumeist älteren Künstlern zeigt. Die Folge mit Blink 182 bekommt Kommentare wie "Wow, den Song hört meine Mom!" und löste großes Gelächter bei der Band aus, die wiederum in einem React-Video die Reaktionen der Teens kommentiert.

Sie sitzen dort entspannt als coole Dad-Typen und lieben vor allem das Fazit der Kids, die ihre Band kaum noch einer Musikrichtung zuordnen können. "Wir sind als Pop-Punk-Band gestartet, aber nach all den Jahren weiß ich auch selber nicht mehr wohin wir eigentlich gehören", sagt Mark Hoppus.

Das neunte Studioalbum tauchen sie in bunte Regenbogen-Farben und nennen es tatsächlich "Nine". Das spricht für ungefähr genau so viel Kreativität, wie man sie im Song "Happy Days" wiederfindet. Die Akkorde und der Trommelwirbel von Travis Barker sind aus unendlich vielen Blink-Songs bekannt, der fett produzierte Pop-Sound seit dem letzten Album ebenfalls. Das ist kein Punk mehr, sondern das Ticket für Rock am Ring, im schlimmsten Fall noch vor den wirklich schlimmen Simple Plan. Wobei, es geht ja schlimmer: Auf Spotify wartet das Mashup "A Milli/What`s My Age Again" mit Lil Wayne, mit dem sie auch gemeinsam auf Tour gehen.

"Black Rain", "Run Away" und "I Really Wish I Hated You” klingen bereits vom Songtitel her, als ob man die nächste Teenager-Emo-Serie auf Netflix untermalen will. Blink 182 haben nicht mehr vor, mit uns abzuhängen, sie wollen sich mit unseren Kindern verkumpeln und wirken dabei wie peinliche Radio-Pop-Onkel. 49 Sekunden puren Punk-Rock in "Generation Divide" schenken sie immerhin den "Früher War Alles Besser"-Maulern, die die raueren "Dude Ranch"-Zeiten zurück sehnen.

Bis Anfang der Nullerjahre passte der spaßige Punk als Übergang vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen perfekt zusammen. Das wunderbare Unendlichkeitsgefühl "What's My Age Again?", die Verlorenheit in "Adams Song" und die Wut in "Stay Together For The Kids" waren wie beste Kumpel, die einen an der Hand durch das Tal der Besäufnisse und Tränen führten. Mit dem ernsten selbstbetitelten Album wollten die spaßigen Lausbuben 2003 dann nicht mehr die Kultband des Spring Break sein. Doch anstatt eines würdigen Endes folgte bekanntlich die Reunion. Nun haben sich die ehemals besten Freunde nichts mehr zu sagen. Tom Delonge ist wieder weg und Matt Skiba von Alkaline Trio seit "California" dabei.

John Feldmann, der schon The Used zuckersüße Produktionen verabreichte, meinte es auch auf "Nine" außerordentlich gut. Der Skatepunk ist eh nur noch rudimentär erkennbar und so bohrt das ehemalige Goldfinger-Mitglied noch eine Soundwall ins eh dünne Brett. Die im Grunde sehr typische Blink-Nummer "First Time" erinnert noch kurz an das "Take Off Your Pants and Jacket"-Album, aber spätestens mit einem fiesen Riff, Autoune-Yeah-Yeah-Chords und der nächsten Soundschicht entwickelt sich nur noch ein fies brennendes Gefühl im Gallenbereich.

Einen kleinen Nostalgie-Punkt nach all der Trend-Anbiederei fährt immerhin "Pin The Grenade" ein. Der lupenreine Alkaline Trio-Song mit viel Catchyness vermittelt endlich ordentlich Punk-Rock-Energie. Es wäre sehr zu wünschen, dass Matt Skiba zukünftig mehr Einfluss bekommt oder sich seine Mitstreiter ein Beispiel an dessen Pop-Punk-Klassikern wie "Mercy Me" nehmen. Nicht nur Mark Hoppus scheitert 2019 an der Frage, wo er seine Band einordnen soll. Den Fans von Blink 182 dürfte es nach diesem ziellosen Album genau so gehen.

Trackliste

  1. 1. The First Time
  2. 2. Happy Days
  3. 3. Heaven
  4. 4. Darkside
  5. 5. Blame It On My Youth
  6. 6. Generational Divide
  7. 7. Run Away
  8. 8. Black Rain
  9. 9. I Really Wish I hated you
  10. 10. Pin The Grenade
  11. 11. No Heart To Speak Of
  12. 12. Ransom
  13. 13. On Some Emo Shit
  14. 14. Hungover You
  15. 15. Remember To Forget Me

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Blink 182

Dass Punkrock made in USA Mitte der 1990er wieder hoch im Kurs steht, weiß man nicht zuletzt dank Acts wie Offspring und sonstigem Neo-Punk-Gedöns.

6 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    "Es wäre sehr zu wünschen, dass Matt Skiba zukünftig mehr Einfluss bekommt oder sich seine Mitstreiter ein Beispiel an dessen Pop-Punk-Klassikern wie "Mercy Me" nehmen."

    Genau das. Mit Skiba haben sie sich vor vier Jahren einen der besten Songwriter des Genres (Alkaline Trio sind wenn man so will die düsterere Schwester-Combo von Blink. Und vom Songwriting her meistens deutlich besser) ins Boot geholt, der dafür hätte Sorgne können, dass die Band an ihr nach wie vor großartiges selbstbetiteltes Album von 2003 anknüpft.
    Und stattdessen lassen sie sich von Feldmann und Konsorten Songs zusammenschustern, die weitestgehend nach schlechter Selbstkopie (California) oder wirklich räudiger Chartspop-Anbiederung (Nine. Und nein, das meine ich nicht mit der "Früher war mehr Punk"-Keule) klingen.
    Da helfen dann auch die 1 - 2 schnellen Nummern pro Album als Alibi der Marke "Aber wir haben doch auch was für die altne Fans drauf".

  • Vor 5 Jahren

    Als man U18 war konnte man sich die relativ schamlos geben, damals war ja auch der Arschficksong lustig oder später dann Mondfinsternis. Und dann ist es, frei nach Freud einfach so, dass einige pervers bleiben und die Mehrheit sich weiterentwickelt und andere Musik hört. Und für die pervers Gebliebenen ist dann wohl dieses Album gedacht.

  • Vor 5 Jahren

    Tja, wie soll man das beurteilen? Mehrheitlich ist es wohl so, dass die Erinnerungen, die mit Alben wie Dude Ranche und EOTS verknüpft sind, ausschlaggebend für den Wunsch nach einem Album sind, dass wie Dude Ranch klingt. Aber auch wenn Blink jetzt ein solches Album aufnehmen, was sie sicher könnten: Die unbeschwerten U20 Baggerseezeiten kommen nie zurück.

    2. fehlt, auch wenn er sicher kein total virtuoser Musiker ist, der kreative Einfluss von DeLonge. Die AVA Alben + Neighborhoods war alles besser, als California und Nine. Nine klingt zum Großteil einfach, als hätte Feldmann die B-Seiten des letzten Goldfinger Albums rübergereicht.

  • Vor 5 Jahren

    Hörst sich an, wie "Best-of-B-Sides". Vom Meilenstein etwas mehr entfernt wie vom absolutem Totalausfall: 2,5/5.
    "Darkside" und "Blame it on my youth" sind echt gut, "Happy Days" ist eher zum davon rennen.

    Ob auf- oder abgerundet werden muss, entscheidet bei mir daher diesmal die Münze.

  • Vor 5 Jahren

    Wenn der stärkste Track auf dem Album, nämlich Black rain, der einfach nur abgeht, nicht erwähnt wird, kann man die Rezi eigentlich nicht ernstnehmen.

    Finde das Album deutlich stärker als California. Lediglich der erste Track First Day fällt ab, den Rest kann man gut in einem Rutsch hören.

    Solide 3 von 5.

  • Vor 2 Jahren

    einzig gutes lied ist happy days, ob das die zwei sterne rechtfertigt, ich weiß ja nicht mein guter Herr Rezistend