laut.de-Kritik
Über Rap-Dunkeldeutschland geht die Sonne auf.
Review von Dani FrommMan bekommt fast den Eindruck, als gehe nach langer Polarnacht die Sonne auf, über Rap-Dunkeldeutschland, und das liegt nicht nur an dem freundlich koloriertem Cover, in das Blumio seinen wenig kryptisch "Yellow Album" betitelten Longplayer gewandet. Erst Kaas und sein regenbogenfarbener Ausbruch, jetzt das: Sing Hallelujah! Hip Hop darf offenbar endlich wieder Spaß machen.
Dabei steht nach dem Erfolg mit "Meine Lieblingsrapper" durchaus die Frage im Raum: Wer ist dieser Blumio überhaupt? Wofür steht das B des Burschen, der von A wie Azad über Curse, D-Flame, Eißfeldt und Eko bis hin zu X to the Z, Xzibit, das komplette MC-Alphabet durchimitiert hat? "Kann er denn mehr als nur andere Rapper nachmachen?"
Oho, er kann. Zwar klingt er hier und da eine Spur nach Sido, der vorherrschende Eindruck bleibt jedoch ein spezieller. "Mach mal den Massiv" ist nicht mehr - und auch nicht mehr nötig. Blumio hat ausreichend eigene Geschichten zu erzählen und mehr als genug Talent, die in seinem persönlichen Stil aufs Tapet zu bringen.
"Tu was du willst" wird als einzige Vorgabe anerkannt. Alister Crowley und Michael Ende dürften in seltener Eintracht beifällig die Köpfe wiegen. Bei Blumio klingt das zwar weniger dogmatisch, die Botschaft bleibt jedoch: "Wenn du Bock hast, über deine Hämorrhoiden zu rappen, solltest du das machen." Warum auch nicht?
So berichtet der Japse, dem seine Herkunft im Grunde scheißegal ist, von ersten Dates ("Ich Mag Dich Irgendwie"), nervigen Gesprächspartnern, anhänglich wie Kaugummi am Schuh ("Lass Mal Über Haie Reden"), oder seinen privat zelebrierten Tittenfetischismus ("Das Busenlied").
Besuche beim Seelenklempner führen Blumio zu Reisen in die Vergangenheit, wo er sich mit einer jüngeren, dümmeren Ausgabe seiner selbst konfrontiert sieht ("Vom Kind Zum Mann"), und einem versehentlichen Abstecher in eine Ropocop-dominierte, wenig erbauliche Folgezeit, die, in dieser Form durchaus denkbar ("Die Technik hat sich weiterentwickelt, aber die Menschen nicht"), allen Anlass für "Zukunftsangst!" liefert.
Schon hier blitzen unter den spaßigen, fantasievollen Gewändern ernsthafte Inhalte durch. Blumio ist sehr wohl in der Lage, sich mit seiner Situation auseinander zu setzen ("Es Gibt Kein Zurück") oder im Verbund mit Zemine und Sopranistin Yvonne Prentki einen "Rosenkrieg" auszufechten.
Mit "Udo Nirgens" hält Blumio einem nicht wirklich namentlich genannten Kollegen einen Spiegel vor. "Rap ist keine Musik", behauptete der einst. Stimmt, Rap ist noch viel mehr: "Rappen bedeutet: Bring deine Seele auf Papier".
Wer sich seiner Sache sicher ist, darf ruhig auch mal "Mr. Nazi" die Hand reichen, denn: "Jeder Mensch kann sich verändern, ich glaub', Nazis auch." Doch meistens regiert das schiere Vergnügen, wenn die Weltherrschaft mittels Flatulenzen angestrebt ("Ich Pups Dich An") oder das hinter allem steckende Konzept verraten wird ("Deutschland Duck Dich").
Don Tone packt Blumios gerappte, zuweilen gesungene Ergüsse in mindestens ebenso vielfältige Beats. Pumpt einen gleich das "Intro" ordentlich in das Album hinein, wechseln sich in der Folge Pacman-Sounds, spacige Effekte, hallende Drums und Geräuschcollagen mit psychedelischen Sitarklängen in Soul-geschwängertem Rahmen ("Das Busenlied") oder groovy Bass-Barpiano-Kombinationen ("Hey, Mr. Nazi") ab.
Quietscht in "Alles Ist Gelb" noch eine Hammond-Orgel, quakt durch "H.D.G.D.L." bereits wieder der Bass. "Tu was du willst" - auch in musikalischer Hinsicht weitgehend grandios und heiter umgesetzt. "Weg mit dem Totschläger, nimm' mal lieber 'n Blumenstrauß."
Jetzt motzen natürlich bereits wieder allerorten die Hater, denen die neu entdeckte Vergnüglichkeit gegen den Strich geht. Ich zitiere dazu, treffender könnte ich es nämlich auch nicht ausdrücken, einen Kommentar, so gefallen in einer gewissen Online-Community: "Besser einem neuen, vielleicht etwas grenzdebil grinsenden, aber immerhin gut gelaunten Trend folgen als dem alten, der stinkend und blutüberströmt in der Ecke liegt und sich sein Hinterteil reibt."
33 Kommentare
Dani, ich liebe Dich!
Werde das Album brav durchhören, sobald es den Weg zu mir findet.
Gute Review, hab grad richtig Lust auf das Album.
Falls es jemanden interessiert: Das Zitat am Ende ist von MIR!!! MIIIIIR!!!! JAAAAA GENAUUUUUU, VON MIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIR!!!!1111einseinself
das der "hier und da" nach sido klingt ist leicht untertrieben, allein von der stimme sido't der voll los. aber drauf gekackt, das album ist einfach herrlich. top sache.
auch wenn der "antigewaltsong"beat mal nur nach blumentopf-klau klingt.
Geniales Teil^^
Auch mal selten, dass nen Rapper nen einigermaßen anständogen Iro hat xD
Musses mir bald selbst mal zulegen... Jaja das liebe Geld^^...
die einseitigkeit, in der mit rassistischen klischees kokettiert wird gereicht mir mittlerweile zur langeweile. yellow-album - umwerfend komisch für alle verehrer gähnend offensichtlicher holzhammer-satire. aber er darf's ja.
ihm bleibt zwar durchaus anzurechnen, dass er das genre endlich wieder mit spaß verbindet, wo zwischenzeitlich deutschraps postpubertäre brutalphase alles an alternativem flow und inhalt vom parkett hinwegdominiert hatte.
nur die unverbesserlich altkluge art des jungen künstlers wirkt wie der verbissen-naive versuch eines zwölfjährigen, erwachsene menschen mit seiner (für ihn sicher) spannenden welterkundung zu verblüffen.
ich bin sicher nicht gegen "frieden", nur finde ich es fragwürdig, simplizistische peace-perspektive als offenbarung zu verkaufen, vielleicht genau so banal falsch wie die ewigen gewaltstilisierungen des straßenraps.
natürlich sind die an eine deutschrap-platte gestellten ansprüche im hinblick auf inhaltliche varianz, technik und künstlerischer integrität scheinbar erfüllt - jedoch ist die frage berechtigt, womit man das produkt vergleicht. die letzten jahre qualitätsflaute lassen halbverhungerte hirne und ohren glühen, sobald ein mittelprächtiges produkt erscheint.
ein wenig catchy, ein wenig funny, ein wenig neu. für mich bleibt unterm strich von allem nur ein wenig.
ich will hier niemand vor den kopf stoßen, nur kann ich blumio nicht als neuen horizont für das genre oder eine echte qualitätsoffensive begreifen. eher als ein marginal komisches randprodukt der endlosen persiflage-kreismeisterschaft auf videostream-portalen. nett, aber in sich unausgegoren.
aha, was ist das? ganz witzig! drei mal weitergeschickt, weggeklickt, so gut wie vergessen.
no hard feelings involved.
an dir ist ein guter kritiker verloren gegangen.
stimme dir übrigens zu.