laut.de-Kritik
Die Mutter Teresa des Rock wagt ein Comeback.
Review von Michael SchuhBob Geldof sagte vor vielen Jahren einmal sinngemäß: "Ich habe mich seit 1985 damit abgefunden, dass ich für die Öffentlichkeit der Typ von Live Aid bin und kein Musiker. Das ist irgendwo auch verständlich: Wer will schon Mutter Teresa auf der Bühne zujubeln?"
Bei aller Selbstironie, der Ire hielt Wort: Seine letzten Alben stammen aus den Jahren 2001 und 1992. Seit Live Aid führt er das Leben eines arrivierten Politaktivisten, dem sich sämtliche Türen öffnen, die er vorfindet, was sicher auch an seinem Partner, der Teilzeit-Mutter-Teresa Bono liegen mag.
Im direkten Gegensatz zum streitbaren U2-Frontmann wirkt es bei Geldof einfach nur sympathisch, dass sich da einer mit seinem Status arrangiert zu haben scheint. Große Erwartungen hatte im Vorfeld von "How To Compose Popular Songs That Will Sell" wohl nicht einmal Geldofs Label. Sein Name allein sollte als Promotion genügen.
Gleichwohl weiß sich Geldof mittlerweile selbst zu inszenieren. Der Albumtitel verweist einerseits unverhohlen auf das legendäre KLF-Handbuch "How To Have A Number One The Easy Way", und spielt zum anderen mit seinem Image als Großmaul.
Wahrscheinlich ist es dieser Hang zum Größenwahn, gepaart mit einer lässigen Herangehensweise an eigene Songwriting-Fähigkeiten, die "How To Compose Popular Songs That Will Sell" zu einer abwechslungsreichen, an keiner Stelle peinlichen Rock-Zitatesammlung verhelfen.
Der langsame Opener "How I Roll" führt sparsam eingesetzte Gitarren ein, deren Echoeffekte im Zusammenspiel mit dezenten Klaviertupfern eine düstere Spannung erzeugen, die wiederum Geldofs hoher Gesangsvortrag angenehm konterkariert. Einige Akkorde (und Textauszüge) fußen nicht ungelenk auf Lovin' Spoonfuls Klassiker "Summer In The City".
Das folgende "Blowfish" wirft sämtliche frisch sortierten Erwartungen über den Haufen: Eine Feedback- und Vocoder-Orgie, die weitgehend auf Songstrukturen verzichtet, lässt erahnen, wie Tom Waits klingen könnte, würde man seine Stimme um einige Tonstufen hochpitchen.
Danach legt das mit äußerstem Sanftmut vorgetragene "She's A Lover" sowie "Dazzled By You" (Geldofs "Van Diemen's Land") die Vermutung nahe, dass der Ire vielleicht doch häufiger das Aufnahmestudio besuchen, anstatt Diktatorenhände schütteln sollte.
Im weiteren Verlauf darf es mit Hilfe von Streichern auch mal arg kitschig ("To Live In Love"), ungeahnt poppig ("Silly Pretty Thing") und hymnisch choral à la Simon & Garfunkel ("Mary Says") werden: Geldof kennt auch musikalisch keinerlei Berührungsängste.
Als er das Album gerade fertig stellte, starb sein Vater Bob senior im Alter von 96 Jahren. Kurz zuvor spielte es ihm der Sohn noch vor und erhielt den väterlichen Segen: "Not bad." Ein Statement, das es in all seiner Kürze irgendwie auf den Punkt trifft.
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