laut.de-Kritik

Axtschwingender Alternative-Rock mit dem Post-Punk-Titan.

Review von

"Sunshine Rock"? Was ist los mit Old Bob? Bei diesem Titel ploppen die 70er Jahre vor dem inneren Auge auf, California, endlose Sommer, aber auch Truckfahrer, Eagles und Fleetwood Mac. Hilfe, Yacht-Rock.

Doch ruhig Blut: Bob Mould macht auch auf Soloalbum Nummer 13 völlig unangestrengt das, was er am besten kann, nur noch einen kleinen Tick besser als sonst - und: Er lässt die Sonne rein in seinen Kosmos. Ganze 27 Mal taucht das Wort in den ingesamt 37 Minuten Spielzeit auf. Damit ist er der uneingeschränkte "Sun King", wie es bei John Lennon 1969 schon hieß.

Auf dieses Jahrzehnt rekurriert auch das Cover-Artwork. Im Interview erzählte mir Mould, dass der rot-gelbe Wirbel dem legendären, orange-gelben Capitol-Records-Design der 7"-Labels nachempfunden ist, wie man sie seinerzeit bei den Beatles oder auch den Beach Boys vorfand.

Seit über zwei Jahren lebt Mould nun schon in Berlin. Das passt nicht ganz so gut zu seinem Sonnenthema, weswegen er sicherheitshalber für die Aufnahmen mit Drummer Jon Wurster und Bassist Jason Narducy ins kalifornische Oakland reiste. Der Opener "Sunshine Rock" rattert los und man ist sofort drin.

Man kennt diese altbekannte Songstruktur, und wer mit Moulds Musik vertraut ist, weiß zudem schon in den Strophen, dass gleich einer seiner furiosen Chor-Refrains folgen wird ... und da ist er auch schon. Die Streicher sind dann das Sahnehäubchen, omnipräsent wie kaum je zuvor.

Es ist wahr: Der Post-Punk-Titan klingt optimistischer denn je. Dies liegt auch darin begründet, dass Mould keine Lust mehr verspürte, wie zuletzt den Tod seiner Eltern zu thematisieren und schon gar nicht, auf die politische Situation in seiner Heimat Amerika Bezug zu nehmen. Nach vorne schauen war angesagt, die Wut im Bauch entsprechend kanalisieren, und Adrenalin ist da bekanntlich nicht der schlechteste Ratgeber.

Axtschwingendes Hüsker-Dü-Abgeh-Material finden Fans jedenfalls in "What Do You Want Me To Do" und in der Oldschool-Keule "Thirty Dozen Roses", bei der sich niemand mehr fragen muss, warum Dave Grohl diesen Mann vergöttert, sondern eher, warum dessen Foo Fighters so einen Song nicht mehr zustande bekommen.

Die besten Momente sind jedoch nicht die lautesten: "The Final Years" kommt doch noch einmal zum Thema Ende des Lebens zurück und integriert eine melancholische Keyboardmelodie zu wehmütigen Streichern. Das akustische "Camp Sunshine" dagegen feiert den Augenblick, und Mould empfiehlt, was jeder von uns im hektischen Alltag oft übersieht: "Just enjoy the moments we have".

Seine Stimme wirkt präsenter und dringlicher als zuletzt, was Emo-Brechern wie "Irrational Poison" und allen voran "Lost Faith" zugute kommt, seinem vielleicht besten Song der letzten Jahre. Formidable Power-Knüppler wie "I Fought" gehen angesichts des wieder entdeckten Melodien-Overkills in Bombast-Hymnen wie "Sin King" schon beinahe unter.

Mit der First-Take-Aufnahme des Shocking Blue-Covers "Send Me A Postcard" wirft Mould gegen Ende dann noch jegliche Eitelkeit über Bord und rockt einfach los wie damals mit 22. Wenn der Track nur halb so berühmt wird wie die Shocking Blue-Coverversionen von Nirvana ("Love Buzz") oder Bananarama ("Venus"), ist diese Welt eine gerechte. Der Song ist seit Jahren Bestandteil der Playlist vor Mould-Konzerten.

Fazit: "Sunshine Rock" sollte man als Alternative-Rock-Fan auf alle Fälle gehört haben, auch jene, die Moulds Sugar-Album "Copper Blue" von 1992 für unübertrefflich halten. "Ich habe mindestens schon fünf Mal gehört, dass Gitarrenmusik tot sei, aber sie scheint dann doch immer wieder zurück zu kommen", sinnierte der 58-Jährige kürzlich. Warum das so ist, belegt er selbst mit allerbesten Argumenten.

Trackliste

  1. 1. Sunshine Rock
  2. 2. What Do You Want Me To Do
  3. 3. Sunny Love Song
  4. 4. Thirty Dozen Roses
  5. 5. The Final Years
  6. 6. Irrational Poison
  7. 7. I Fought
  8. 8. Sin King
  9. 9. Lost Faith
  10. 10. Camp Sunshine
  11. 11. Send Me A Postcard
  12. 12. Western Sunset

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2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Klanglich leider ein einziger Sumpf.

    • Vor 5 Jahren

      Soweit ich das einschätzen kann, ist dieser "sumpfige Sound" sowas wie ein trademark von ihm, zumindest klingen alle seine Alben und auch die husker du-sachen so. Ich find's auf Dauer bissi anstrengen.

    • Vor 5 Jahren

      Naja, Workbook war eine gute und anständig produzierte Platte, OK die Hüsker Sachen waren der zeit entsprechend produziert. Independent hieß damals ja auch schmales Budget, aber heute ist guter Sound in jeder Preislage möglich. Insofern gehe ich von Absicht aus- das Zeug kann er selbst hören. Ich tue mir das nicht an.

  • Vor 5 Jahren

    Finde gar nicht, dass die Aufnahme sumpfig klingt. Ich beurteile Musik danach, ob mich die Musik berührt oder halt nicht. Bob Mould schafft es immer wieder Songs zu schreiben, die nach jedem Hören noch wachsen. Wenn man heute Hüsker Dü Alben hört, denkt man doch nicht "ach wie toll könnten die Songs in einer modernen Aufnahmequalität klingen", sondern erfreut sich an den schönen Songs und den einzigartigen Harmonien.
    Das ist natürlich wie immer reine Geschmacksache, aber ein Album nur aufgrund der Aufnahme zu beurteilen macht für mich keinen Sinn.
    Mich lassen auch perfekt aufgenommene Alben wie die neue Behemoth oder ähnliches völlig kalt, während ich bei unterirdischen Aufnahmen wie A Blaze In The Northern Sky völlig abgehe.
    Andererseits kann ich mich auch für Porcupine Tree begeistern. Ich hoffe, ich bin da nicht allein, sonst kann ich mir schon denken, wie Musik zukünftig klingt.