laut.de-Kritik
Der faule Zahn ist Gonzos Leadgitarre.
Review von Manuel Berger"Wir leben, wir leben / Nicht nur in Träumen und Ideen / Für immer Onkelz, Gott hat ein Problem." Der Refrain des Openers fasst es eigentlich ganz gut zusammen: Die Onkelz sind noch da, sind musikalisch genauso (ir-)relevant wie vor zehn Jahren, haben nach wie vor kein Bescheidenheitsproblem und behalten das bekannte Grundrezept bei.
Neben der Wir-sind-wieder-da-Eröffnung ("Gott Hat Ein Problem") präsentiert "Memento" natürlich auch die restliche Palette obligatorischer Themen. Da wäre das Sozialdrama, im Schulterschluss mit ein wenig Religionskritik ("Der Junge Mit Dem Schwefelholz"), der Mediendiss ("Jeder Kriegt Was Er Verdient"), ein bisschen Staat und Wirtschaft ("Markt & Moral"), die Aufbereitung eigener Fehler und Abgründe ("Nach Allen Regeln Der Sucht") und sowieso: Freundschaft, Gibnichtauf, Silvesterfete ("Auf Die Freundschaft", "52 Wochen").
Die Onkelz machen, wofür sie bekannt sind, und das, was ihre Fans hören wollen. Zwölf neue Songs, die sich beinahe nahtlos ins bisherige Werk einordnen. "Wir sind der faule Zahn in deinem weißen Lächeln" – fast so als wären sie nie weg gewesen. Obwohl: ein bisschen Veränderung dringt selbst in den sturen Deutschrock-Kosmos ein. Da fällt zuallererst Sänger Kevin Russell auf, dessen Heiserkeit nicht mehr ausgezehrt klingt wie auf "Adios", sondern erstaunlich kraftvoll.
Zweite Auffälligkeit: In den lauten Stellen geht es häufig noch eine Schippe metallischer zu als gewohnt, die ruhigen wagen bisweilen etwas mehr als Akkordstrumming. Dabei sei vor allem "Der Junge Mit Dem Schwefelholz genannt". Die düstere Halbballade erstreckt sich über knapp acht Minuten, und die nutzt die Band auch gekonnt aus. Gitarre und Bass beginnen mit bluesigem, schön ergänzendem Zusammenspiel, Pe erzeugt an den Drums durch Betonungsverschiebungen Spannung, während Kevin über einen Kirchenbrandstiftertext nachgrübelt, der sich mit etwas Feinjustierung auch wunderbar bei Rammstein machen würde. Der Refrain dürfte live gen Lautstärkerekord schielen – und das, ohne zu simpel oder abgedroschen anzuwalzen.
Leider halten sich daran bei weitem nicht alle Tracks. Denn obwohl die Onkelz zwar das liefern, was die Fans hören wollen, so liefern sie zur Genüge auch das, wofür sie ihre Gegner müde belächeln – und zwar vollkommen zurecht. Lyrische Gourmethappen à la "Du neidisches Arschloch, geh' und fick dich selbst" ("Jeder Kriegt Was Er Verdient") kommen selten allein. Die Onkelz bemühen sich nach Kräften, Rap-Battle-Tugend mehr schlecht als recht in Deutschrock zu übersetzen.
"Wo wäre Jesus ohne die Evangelien? Wo wären die Onkelz ohne das Seemannsgarn der Medien?" ... "Wegen uns heult deine Mutter." ... "Bevor wir eure Füße küssen, werden wir sie dir brechen." Hach ja ... "Ich will keinen Ponyhof / Ich hasse Pferde". Hach... du Scheibenkleister. Der einzige, der letztere Zeile halbwegs rechtfertigen könnte, wäre Moneyboy.
Nein, Herr Weidner, das können Sie wirklich besser. Von "Kafkas Träume" ist auf "Memento" kaum etwas übrig. Nicht einmal davor, die Grauzone zu bedienen, schreckt Weidner als Onkel zurück: "Wir haben den Teufel reingelassen, nun sollen wir lieben was wir hassen" – so manch ein bei Jennifer Rostock in Ungnade gefallener besorgter Bürger steht sicher schon Schlange, das falsch zu verstehen. Dann doch lieber eine solide, rundgeeckte Feelgood-Hymne wie "Auf Die Freundschaft".
Denn rein songschreiberisch kann man den Böhsen Onkelz im Genrekontext kaum Vorwürfe machen. "Memento" kommt sicherlich keiner Revolution gleich, macht aber, was es soll, ist in sich stimmig und tönt meist auch eher frisch als altbacken. Dank sei hier auch der Produktion, die schon mit der ersten Fäustewand in "Gott Hat Ein Problem" klar macht, dass hier nichts Halbgares im Kochtopf schmort.
Nur Gonzo hat das Knöpfchendrehen offenbar nicht so raus. Denn der faule Zahn im weißen Lächeln des Sounds ist öfter mal seine Leadgitarre. So ein Wah-Pedal zum Beispiel ist etwas schönes, aber durchgedrückt kann es ziemlich scheiße klingen ("Gott Hat Ein Problem"). Auch, was das Gespielte angeht, greift der Mann, der einst "Wieder Mal Nen Tag Verschenkt" mit seinem Bottleneck veredelte, öfter mal daneben. Mal scheint er sich betont zurückhalten zu wollen und agiert zu spartanisch. Im zweiten Teil des Soloausflugs fällt ihm dann plötzlich ein, dass er das eigentlich doch lieber anders gemacht hätte, möchte es wieder wettmachen und verliert sich in Gefrickel. Die goldene Mitte trifft er selten.
Wo wir gerade bei "Wieder Mal Nen Tag Verschenkt" waren: wie sieht es mit Feuerzeugmaterial aus? Der offensichtlichste Versuch "Wo Auch Immer Wir Stehen" macht seine Sache zumindest in der Strophe ziemlich gut. Kackt dafür im Refrain ziemlich ab. Selbst die Band selbst scheint von ihrem Zeitlupentempo gelangweilt, wie die Vocalperformance nahelegt. Notfalls lässt es sich zum Glück auch zu "Nach Allen Regeln Der Sucht" zu schwenken. Hier nämlich gelingt der Versuch. Kein platter Text, keine Langeweile, dafür spannendes Songwriting, das erneut vor allem vom Zusammenspiel zwischen Gitarre und Bass lebt, was ja bereits bei "Der Junge Mit Dem Schwefelholz" wunderbar funktionierte.
Das ist es also, was die Böhsen Onkelz 2016 unternehmen, um zwölf Jahre bloße Heckscheibenexistenz vergessen zu machen. Keine Sorge: Die deutsche Autobahnlandschaft wird sich auch nach "Memento" nicht großartig wandeln. Neben "Heilige Lieder" dudelt jetzt eben "Gott Hat Ein Problem", "Auf Gute Freunde" wechselt sich in der Playlist künftig mit "Auf Die Freundschaft" ab und "Der Junge Mit Dem Schwefelholz" und "Nach Allen Regeln Der Sucht" reihen sich neben "Nichts Ist Für Die Ewigkeit" oder "Regen" in die Spalte ein, die man nutzt, wenns mal etwas anspruchsvoller oder episch werden soll.
Im Grunde schenkt "Memento" uns also genau das, was wir hören bzw. nicht hören wollen. Die Neffen brauchen ihre Aufkleber nicht abzuziehen und sie freuts, dass "ihre" Band sich selbst treu bleibt und allen, die gegen sie wettern, das breite Gesäß hinhält. Diese wiederum können sich bestätigt fühlen und ihrerseits die Kehrseite zum Vorbeigehen bereithalten. Je nachdem also: (k)ein Grund zur Freude, die Onkelz sind zurück.
58 Kommentare mit 258 Antworten
tja....schon zum kotzen das man die Onkelz einfach nicht tot kriegt, nicht wahr?
Denn Helden leben ewig, doch Legenden sterben nie!
Deutschland kotzt und uns gefällts
hat lange gedauert, laut.de. ich erwarte groSSes! Skywise, du wirst gebraucht werden!
"Wo wären die Onkelz ohne das Seemannsgarn der Medien?"
Ich hasse die Onkelz abgrundtief wegen ihrer dümmlichen Opfer-der-Medien-Masche. Schon seit dieser Amnestie-MTV-Kacke springt jedem denkenden Menschen doch ins Gesicht, dass dieses angebliche Ignorieren der Medien den Onkelz doch mehr als sonst alles geholfen hat. Auch die ganze Nazi-Diskussion hat ihnen doch unendlich viel geholfen. Aber nein, sie betonen ja immer wieder, wie sie sich hochgekämpft gegen alle Widerstände, obwohl genau diese Widerstände ihnen doch erst ihre Underdog-Position verschafft. Ich weiß, dass diese Beobachtung konsens ist, aber jedes Mal reg ich mich darüber auf. Unglaublich anstrengend.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Aha... Also reicht es wohl einfach die Medien zu ignorieren und... Zack!... Erfolg? Oder sollte man net wenigstens ein bißchen was drauf haben?
Und wenn ich etwas kommentiere sollte ich dann nicht ein kleines bißchen davon Ahnung haben?
Handwerklich einfach ganz gross da gibt's hierzulande nichts aber auch gar nichts das da mithalten kann. Nicht ohne Grund das die Onkelz mittlerweile so unverschämt erfolgreich sind. Und solange immer noch von der "umstrittenen Band" die Rede ist darf man auch noch ein bißchen auf die Presse schiessen. Macht halt spass. Man kann auf diese Band gar nix kommen lassen sind seit 89' einfach eine Bereicherung. Wohl aber auf die Fans. Von ca. einer Millionen (nein das ist nicht übertrieben) sind leider die Hälfte absolute Pappnasen. Dafür aber ist die andere Hälfte umso geiler! Freu mich aufs Konzert! Onkelz.... Alles richtig gemacht!
Weißt Du denn um was es bei der MTV Sache geht? Kannst Du erklären wie das Lied zustande kam?
mir fallen spontan sehr sehr viele dOItschrock bands ein, die besser sind als die Onkelz und nun?
Landser?
Und nun?... Muss ich halt grinsen
Hey Sancho. Wie geht#s?
Olivander, bin ganz bei Dir. Nicht nur wegen der Scheinheiligen "dümmlichen Opfer-der-Medien-Masche" sondern auch den erbärmlichen Karakters Ihres Frontmannes. Da brauch ich überhaupt nicht die Nazi-Karte zücken um diese mittelmäßige Band zu ingnorieren.
solange die Musik gut ist(was Geschmackssache ist weshalb ich mich hier auf keine Diskussion einlassen werde)können die doch erzählen was sie wollen! Die machen sich doch seit Jahren einen Spaß daraus sich als die Underdogs darzustellen. Wenn die Medien nicht genug Weitblick besitzen um zu erkennen das sie den Onkelz sogar helfen dann ist das nun wirklich nicht das Problem der Onkelz
@Nebel stimme dir voll und ganz zu. Egal wie man auch zu den Onkelz steht eines muss man ihnen lassen: sie sind clevere Geschäftsleute
Kevin, wie geht es eigentlich den beiden jungen Burschen die du im Drogenrausch fast tot gefahren hast??? Nun stehst du wieder auf der Bühne und singst "lieber stehend sterben als kniend leben". Onkelz,- Lügen, Heuchelei und Abzocke!! Ich kotz im Quadrat! Weidner: laß dir mal was anderes einfallen,deine Texte sind nur noch lächerlich!! Sitzt irgendwo in Mexiko vor deinem TV und schaust deutsche Talkshows. Ihr seid echt das Letzte!!! Gruß aus Wien.
100% ack !
Ich stimme dir voll und ganz zu. Scheiß auf die Onkelz! Schade um die schönen Jahre!
schon interessant das man sich trotz der Ansicht das eine Band das letzte ist so intensiv mit deren Mitgliedern und Texten beschäftigt muss ich sagen .
Das beweist mir wieder einmal das sie das was sie von Anfang an wollten nach wie vor erreichen: Man kann sie lieben, man kann sie hassen aber man kann sie nicht ignorieren!
und noch was:
Die Onkelz können höchstens das Vorletzte sein. Ich glaube wen ich als das Letzte Betrachte erschließt sich logisch
"Ich glaube wen ich als das Letzte Betrachte erschließt sich logisch "
deine Schwäche in Rechtschreibung und Zeichensetzung?
Liest sich für mich wie das neue Modell von molti... Kneibenrebell 2.0 oder so.
Jo, ein typischer molti...
es tut mir ja leid das ich anhand des generell sehr bedenklichen Niveaus dieser Diskussion davon ausgegangen bin das Rechtschreibung und Zeichensetzung irrelevant sind da sie hier eh keiner beherrscht .....es wäre aber sinnvoller wir würden über Inhalte sprechen zumal ich generell kein Freund der im deutschen vorherrschenden, unnötigen, Verkomplizierung bin. Ob ich jetzt an der richtigen Stelle einen Punkt oder Beistrich setze ist beim Diktat in der dafür vorgesehenen erzieherischen Einrichtung relevant aber für das Textverständnis hier eben nicht
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Zudem ist ein Satz der sich Aufgrund seiner stilistisch dem Proletariat überlegenen Formulierung für diejenigen die ihm zugehörig sind als semantisch nicht korrekt erfassbar offenbart deswegen nicht inkorrekt
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Diesen Rat werde ich gerne befolgen. Die Diskussion hier nimmt nämlich mehr und mehr ein Niveau an auf das ich mich weder begeben kann noch will. Ich wünsche weiterhin viel Spaß auf dem Baum und hoffe das es dir die Evolution bald ermöglichen wird denselben zu verlassen
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Oh man.. wieder einmal ergeht Ihr Euch in Akzeptanzallüren. Wenn Ihr die Onkelz nicht mögt...bitte. Ich finde es nur traurig, die Einmaligkeit in Frage zu stellen. Und so traurig dieses für Euch sein mag - es hat nun mal seinen Grund. Tja ... Schade
Ich hätte nicht gedacht, dass die Onkelz immernoch soooo relevant sind. Der Stachel müsste doch echt mal langsam draußen sein. Aber ne, alle haun im absoluten Dummbrot-Stil (Zitat: "Fans = Untermenschen") drauf wie vor >20 Jahren und machen genau das, was den Mythos Onkelz erst erschaffen hat. Weiter so! Ich höre sie schon lange nicht mehr, ich krame sie vllt. einmal alle 2-3 Jahre raus, gönne ihnen aber jeden (kommerziellen) Erfolg. Das neue Album werd ich mal probehören...