laut.de-Kritik
Der Retro-Dancepop funktioniert auch ohne WhoMadeWho.
Review von Anne NußbaumKinder, was sind das für Zeiten! Vorzeigemormone Brandon Flowers löst sich von seiner Haus- und Hofcombo, um den gleichen pathostriefenden Stadionrock aus dem Ärmel zu schütteln wie auf der letzten Killers-Platte. Der verehrte Paul Smith liefert ohne seine Bandbuddys gerade mal Maximo-Park-B-Seiten ab. Und Tomas Hoffding aka Bon Homme wagt außerhalb von WhoMadeWho nun auch den Alleingang.
Da drängt sich die Frage geradezu auf: Welche Daseinsberechtigung haben Musiker auf Solopfaden, die ohne ihre Band sowieso nur dieselben Soundmuster stricken wie in der Gemeinschaft ihrer Erstprojekte? Sobald "Ray Ban" angespielt ist, sobald der träge Beat ankurbelt, die Boxen böse wummern und lethargische Pianoakkorde die Stimmung vorgeben, wird klar: Der Opener sowie die Gesamtheit seiner ersten Soloscheibe entfernt sich weit genug von Hoffdings Heimatband, um die Existenz seines Debüts zu rechtfertigen, und bleibt seinen musikalischen Wurzeln dabei trotzdem treu genug, um Fans nicht zu verschrecken.
Dem analogen Discosound, dem der Däne sonst mit seinen beiden Kollegen frönt, schwört er nicht ab, im Gegenteil: Funkelnde Retro-Synthies finden sich auch auf "Bon Homme" zuhauf. Doch der Sänger und Bassist nimmt Computer und Theremin hinzu und frickelt Gitarrenmelodien dazwischen, bis sich trockener Techno mit poppigen Loops zusammenfügt und schleppende Rhythmisierung in fluffige Melodien verschmilzt.
Groovige Hooklines mit Krautrock-Allüren, Ausflüge ins Soulfach, psychedelische Anwandlungen und House-Momente - all das hat der Elektro-Connaisseur im Repertoire. Was aufs erste Anhören meist nur stockend seinen Reiz entfaltet, entwickelt schrittweise eine hypnotische Dynamik. Textliche wie melodische Repetitionen gleichen oft Mantras, die Bon Homme uns nach und nach in die Gehörgänge einpflanzt.
"Mother" zum Beispiel: Erstaunlich, mit welch schlichten Mitteln die erste Singleauskopplung den ganzen Abend über im Gedächtnis hängen bleibt. Wummernde Technobeats, ein bisschen Discokugelglitzer, die sonnige Gitarre als Gegenpart zur Elektronik, dazu Hoffdings helle Stimme. "It all comes down to my mother": Da würde ihm Freud sicherlich uneingeschränkt zustimmen.
Erst Sounds wie aus alten Atari-Spielen, akustisches Geplänkel und augenzwinkernde Monumentalität inklusive "Kelly Watch The Stars"-Vocoder ("Surround Surrender"), dann leuchtende Synthie-Arpeggios, weiche Akzente und ein Gesang, fast so sehnsuchtsvoll und am Rande der verschmalzten Sentimentalität wie der eines Bryan Ferry ("Heaviest Flower Of Europe") - Bon Homme ist Grenzgänger zwischen Analog und Digital, zwischen Ernsthaftigkeit und Persiflage, zwischen Organischem und Technologisiertem.
"The Battery Inside Your Arm" versinnbildlicht diese Synthese textlich wie musikalisch: fiepsende Elektronik, ein schwerfälliger Synthesizer, der schief ins Bild rückende Akkordreihenfolgen wiedergibt, eine monotone Drum Machine und der eigenwillige Sprechgesang: "There's a battery in your arm / And it's set like an alarm / To wake me up when I least expect it".
Den Texten, die Hoffding nicht selbst verfasst hat, sondern die weitgehend aus der Feder von Freunden stammen, wohnt eine lyrische Suggestivkraft inne. Sein Alter Ego, per definitionem Gutmensch, lässt dabei das Ironisieren nicht: Frech-dreiste Zeilen kann man dem smarten Melonenträger nicht übel nehmen, da er stets mit verschmitztem Lächeln auf sich selbst schielt.
"You travel the world with your music / You rich motherfuckers", heißt es verschwörerisch auf "Ray Ban", mit dem er dem globalen Markenphänomen der Indiekids, die mit dem Statussymbol auf der Nase ihrem Bedürfnis nach distinguierter Abgrenzung nachkommen möchten und sich dabei perfekt in die Hipstermasse der Kinder reicher Eltern einfügen, ein parodistisches Denkmal setzt. Applaus für das Debüt: Ausdrucksvoller Dancepop zwischen Tanzfläche und Ohrensessel. Scheinbar doch ganz gute Zeiten.
2 Kommentare
"Ray Ban" killt alles. Mördertrack.
"Mother" gewinnt durch seine geniale Mischung aus Retrofunk und Housebeats, dem Rest kann ich nix abgewinnen.