laut.de-Kritik

Für 68 Minuten und zwölf Sekunden geht die Sonne auf.

Review von

Über mangelnde akustische Grundversorgung können sich die Anhänger Will Oldhams nicht beschweren. Eher schon über die recht dünn gesäten Möglichkeiten, einmal einem Konzert ihres Alternative Country-Helden im näheren Umkreis beiwohnen zu können.

Als Trostpflaster hält der Anti-Folk-Meister nach "Summer In The Southeast" (2005) und "Wilding the West" (2008) nun das dritte Livealbum bereit. Auf "Is It The Sea?" wurden einige Songs im Rahmen der Schottland- und Irland-Tour im Frühjahr 2006 in erstaunlicher Tonqualität von der BBC konserviert.

Dabei ist es zu einem nicht unerheblichen Teil der schottischen Begleitband von Bonnie 'Prince' Billy - der traditionellen Folkformation Harem Scarem aus Edinburgh sowie dem Glasgower Drummer Alex Neilson - zu verdanken, dass sich die Liveversionen bekannter Songperlen wie "Minor Place", "Arise Therfore", "Wolf Among Wolves" oder "Master And Everyone" in punkto Betonung, Arrangement und Tiefe teilweise stark von den Studiotakes unterscheiden.

Und der Reiz des Livedokuments besteht gerade darin, diese Nuancen nach und nach zu entdecken – vom phasenweise ungewohnt beherzten Drumming über die breite Palette an akustischen Farbtupfern von Banjo, Flöten, Geigen und Melodica bis hin zu Oldhams beeindruckender stimmlicher Performance. Vor allem das Gesangsspektrum, das Bonnie Billy auf "Is It The Sea?" mit vielstimmiger weiblicher Unterstützung darbietet, weist allerfeinste Couleur auf.

"Lehn dich zurück und stell dir vor, du bist da – deine Welt wird ein besserer Ort sein", so die vollmundige Versprechung von Oldhams Label Domino Records. Angesichts der Spielfreude, Emotionalität und Intensität, die den Hörer unmittelbar überwältigt, entpuppt sich diese Ankündigung dankenswerter Weise nicht bloß als leere Worthülse.

Für 68 Minuten und zwölf Sekunden geht hier trotz melancholischer Grundstimmung die sprichwörtliche Sonne auf. Bleibt nur zu hoffen, dass Bonnie 'Prince' Billy baldigst auf europäische Konzertbühnen zurückkehrt.

Trackliste

  1. 1. Minor Place
  2. 2. Love Comes To Me
  3. 3. Bed Is For Sleeping
  4. 4. Arise Therefore
  5. 5. Wolf Among Wolves
  6. 6. Aint You Wealthy? Ain't You Wise?
  7. 7. Cursed Sleep
  8. 8. Molly Bawn
  9. 9. Birch Ballad
  10. 10. New Partner
  11. 11. Is It The Sea?
  12. 12. My Home Is The Sea
  13. 13. Master and Everyone

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4 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    habe bis heute noch nie von dem typen gehört, aber als ich beim lesen der review über den begriff 'alternative country' stolperte, wurde ich sofort hellhörig. immerhin ist ryan adams seit vielen jahren mein großer held und oft schon sehnte ich mich nach ähnlicher musik. jedenfalls hab ich mir dieses album direkt mal besorgt und schon nach dem ersten hören bin ich sehr, sehr begeistert. gerade das live-feeling kommt toll rüber und sowohl gesang als auch musikalische untermalung sind einfach wunderbar!
    würde mich jetzt gerne mehr in die materie einarbeiten und mir da was kaufen, aber womit soll ich anfangen? will oldham scheint ja einen ähnlich hohen musikalischen output wie ryan zu haben.
    irgendwelche vorschläge? :)

  • Vor 16 Jahren

    Bonnie 'Prince' Billy - I see a darkness (http://de.youtube.com/watch?v=bYBVAfvRpps&…)

    Das ist eine Platte, da wird dir das Herz aufgehen.

    Als Anfang auf jeden Fall empfehlenswert.
    Und ganz große Kunst!

  • Vor 16 Jahren

    @Liam Lennon (« habe bis heute noch nie von dem typen gehört, aber als ich beim lesen der review über den begriff 'alternative country' stolperte, wurde ich sofort hellhörig. immerhin ist ryan adams seit vielen jahren mein großer held und oft schon sehnte ich mich nach ähnlicher musik. jedenfalls hab ich mir dieses album direkt mal besorgt und schon nach dem ersten hören bin ich sehr, sehr begeistert. gerade das live-feeling kommt toll rüber und sowohl gesang als auch musikalische untermalung sind einfach wunderbar!
    würde mich jetzt gerne mehr in die materie einarbeiten und mir da was kaufen, aber womit soll ich anfangen? will oldham scheint ja einen ähnlich hohen musikalischen output wie ryan zu haben.
    irgendwelche vorschläge? :) »):

    na dann viel Spass beim Einarbeiten :-)
    Meine absoluten Lieblingsplatten:
    1. Ease down the road
    2. I see a darkness
    3. Greatest palace music
    4. The letting go
    5. Joya (Will Oldham)

    sind alle recht eingängig und daher zum Einstieg zu empfehlen.

  • Vor 16 Jahren

    Ich habe alle CDs von ihm und würde Superwolf empfehlen. Es ist für mich das stärkste Album, auch wenn "I see a darkness" bestimmt das bekannteste ist.
    Die anderen CDs sind auch sehr gut, allerdings missfällt mir die Frauenstimme. Besonders wenn der zweistimmige Gesang anfängt zerstört das für mich die atmosphäre des Liedes und lässt es in eine für mich als sehr "kitschig" empfundene Stimmung abgleiten, so das ich die CD schnell abschalte.
    Die Stimme von Will Oldham ist für mich das herausragende an der Musik und da macht eine weiter Stimmung mehr kaputt, als dass sie etwas zur Musik beiträgt.
    Ich hatte das Glück ihn einmal live nur mit der Akkustikgitarre zu sehen und er hat komplette 1 1/2 Stunden alleine mit der Akkustikgitarre gespielt und konnte wirklich überzeugen! Das für mich stärkste Lied(Auch von superwolf) ist:
    http://www.youtube.com/watch?v=fASJuCtBgrw

    Und jetzt sagt nicht, dass ihr lieber eine Frauenstimme zusätzlich bei dem Lied hättet ;-)