laut.de-Kritik
Über Blut, Waffen und jede Menge Herzschmerz.
Review von Julia DörflerEnergiegeladen startet "Magic" mit "Radio Nowhere". In alter Springsteen-Manier mit viel Gitarre und rauer Stimme gestattet der Rocker aus New Jersey einen angenehmen Start in eine noch angenehmere Scheibe. Zwar langsamer, dennoch simpel, eingängig und mit Ohrwurmqualitäten: Track zwei, "You'll Be Comin' Down".
Ganze fünf Jahre hat es gedauert, bis Bruce Springsteen wieder mit seiner E Street Band eine Studioplatte auf den Markt brachte. Das Warten hat sich gelohnt. Fünfzig Minuten leicht verdaulicher Ohrenschmaus. Doch wer hätte schon etwas anderes erwartet, aus dem Hause Springsteen? Eine Platte über Blut, Waffen und jede Menge Herzschmerz.
Mit "Livin' In The Future" demonstriert Springsteens E Street Band einen voluminösen Sound, und es entstand ein fröhlich tanzbarer Song. Nicht nur klanglich strotzt diese Nummer vor Selbstbewusstsein. "Your Own Worst Enemy" ist hingegen ist sehr melancholisch geraten. Dazu bedient sich der Boss am Glockenspiel, vermehrten Streicherarrangements und sanften Backingvocals. Die daraus resultierende Stimmung entspricht genau der erzählten Geschichte, nämlich der eines gebrochenen Herzens.
"Gypsy Biker" lebt nach dem klassischen Mundharmonika-Intro nur so von den protzenden Gitarren. Die Stimme hingegen ist eher unauffällig und ruhig und erzählt leidenschaftlich vom Bikerdasein als einzig wahrer Lebensmentalität. "Girls In Their Summer Clothes" regt zum Nachdenken an. Mit seinen 58 Jahren scheint Springsteen für die jungen Mädchen nicht mehr sonderlich interessant zu sein. Vielleicht der Grund für den besinnlichen Gesang.
Jegliche Selbstzweifel sind aber schnell wieder vergessen. Unbeschwert erklärt Springsteen "I'll Work For Your Love". Eine rohe Stimme und dezente instrumentale Begleitung zeichnen die titelgebende Ballade "Magic" aus. Mit Orgel und Mandolinen unterlegt, wirkt es verspielt und eben magisch.
Der Workingclass Hero, der schon unter dem Banner "Vote for Change" durch Amerika tourte, bezieht sich bei "Last To Die" kritisch auf den Irakkrieg. Diesen bezeichnet er im Refrain immer wieder als "Mistake" und kritisiert, dass für diesen Fehler leider die falschen sterben. Wen er selbst als dafür Richtigen bezeichnen würde? "The wise men were all fools" ist da doch ein schlagkräftiges Statement.
Der Glaube daran, dass es so etwas wie Veränderung und Neubeginn gibt, macht den Inhalt von "Long Walk Home" aus. Die gedoppelte Stimme macht ordentlichen Druck auf die Ohren, der lange Weg klingt nach gutem, alten Bluesrock. Ein Titel mit echten Qualitäten als Rockhymne.
"Devils Arcade" ist wieder eine durchweg schön komponierte und arrangierte Ballade. Streicher und die typische, rohe und warme Stimme verleihen dem Song etwas Einfühlsames. Thematisch greift "Devils Arcade" noch einmal die Problematik der Soldaten im Irak auf und beschreibt die Sehnsucht nach der Heimat. Kräftige instrumentale Phasen nehmen dabei jegliche Monotonie, und dies wäre ein gelungener Abschluss für eine gelungene Platte, hinge da nicht dieser Hidden Track am Ende.
"Broke the Mold" ist nicht nur eine schöne Ballade sondern vielmehr einer der Titel von "Magic", der wirklich im Ohr bleibt. Eine Widmung an Springsteens sehr geschätzten, langjährigen Arbeitskollegen und Freund Terry Magovern, der kürzlich verstarb. Reduziert auf das Nötigste gibt Bruce seinem Freund eine letzte Referenz.
"Magic" ist die mittlerweile die dritte Zusammenarbeit mit Produzent Brendan O'Brien und stellt ohne Zweifel deren Höhepunkt dar. Um Springsteens Manager Jon Landau zu zitieren: "Ein leichtfüßiges, fantastisch gespieltes High-Energy-Rockalbum, das viel zu sagen hat." Dem ist nur noch die unglaubliche Zärtlichkeit und der Ausdruck seiner Balladen hinzuzufügen. Danke, Boss!
23 Kommentare
Am 02. Oktober droppt der Baus sein neues Streetalbum, das er zusammen mit seiner E Street-Crew aufgenommen hat, und ich habe schon jetzt wieder das Topic mit Hitpotential dazu parat.
Auf 'tube kann man sich schon mal das Video zu "Radio Nowhere (http://www.youtube.com/watch?v=UhmQLFqpG_w)" anschauen, einem Joint, der mit riesigen Gesten und einem Jahrhundert-Refrain aufwartet. Die Trackliste (http://www.amazon.com/Magic-Bruce-Springst…) verspricht nun nicht gerade das, was man eigentlich von ihm gewoehnt ist: Geschichten ueber Charaktere, die mehr am Strugglen und Hustlen sind als ganz Atlanta, Berlin und Frankfurt-Nordweststadt. Eher geht es zurueck zur Romantik der ersten Springsteen-Aera(think Songs wie "Rosalita (Come Out Tonight)" et al.), also vor all dem Fame, der mit BtR kam.
Aber: wenn der Baus releast, releast er heissesten Shit, da brennt es.
Ich bemühe jetzt mal die alte Metapher vom alten Wein der Zeit braucht. Wenn man sich solange auf das Album gefreut hat, kann es wahrscheinlich gar nicht das erreichen was man sich verspricht. Nach erstem Durchhören eine ziemliche Enttäuschung. Irgendwie setzt es sich nicht fest. Mir fehlt der rote Faden, der Springsteens Platten immer einzigartig machten. Doch siehe oben, es liegt vielleicht daran, daß es eben mehr Zeit braucht. Aber "Long Walk Home und Devils Arcade" sind schon große Songs.
Starkes Album vom Boss. Ich war überrascht! Eine Super Mischung zwischen ruhigen Liedern im Stile von "I´m on fire" und rockigen Songs.
In den meisten Songs erzählt der selbst ernannte Liedermacher Springsteen wie kaum ein anderer
dümmliche Kurzgeschichten, die ihn bei den Fans weiterhin als "Gutmenschen" (Ist er's wirklich?)
erscheinen lassen. Psychologisch ist das einigermaßen erklärbar: Springsteen rebellierte in seiner
Jugend einerseits gegen seinen Vater und versuchte ihm so wenig wie möglich zu gleichen;
andererseits übernahm er dessen Werte aus der Arbeitswelt (u.a. Misstrauen gegenüber
Intellektuellen) sowie dessen Begeisterung für Autos. Diese Ambivalenz kennzeichnet auch sein
Verhältnis zur Musik.
Alles in allem wieder kein Album, das ohne Ohrenschmerzen gehört werden kann. Der Sound ist eine
Katastrophe, die Instrumentierung untermalt unprononciert die Möchtegern-Lyrik in den Texten. Die
verschiedenen Stimmexperimente sind, vor allem wenn sie zu hoch werden, mehr als
gewöhnungsbedürftig. Man spürt richtig, wie Springsteen immer noch überzeugt ist von seinem "Vocal
Pressing"- Schrei- und Krächzgesang und dabei die Töne aus sich herauspresst und die Augen
zusammenkneift, als hätte er Verstopfung im Darmbereich. Diese habe ich beim Hören dieser
katastrophalen Scheibe auch beinahe bekommen...
Das ist wohl wahr!
Ich stimme weiterhin zu!