laut.de-Kritik

Proto Metal aus der Vogelperspektive.

Review von

Budgie ist die englische Bezeichnung für Wellensittich. Das gleichnamige Power Trio aus England steht im Gegensatz zur feingliedrigen Vogelart für breitbeinig gespielten Heavy Rock britischer Prägung und produzierte mit "Breadfan" gar einen Track, der durch Metallicas Cover-Kunst ein weltweites Publikum erreicht hat.

Budgie haben ihre Zeit gehabt, Wege geebnet und vor einem halben Jahrhundert bemerkenswertes musikalisches Material auf Vinyl gepresst. Das Songwriting schlägt auch aus heutiger Sicht gewaltig über die Stränge. Zeit, die Formation zu Ehren des 2022 verstorbenen singenden Bassisten Burke Shelley auf das Radar zu hieven.

Wir schöpfen tagtäglich aus dem Meer der Möglichkeiten. Bei allem Erfolg, der Budgie abgeht, haben sie Spuren hinterlassen. Doch die Metal-Megaseller, die in den Achtzigern die großen Bühnen dieser Erde geentert und die Ernte eingefahren haben, profitierten von der Saat.

Daran und nicht am Erfolg der Tonträger lässt sich der Einfluss einer Formation bemessen. Van Der Graaf Generator oder Gentle Giant können hiervon etliche Lieder singen. 1973 fängt der Teenie James Hetfield Feuer beim Hören einer Platte namens "Never Turn Your Back On A Friend". "Breadfan" ziert 1988 die B-Seite von "Harvester Of Sorrow" und "Eye Of The Beholder" und findet 1998 auf "Garage Inc." einen Platz.

Ein Track wie gemalt für die Thrash Metal-Vormosher. Ein biestiges Single Note-Riff das rollt und rollt und rollt ... Dazu polternde Drums, die das Ungestüme des Punk vorwegnehmen und mit der Wucht eines John Bonham die Kessel kloppen. Der Bass knarzt wie Chefwarze Lemmy Kilmister. Die Breaks wirken in den Klangraum gestanzt wie alte Monumente.

Die Produktion roh, trocken, unverfälscht; schlicht fernab von jeglicher Perfektion. Trotzdem schwingen die Haarsinneszellen im Ohr mit und verbreiten ein wohliges Kribbeln unterm Schädeldach.

Das Power Trio verfügt über viele Zutaten, die im Hardrock- und Metalzirkus fortan für Furore sorgen: Proggige und psychedelische Parts bilden die besonderen Bestandteile im Klangbild. Das Trio entwickelt seine Songs nach Belieben. Auf Hau Drauf folgt ein zartes Streicheln der Wange oder ein ekstatisches Abdriften in Orgel-getränkte Sphären.

Die Markenzeichen von Iron Maiden und Metallica nehmen Burke Shelley, Tony Bourge und Ray Philipps vorweg. Shelleys androgyne Stimme steht als Bindeglied zwischen Yes-Sirene Jon Anderson und den tenorartigen Ausführungen eines Geddy Lee (Rush).

Nach dem Proto Metal-Einstieg aus der Vogelperspektive folgt mit dem unkaputtbaren "Breadfan" mit den Titeln zwei bis vier die Love-Suite. "Baby, Please Don't Go" fußt auf einem häufig gecoverten Blues-Stück aus der Feder von Joe Williams, das mit seiner Bass-Fixierung aus heutiger Hörer-Perspektive wie ein Lied von Iron Maiden Langholz-Fleißarbeiter Steve Harris daherkommt.

Nach der Ewigkeits-Beteuerung mit dem folkig-gezupften "You Know I'll Allways Love You" folgt die Konsum-gesteuerte Feststellung "You Are The Biggest Thing Since Powdered Milk". Ein ausuferndes im weirden Geiste Keith Moons gezocktes Drumsolo zu Beginn leitet den Longtrack ein. Ein Kopfnicken provozierendes Midtempo-Riff folgt, bevor ein leichter Grusel Einzug erhält.

Die Akkordbrechungen, die überraschend in der Mitte des Songs platziert sind, nehmen vorweg, was auf dem Iron Maiden-Debüt sieben Jahre später in Form von "The Phantom Of The Opera" für theatralische Verzückung sorgt. Auf diesem Energielevel verbleibend entfacht das Trio ein fünf-minütiges Finale Furioso.

Das zehn-minütige "Parents" öffnet nach einem empathischen Beginn der an Deep Purples "Child In Time" erinnert zunächst die Türe zum "Hotel California". Die Akkord-Progression bildet die Grundlage für einen jubilierenden Solospot, in dessen Verlauf die Gitarre quietscht und Vogelstimmen nachahmt. "In The Grip Of Tyrefitter's Hand" spendiert das Trio ein weiteres sorgsam abgestimmtes Riff, in dem die Wucht des Schlagzeugs mit der Verspieltheit des Basses und den stoischen Akkorden der Gitarre verzahnt ist.

Budgie klingt als Bandname niedlich. Die Kombination aus humoristischem Auftreten und biblischer Querverweise erinnert an die Landsleute von Monty Python. Das Hammer On-Riff von "Breadfan" gehört mittlerweile zum Standard-Vokabular. Man höre nur den Anfang des Guns N' Roses-Klassikers "Welcome To The Jungle".

Wäre Lars Ulrich Mitglied der Band gewesen, er hätte sich das Riff patentieren lassen. Hätte, hätte Lederkutte. Der Proto Metal aus der Vogelperspektive bringt jedenfalls auch heute noch die Nadeln der Plattenspieler zum jubilieren.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Breadfan
  2. 2. Baby, Please Don't Go
  3. 3. You Know I'll Always Love You
  4. 4. You're the Biggest Thing Since Powdered Milk
  5. 5. In the Grip of a Tyrefitter's Hand
  6. 6. Riding My Nightmare
  7. 7. Parents

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