laut.de-Kritik
Die Bush-Meister der Überlebenskunst.
Review von Franz MauererWerke zu veröffentlichen, die Leute entweder lieben oder hassen, das ist ein sehr gutes Zeichen für die künstlerische Relevanz einer Band. Bush gelang dieses Kunststück vor zwei Jahren mit "The Kingdom". Das ist alles andere als selbstverständlich, schließlich ist die Skepsis förmlich spürbar, die der Reinkarnation von Bush ohne Pulsford und Parsons und seit 2019 auch noch ohne Gründungsmitglied Goodrigde, entgegengebracht wird. Rossdales Beziehung mit Sophia Thomalla half seiner Grunge-Kredibilität zumindest auf dem deutschsprachigen Markt wohl auch nicht.
Gavin macht aber unverzagt und mit neuer personeller Verstärkung weiter auf "The Art Of Survival", das sich nahtlos einfügt in die Reihe fürchterlicher Albumtitel. Das gilt ebenso für die Songtitel und die Texte im Allgemeinen.
Das Worthülsen-Niveau des Londoners hat Ausmaße angenommen, die den Verdacht nahelegen, er habe seine Muttersprache verlernt: "we are more machines / we are because we feel / when everything goes down / it is how we come around". Das kann man natürlich ein ganzes Stück weit ignorieren, allerdings lebte Bush zu besten Zeiten durchaus davon, dass die schon immer einfachen Texte ähnlich wie bei Placebo gerade durch ihre kunstfertige Schlichtheit authentisch Emotionen transportierten. Davon kann bei "The Art Of Survival" aber keine Rede sein, die Baukastensprache wirkt formelhaft und wie maschinell zusammengesetzt.
Und ein weiterer Störfaktor hat mit Rossdale zu tun: Seine Stimme hört sich jünger an als 1994, so glattgebügelt wurde sie in der Produktion. Das kostet sie völlig unnötig wiederum Emotionalität und Reibungsfläche und gibt dem Album auf einer weiteren Ebene einen arg technischen Charakter. Musikalisch geht es immer noch härter als auf den schrecklichen ersten drei Comeback-Alben zu, aber weniger griffig als auf "The Kingdom". Produzent Erik Ron, bekannt von Panic! At The Disco macht schlicht und ergreifend keinen guten Job. Songs wie der Opener "Heavy Is The Ocean" und auch der zweite Track "Slow Me" reißen das mit ihrem gelungenen, souveränen Songwriting ein gutes Stück weit heraus, einem Großteil des Albums gelingt es aber nicht, innerhalb der Spielzeit von den Gehör- bis zu den Gehirngängen zu wandern.
Vor allem in der zweiten Hälfte des Albums fehlen die Ideenschnipselchen, die die eingespielte Routine gezielt anreichern. Mid-Tempo-Alternative-Rock ist das alles, aber Bush lebten schon immer davon, ihr blitzsauberes Handwerk mit einigen Ideen so aufzuhübschen, dass am Ende ein markanter Song rauskam. Das gelingt "Identity", "Judas Is A Riot", dem eher fad mit einem Beat experimentierenden "1000 Years" und dem aalglatten "Gunfight" nicht. Sie ziehen auf handwerklich hohem Niveau vorbei, stören allerdings auch nicht.
Diese besonderen, Bush ausmachenden Momente: im Refrain von "Kiss Me I'm Dead", im Swag eines "Shark Bite" und in Rossdales Gesang auf "May Your Love Be Pure" findet man sie nach wie vor. Hier scheint die Grandezza von Rossdale, der Kontrast zwischen seiner Verletzlichkeit und dem metallischen Sound durch und tut gut. Man muss diese Momente aber suchen, sie ergeben sich keineswegs von allein. So weist "The Art Of Survival" erneut nach, dass Rossdale es noch kann, aber auch, dass er es nicht immer so interessant wie auf "The Kingdom" kann. Man wünscht ihm charakterstärkere Kompagnons und einen Produzenten mit mehr Durchsetzungskraft, denn der größte Feind von Bush ist Rossdales Schlendrian.
1 Kommentar
heavy is the ocean ist ein cooler track