laut.de-Kritik

Metalcore aus dem Pott voller Abwechslung und Brachialität.

Review von

CD-Spieler auf, Platte rein, Play gedrückt. Erste Töne in Form von Schallwellen treffen auf das Trommelfell, dessen Schwingungen über die drei kleinsten menschlichen Knochen - Hammer, Amboss, Steigbügel – zum Hörnerv und weiter zu unseren grauen Zellen in der Großhirnrinde gelangen. Dort liegt das Hörzentrum – nicht größer als ein zusammengefalteter Kronkorken. Im Falle eines Hörerlebnisses à la "I Am Nemesis" werden unsere Nervenzellen dort zum Hirsch, feiern knochenharte Mosh-Partys und brennen eine Wall Of Death nach der anderen ab.

Denn was Caliban aus dem Ruhrpott hier fabrizieren, kann sich sehen, bzw. hören lassen: Treibender Death Metal, gepaart mit einer Ladung Hardcore und einer schnittigen Ecke Thrash Metal ergibt eine Dreiviertelstunde voller Abwechslung und Brachialität. Besonders im Vergleich zum schwächelnden Vorgänger ließ das Quintett weniger Raum für die nervigen Clean-Vocals von Klampfer Denis Schmidt und ersetzten sie durch Gastbeiträge von Shouter Mitch Lucker (Suicide Silence) und Schreihals Marcus Bischoff (Heaven Shall Burn).

Dörner krakeelt, spuckt Gift und Galle und zeigt auch nach 15-jähriger Bandgeschichte, dass es der Mensch/Tier/Dämon-Figur Caliban immer noch unter den Nägeln brennt. Der Einheizer "We Are The Many" dürfte live ordentlich zünden, ehe die Bühnen mit "The Bogeyman" in Licht und Flammen aufgehen. In letztgenanntem Track sorgt nicht nur der Breakdown für blutige Nasen und aufgeplatzte Lippen. Auch die atmosphärischen Keyboard-Untermalungen, die die Krawallbrüder von We Butter The Bread With Butter aufstreichen, passen sehr schön ins Gesamtbild.

Der Motorcortex, für willkürliche Bewegungen verantwortlich, beginnt spätestens bei der Single-Auskopplung "Memorial" wie wild zu feuern. Mit dunklen und persönlichen Lyrics ("Father / I have to say goodbye / to keep myself alive") kreiert der Fronter eine ernste Stimmung, die Schmidt mit einem klar gesungenen, melodischen Refrain veredelt. Durch den seltenen Einsatz am Mikro verfehlt auch der Gitarrist nicht die beabsichtigte Wirkung.

Auch wenn der Fünfer ewig im Windschatten von Heaven Shall Burn spielt, so wie Dark Tranquillity niemals an In Flames herankommen, so hat dieser Silberling doch eine höhere Daseinsberechtigung, als einfach nur der vorgeschobene Grund für eine erneute Tour zu sein. Davon abgesehen untermauern Caliban mit "I Am Nemesis" ihren Status als Speerspitze des immer leiser werdenden Metalcore-Genres.

Trackliste

  1. 1. We Are The Many
  2. 2. The Bogeyman
  3. 3. Memorial
  4. 4. No Tomorrow
  5. 5. Edge Of Black
  6. 6. Davy Jones
  7. 7. Deadly Dream
  8. 8. Open Letter
  9. 9. Dein R3.Ich
  10. 10. Broadcast To Damnation
  11. 11. This Oath
  12. 12. Modern Warfare

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7 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 12 Jahren

    Metalcore ist anscheinend nicht tot zu kriegen. Aber egal, was man über das Genre oder die Band denken möge, es gibt offensichtlich noch immer eine Daseinsberechtigung, sonst wären Caliban und diverse andere Bands schon längst verschwunden. Solange in jedem langweilig arrangierten Song ein Breakdown eingebaut ist, ist die Welt noch in Ordnung.

  • Vor 12 Jahren

    "so wie Dark Tranquillity niemals an In Flames herankommen"

    ... größter Blödsinn überhaupt oder schlicht vertauscht. Aber so wie es jetzt darsteht hat sich der Autor damit selber mit Ahnungslosigkeit ausgezeichnet.

  • Vor 12 Jahren

    @Zeddi (« "so wie Dark Tranquillity niemals an In Flames herankommen"

    ... größter Blödsinn überhaupt oder schlicht vertauscht. Aber so wie es jetzt darsteht hat sich der Autor damit selber mit Ahnungslosigkeit ausgezeichnet. »):

    Was soll an der Aussage falsch sein? Über musikalische Belange lässt sich natürlich streiten, aber rein von der Reputation und vom kommerziellen Erfolg steht In Flames eben eine Stufe über Dark Tranquillity.

    Zum Album: Es bietet durchaus auch Abwechslung und etwas Überraschung, ohne die Trademarks der Band zu vergessen. Für Caliban- und Metalcorefreunde sollte die Scheibe ein gefundenes Fressen sein. Für andere Metalfans, die sich nicht gleich vom Prädikat "Metalcore" abschrecken lassen lohnt es sich auch mal ein Ohr zu riskieren.
    Ansonsten kann ich mich der Rezension anschließen und sehe die hervorgehobenen Tracks auch als absolute Anspieltipps an.