laut.de-Kritik
Originäre Zahnlosigkeit im Dancefloor-Kontext.
Review von Maximilian FritzCaribou, "Suddenly", fast 75 Minuten geballte Remix-Ladung. Nachdem bereits letztes Jahr die "Suddenly Remixes EP" erschien, hat Electronica-meets-Indie-Disco-Schmuser Dan Snaith noch acht weitere Neubearbeitungen angefragt und daraus eine Art Album geschnitzt.
Die neueren Remixe stammen von arrivierteren Künstler*innen und Busenfreunden wie etwa Four Tet und Floating Points, noch mehr in Richtung Indie und Pop gehen beispielsweise Toro Y Moi oder Jessy Lanza. Erwartungsgemäß besteht das Feld aus amerikanischen, kanadischen und natürlich britischen Remixer*innen.
Koreless aus Wales wagt gleich zu Beginn ein kleines Experiment und zähmt den quietschigen Hit "Never Come Back" – auf dem Album satte viermal neu interpretiert – mit Bassgrollen. Funktioniert nicht optimal, aber allemal besser als Four Tets ziemlich generische Version desselben Tracks, die schon mit dem eingängigen Riff des Originals losdudelt.
Toro Y Moi wirft eine ganze Armada von Effekten auf "Home". Zupfinstrumente, extrem sinnlose und wirklich nervtötende Sirenen übertünchen den eigentlich ganz annehmbaren, geruhsamen Beat. Ziemlich gelungen hingegen Logic1000s Herangehensweise an "Sunny's Time": Das traumhafte Piano-Motiv, das schon im ursprünglichen Album an Caribous irgendwie spannendere Zeiten im Beatmaker-Bereich reminiszierte, markiert kurze Ruhepausen, dazwischen erklingen feine Breakbeats, die die Newcomerin behutsam arrangiert.
Floating Points macht im Anschluss aus der feministischen Nummer "Sister" einen soliden House-Stomper, der vor allem mit schöner Bassline überzeugt. Im Dance-Bereich setzt sich aber Shanti Celeste galant die Krone auf, die das ursprüngliche Tohuwabohu "Ravi" in einen zügigen, euphorischen Club-Track mit blank poliertem Sounddesign umdichtet.
So interessant wie kurz fällt Jessy Lanzas Idee von "You And I" aus, die den melancholischen Pop des Vorbilds widerhallen lässt, entschleunigt, teilweise mit Trap-Kennzeichen versieht, und schließlich einfach eigene Vocals drüber legt. Ein Aufwand, der sich bei Prince Nifty in einer elfminütigen Klangstudie zu "Sunny's Time" ausdrückt.
Es folgt der mäßig originelle zweite Beitrag von Floating Points, der die latente Belanglosigkeit der Vorlage in den Dancefloor-Kontext überträgt. Auch Morgan Geist, seines Zeichens Mitglied des Duos Metro Area, trotzt "Never Come Back" leider nichts Signifikantes ab, wirkt dabei aber immerhin abwechslungsreich.
Vom handwerklichen Standpunkt aus gibt es kaum etwas zu mäkeln, was das Facettenreichtum und den Innovationsgrad angeht hingegen eine ganze Menge. Das Kernproblem der kompletten LP offenbart sich bereits, wenn man einen Blick auf die Tracklist wirft. Größtenteils wählte man die Stücke des ursprünglichen Albums aus, die ohnehin schon den größten Pop-Appeal mitbringen, und formte deren irgendwie liebenswürdige Zahnlosigkeit in gleichmäßig pulsierende Dance-Tracks um.
Davon ausgehend stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, Caribou zu remixen, oder ob diesen Job nur die falschen Künstler*innen übernommen haben. Gerade die zuvor erschienenen Fassungen von Künstlerinnen wie India Jordan, Logic1000 oder Shanti Celeste zeigen aber doch, dass eine Frischzellenkur auch für Snaiths schwieriges Ausgangsmaterial im Bereich des Möglichen liegt.
Was größtenteils fehlt, und das gilt für die Wahl der Remixer*innen wie für diese selbst, ist Mut. Einerseits besteht das Gros des Starterfelds aus vorrangig Pop-affinen Leuten mit Hang zum sonnigen Dancefloor, andererseits scheinen Caribous Songs entweder einzuschüchtern oder einzulullen und somit kreative Sonderwege zu verhindern. Das hat leider nur ein mäßiges Resultat zur Folge.
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