laut.de-Kritik
Filigran im Krach - das vielleicht düsterste Album der Diskografie.
Review von Alex KlugWow! Dissonant-gloomige Riffs, durchdachte Twin-Rhythmen, elegische Melodien und endlos vielschichtige Atmosphäre. Was Cult Of Luna auf Studioalbum Nummer sieben kredenzen, ist Post-Metal in seiner tiefgründigsten Form. Eine Durchschlagskraft, die den Hörenden bis ins Mark ...
Halt. Stopp. Reality Check.
"A Dawn To Fear" ist ein monumental starkes Album. Aber wir haben ein Problem. Denn starke Alben haben Cult Of Luna einfach viele. So viele, dass man den neuesten Output gezwungenermaßen erst einmal einordnen muss.
Keine Frage: Während es in der Underground-Szene draußen kräftig brodelt, kennen Cult Of Luna ihre Stärken in- und auswendig. Im letzten Winter schlugen die Schweden ihre Zelte an der benachbarten norwegischen Küste auf, um ein weiteres Mal eine Karaffe flüssiges Glück aus ihren Trademarks herauszupressen. Neben der Astro-Kollaboration "Mariner" und diversen Livealben ist es das erste neue alleinige Material seit "Vertikal" (2013).
Allgegenwärtig wie schon auf dem Vorgänger: Tasteninstrumente. Wo zuletzt Synthesizer durch kalte, industrielle Großstadtklänge sägten, lässt pg.lost-Kopf Kristian Karlsson nunmehr die Orgeln aufheulen. Oder eher: aufbrummen. Denn "A Dawn To Fear" ist ein Album der Tieftöner. Cover und Songtitel wecken zwar schnell Erinnerungen an das bisweilen verträumte Wald-und-Wiesen-Meisterstück "Somewhere Along The Highway" – schnödes Post-Rock-Geflatter stellen die Schweden hier aber hinten an.
Stattdessen peitschen Cult Of Luna mit "The Silent Man" schnurstracks vorwärts. Unter die gewohnt simplen, aber effektiven Riffs und das ohnehin einzigartige Dual-Drumming mischen sich schon nach wenigen Minuten erste Glockenspiel-Töne. Auch Tracks wie "Nightwalkers" und "Inland Rain" zeigen: Die Verzierungen stecken im Detail, schlummern zwischen wabernd tiefen Gitarren-Tunings und schmerzhaften Kehlkopf-Lauten. Die überragende Leitmotiv-Technik des Vorgängers hingegen – man sucht sie vergebens.
Mehrfach sorgt Gitarrist Fredrik Kihlberg mit seinen gehauchten Geister-Vocals für Ruhepausen. "A Dawn To Fear" und "We Feel The End" schlagen mit ihren E-Bow-Kaskaden durchaus eine Brücke zur "Highway"-Folklore – mit Orgel statt Banjo, versteht sich. Denn wie schon "Eternal Kingdom" setzt "A Dawn To Fear" weniger auf bestimmte instrumentale Trademarks denn auf sattes Riffing. Der "Nightwalkers"-Bass schrammelt wie auf frühen Sludge-Werken, selbst die Orgeln betten sich lediglich als tiefe Textur zu den grummelnden Soundflächen.
Ja, das Erbe wiegt schwer. Alleine das überlange "The Fall" gerät im Kräftemessen mit den vorherigen Closern "In Awe Of" oder "Dark City, Dead Man" auf halber Strecke ins Straucheln. Doch Cult Of Luna setzen ja gar nicht erst daran, zum Finale ein melodiöses Feuerwerk nach dem anderen abzureißen. Zu infernalisch der vorherrschende Tenor, zu apokalyptisch die Grundthematik dieses vielleicht düstersten Diskografie-Beitrags.
Wer die Liveshows der Band kennt, weiß: Jede einzelne Komposition straft die empfundene Realität Lügen, verdreht die Dimensionen des Erlebbaren bis zur Unkenntlichkeit. Hier müssen Songs als Songs und nicht nur im Kontext als Longplayer funktionieren. Das werden auch die "A Dawn To Fear"-Tracks ohne jeden Zweifel tun. Denn auch wenn die acht Tracks eine vertonte Absage an ewige Genre-Copycats darstellen: Wenn Cult Of Luna wollen, dann können sie.
"Lights On The Hill" unterstreicht das. Während andernorts nicht jede kleine Melodie zünden will, oder aber der vielschichtige Klangkosmos sie schlicht verschluckt, entfaltet sich hier die geballte Songwriting-Kraft einer ausgewöhnlichen Band. Eine kleine Melodie, eine große Akkordfolge, rhythmische Trip-Späße von Phoenix-Drummer Thomas Hedlund.
Welcher Natur die Magie auch immer sein mag, die Cult Of Luna in den folgenden 15 Minuten hierherum aufbauen und schließlich in heulenden Harmonium-Klängen enden lassen: Crescendo mag man es kaum nennen. Denn für Worte wiegt die viel zitierte Summe aller Teile einfach zu schwer. Schwerer als jedes Erbe.
Die Post-Metal-Geschichtsschreibung ist eindeutig: Neurosis sind das Fundament, Cult Of Luna seine Architekten. Und wenn "A Dawn To Fear" schließlich im trockenen Leslie-Gluckern sein Ende findet, wissen wir: Es muss nicht jedes Mal das Empire State Building sein. Und auch keine selbstgezimmerte Blockhütte. Was zählt, ist das Wissen: Auf diese Steine können wir bauen.
2 Kommentare
Endlich mal wieder was Gutes.
ich habe vergessen, warum ich die hasse nach lesen der rezi denke ich, es liegt vllt an der fanbase. wahrscheinlich ist es die fanbase. das album ist aber tatsächlich sehr cool. gut, es ist kein eyehategod eher "betreuter lärm" aber kann man sich schon geben. mutmaßlich neben thees uhlmann und korn gerade das einzige non metal was ich höre