laut.de-Kritik

Lil' Kim meets Tumblr, provokant und facettenreich.

Review von

Es fiele leicht, CupcakKe als eindimensionales Gimmick abzustempeln, wenn man es nur auf einen kurzen Blick auf ihre populären Musikvideos ankommen lässt. Doch bereits beim dritten Studioalbum ihrer Karriere angekommen, zeigt die in Chicago geborene Rapperin auf "Ephorize" Micskills und einen Facettenreichtum, der weit über den Schockwert ihrer expliziten, provokanten Sex-Jams hinausgeht.

Die kommen dabei natürlich trotzdem nicht zu kurz. "Duck Duck Goose" oder "Spoiled Milk Titties" sind genauso geschmacklos und überzogen, wie Fans von CupcakKe es inzwischen erwarten. Die Singles triefen nicht nur vor komplett kaputten Onelinern, sondern führen auch ihre typisch hypersexualisierte Stimmung fort, die teilweise die absurdistischen Züge von Cartoons aus den Neunzigern annimmt. Heißt: absolut nicht subtil, kaum sexy, vielmehr radikaler, expressiver und barrierenloser Umgang mit der weiblichen Sexualität.

Ähnlich losgelöst geraten auf "Ephorize" viele Rap-Performances der Dame. Die Parts kommen druckvoll und energetisch daher, Reimtechnik und Charisma vollführen den seltenen Spagat, zwar gleichzeitig jeden Rucksack-Bars-Fetischisten zufriedenzustellen, aber auch keinen Soundcloud-Rapfan zu langweilen, dem es allein um die Persönlichkeit geht.

Dabei verdienen übrigens vor allem die tieferen Cuts im Album besondere Aufmerksamkeit. Auch wenn die Provokation CupcakKes Steckenpferd sein mag, entstehen meistens auf den ernsteren, persönlicheren Songs Momente, in denen die Rapperin wirklich erscheint. "Wisdom Teeth" atmet unerwartet aufrichtiges, von Herzen kommendes Pathos, "Self Interview" illustrieren Selbstzweifel auf eine bissige, kämpferische Art und Weise.

Besonders interessant gestaltet sich dabei die Mischung an Einflüssen, die sich auf diesem Tape finden. Viele Instrumentals driften irgendwo zwischen Pop, Trap und Dancehall, trotzdem finden sich immer wieder Anleihen an den Chicago Drill oder Dance-Strömungen aus Houston oder New Orleans in den exzentrischen Drumpattern, zum Beispiel auf "Duck Duck Goose". Trotz stellenweise auftretender kleinerer Mutigkeiten oder Soul-Samples merkt man der jungen Dame doch eine deutliche Mainstream-Affinität an, die sie näher an offensichtliche Vergleichspunkte wie Lil' Kim oder Nicki Minaj heranrückt.

Diese Sicherheit entwickelt sich schnell zu einer der größeren Schwächen von "Ephorize". Den unabhängigen, um nicht zu sagen namenlosen, Produzenten wie Def Starz fehlt trotz guter Ideen die handwerkliche Finesse, um derartigem Sound den letzten Schliff zu geben. So versinken einige Tracks strukturell oder klanglich unnötigerweise im Mittelmaß. Scheinbar setzten sie hier zwischenzeitlich ein paar Mal zu oft auf Überzeugungs- und Feuerkraft der Protagonistin, statt den Songs im Fundament wirklich Leben einzuhauchen.

Es bleiben: mehr als ein paar Tracks, die sich im direkten Vergleich zu den stärkeren Anspielstationen wie Filler oder Repetition anfühlen. Dementsprechend bleibt auch "Ephorize" nur ein weiterer Wegstein für CupcakKe. Auch, wenn dieses Tape den ein oder anderen fantastischen Track beherbergt und der Rapskill der Protagonistin durch die Bank beeindruckt bis begeistert, ist das hier noch nicht der große Wurf, zu dem sie imstande wäre.

Trotzdem: Wer gut mit Weirdo-Ästhetik und Tumblr-Fandom klarkommt (Letztere hat es auf irgendeine Art und Weise geschafft, einen Fan-Krieg mit den Fans der K-Pop-Boyband BTS anzuzetteln. Sowas wäre Lil' Kim definitiv nicht passiert), sollte dieses Phänomen definitiv nicht verpassen.

Trackliste

  1. 1. 2 Minutes
  2. 2. Cartoons
  3. 3. Duck Duck Goose
  4. 4. Wisdom Teeth
  5. 5. Crayons
  6. 6. Cinnamon Toast Crunch
  7. 7. Exit
  8. 8. Self Interview
  9. 9. Navel
  10. 10. Spoiled Milk Titties
  11. 11. Total
  12. 12. Post Pic
  13. 13. Meet And Greet
  14. 14. Single While Taken
  15. 15. Fullest

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