laut.de-Kritik
Der Münchner Zeremonienmeister traf den Tanznerv der New Yorker.
Review von Daniel StraubOb Helmut Geier, der von Berufswegen unter dem Decknamen DJ Hell an den Plattenspielern steht, gerne ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten gekommen ist? Es hat ganz danach ausgeschaut am 31. März, als er gut gelaunt und mit trashigem "Kawasaki Hell"-Shirt zum Gastspiel im New Yorker Club Limelight erschien.
Dabei hat DJ Hell im Moment allen Grund, nicht so gut auf die USA zu sprechen zu sein, denn von dort ist sein "International Deejay Gigolo"-Label jüngstens unter schweres Feuer geraten. Was die Sache noch schlimmer macht: Mister Terminator himself ist der Heckenschütze; und wer legt sich schon gerne mit dem muskelbepackten Ex-Mister Universum an? Dessen markante Muskelberge (hierzu zähle ich auch den Kopf!) sind denn auch der Stein des Anstoßes.
Seit 1996 zierten sie in den schönsten Mutationen jede Gigolo Records-Veröffentlichung bis nun Arnie der Sache erstmal ein Ende bereitet hat. Der ausgewiesene Body Building-Fan Hell musste eine Unterlassungserklärung unterzeichnen, in der Hell sich als Arnie-Devotee zu erkennen gibt: "Hell’s Verwendung des Bildnisses von Herrn Schwarzenegger stellt eine Hommage an die außergewöhnlichen Leistungen des wohl größten Body Building-Sportlers und dessen erstaunlicher Karriere dar: das Phänomen Schwarzenegger ist das körperkulturgeschichtliche Pendant zur Ästhetik der tanzbaren elektronischen Musik zu Beginn der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, der Discomusik." Bei so viel Verehrung kann man nur hoffen, dass die Anwälte eine Lösung finden, Arnies Eitelkeit und Hells eigenwilligen Heldenkult unter einen Hut zu bringen.
Von all dem geschäftlichen Hick-Hack war Hell indes nicht das Geringste anzumerken als er die DJ Kanzel im Limelight, einer ehemaligen Kirche an der Ecke 6th Avenue und 20th Street gelegen, erklomm. Von der ersten Minute an erfreute er die bunt gemischte Partycrowd aus Technos, Wavern und Schwulen mit groovenden Old Skool Sequenzerbässen; und das sollte sich den ganzen Abend nicht ändern. Klasse!
Überhaupt hatten es Hell die 80er an diesem Abend besonders angetan; sehr zu meiner Freude muss ich gestehen. Kein Wunder also, dass meine Glückshormone bei den geremixten Klängen des Italo-Disco-Klassikers "Passion" von The Flirts erste Kapriolen schlugen.
Doch Hell legte gleich nach und ließ mich auf der Tanzfläche nicht mehr zur Ruhe kommen. Er mixte altes mit neuem, legte sich kein stilistisches Korsett an; eine Freiheit, die sich heute leider viel zu wenige DJs nehmen. Als aus einem Mix dann auch noch die vertraute Stimme von Dave Gahan, "I saw you in the picture, I saw you play the part, this ain’t nodisco", im neo-gotischen Kirchenschiff erklang, schwebte ich vor Glückseligkeit irgendwo zwischen Dancefloor und Himmel, dem Herrn entgegen. Ein zartes "I Feel Love" von Donna Summer gab Hell seinem Publikum schließlich mit auf den Heimweg.
Die Tanzkultur scheint damit auch im Limelight langsam wieder Fuß zu fassen, nachdem Rudi Gulliani dem Spaß in seiner Stadt vor einigen Jahren den Kampf angesagt hat. Gulliani, seines Zeichens Bürgermeister der fünf Stadtbezirke am Hudson River und selbsternannter Saubermann, wollte den New Yorkern das Tanzen verbieten und überzog die Clubbesitzer der Stadt mir ständig neuen Auflagen, was den Partyhype der frühen 90er mit dem Limelight als Dreh- und Angelpunkt für DJs aus aller Welt, jäh zum Erliegen brachte. Seit einiger Zeit gastieren nun wieder DJ-Größen wie Jeff Mills, Ken Ishii, Adam Beyer oder DJ Hell regelmäßig in der ehemaligen Kirche.