laut.de-Kritik
Elektronischer Gospelpop der Avantgarde-Veteranen.
Review von Martin LeuteAus dem letzten gemeinsamen Schaffen dieser beiden Avantgarde-Veteranen resultierte 1981 das vielseitige "My Life In The Bush Of Ghosts". Visionär schichtete Brian Eno experimentelle Elektronika, Tribal Beats, weltmusikalische Klanglandschaften und bizarre Samples übereinander und sorgte für die ideale Grundierung für den freakigen Gesang des Ex-Talking Heads David Byrne.
Bei einem gemeinsamen Essen haben die beiden über 25 Jahre später eine erneute Kollaboration beschlossen. Die Klanglandschaften sind diesmal weniger innovativ und fügen sich weitgehend in einen konventionellen Rahmen. Mit dem Verzicht auf absonderliche Klangexperimente rückt der Song in den Mittelpunkt. Zutreffend spricht Eno daher von einer Art elektronischem Gospel.
Der Pathos und die Süße der Melodielinien der zwischen Country, Gospel und Schlager angesiedelten Tracks "Home" und "My Big Nurse" sind so überbordend wie einnehmend und werden von der Akustischen rhythmisiert und mit behutsamen elektronischen Arrangements eingekleidet. Die gewitzten und bissigen Texte Byrnes machen sich in diesem vermeintlich harmlosen Ambiente ziemlich gut: "When the past becomes the now/ when the lost becomes the found/ when we fall in love with war/ when the angel fucks the whore/ I'm counting all the possibilities" ("My Big Nurse").
Ähnlich hymnisch und frei von instrumentalen und digitalen Schrägheiten kommt auch" One Fine Day" oder das mit Bläsern unterlegten "Life Is Long" daher, dass unweigerlich an an den Mainstream-Pop des Tom Petty erinnert. Hier und da wirkt es ein wenig absehbar und uninspiriert, wenn die gutlaunigen Songs immer wieder auf eingängig, mehrstimmige Refrains zulaufen.
"I Feel My Stuff" verdüstert da mit verschwommenem Pianolauf, polyrhythmischen Elementen, verzerrter E-Gitarre und dem Verzicht auf einen Refrain angenehm die Stimmung; erstmals offenbart sich eine wagemutigere Experimentierfreudigkeit des Duos. Verspielter präsentiert sich Eno auch in "Strange Overtones", das mit kühlen Beats und ebensolchen Keyboardklängen aufwartet und der klaustrophobisch anmutenden Clubnummer "Poor Boy", an dessen elektronischem Gerüst und der funkigen Gitarre sich Byrnes mit verzerrter Stimme entlang hangelt.
In erster Linie handelt es sich bei dieser Platte um ein Bekenntnis zur Harmonie und zum Pop, der den Hörer an keiner Stelle überfordert. Genau darin liegt der Sinn niveauvoller Popmusik. Alles in allem ist "Everything That Happens Will Happen Today" ein wohlig klingendes Werk, das Enos unaufgeregten Arrangements geschmeidiger denn je mit Byrnes nach wie vor aufregendem Gesang in Einklang bringt.
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