laut.de-Kritik
Ebenso lieblich wie zerstörerisch.
Review von Kai ButterweckDrei junge Burschen mit Hornbrillen und Scheitelfrisuren halten grinsend ein rosafarbenes Albumcover mit dem Titel "Sunbather" in die Kamera. Ein Bild, das bei Freunden härterer Klänge schneller im virtuellen Papierkorb landen dürfte, als eine Werbe-Mail zum neuen Justin Bieber-Album – so scheint es zumindest.
Doch wenn sich zum Jahresende eben jene Leute über die Brutalo-Faves der vergangenen 12 Monate austauschen werden, dürfte genau dieses rosafarbene Cover und sein Inhalt von vielen Apokalypse-Dudes auf Händen getragen werden. Der Grund: Hinter der aufgesetzten Barbie-Maske verbirgt sich die Fratze des Gehörnten.
Statt auf gehaltlosen Airplay-Pop, stehen die drei Kalifornier von Deafheaven nämlich eher auf Blast-Beats-getriebene Endzeit-Infernos, bei denen selbst die eingefleischtesten Black Metal-Fetischisten anerkennend mit den bemalten Häuptern nicken.
25 Sekunden lang klemmen sich die Beteiligten an Mogwaischem-Gitarren-Geschrammel fest, ehe urplötzlich die Hölle losbricht. Das malträtierende Geprügel von Drummer Daniel Tracy treibt all die hoffenden Schäfchen vor sich her, nur um sie letztlich vor dem Schlund des Erdballfressenden zu parken. Der präsentiert sich in Gestalt des 'Sängers' George Clarke bereits mit weit aufgerissenem Mund und berstendem Geschrei. Zeit für die Fütterung. Es wird geschmatzt, gegurgelt und gesabbert. Dennoch wahrt der Leibhaftige die Etikette. Sphärische Melodien, die man sonst nur von seichteren Kollektiven serviert bekommt, begleiten die Fütterung. Hier vereinen sich Shoegazing, Post-Rock, Indie und schwerster Schwarzweiß-Metal zu einem kolossalen Ganzen, das sich ebenso lieblich wie zerstörerisch aus den Boxen schält.
Mit sinnlichen Piano-Themen ("Irresistible"), dynamischen Laut-leise-Wechselspielen ("Please Remember") und angsteinflößenden Orgel-Exzessen ("Windows"), sorgt das San Francisco-Trio für reichlich Atempausen zwischen den vier brachialen Eckpfeilern des Albums. Verschnaufpausen sind auch bitter nötig, denn was das eigentliche Songquartett des Albums in punkto Aggression und flächendeckender Energie auffährt, drückt selbst Kenner härtester Distortion-Gemetzel in die heimischen Sessel.
Deafheaven fahren einen mit Honig übergossenen Bulldozer durch die suburbanen Straßen San Franciscos und hinterlassen dabei eine dichte Wolke aus Zorn, Wut, Hoffnung und Liebe. Black Metal geht auch anders. Mit "Sunbather" liefern Deafheaven den Beweis.
17 Kommentare
Ah, sehr gut! Wunderschönes Album, 5/5 von mir. Jedoch war ich was überrascht, dass das neue Altar of Plagues mich noch mehr begeistert hat, mit seinem höchst ungewöhnlichen Mix aus Elektronischen Industrial Elementen und Black Metal.
Ja wie geil ist das denn!
Wieder eine Band, die ich vor lauter Tatendrang erst jetzt entdeckt habe ... bei Euch - danke dafür! :-*
Für mich ist dieses Album wirklich eine Herausforderung, da mir dieses Genre eigentlich zu heavy ist aber die ruhigen Elemente hier sind richtig dufte. An den 'Gesang' habe ich mich irgendwie schon fast gewöhnt aber dieses Blastbeat-Drumming ist nach wie vor einfach nichts für mich. Diese Art des Schlagzeugspiels klingt für mich auf Dauer irgendwie einfallslos und ein bisschen stumpf.
Das für mich beste Lied des Albums''The Pecan Tree'' ist da ein gutes Beispiel:
Halte es irgendwie bis zu Minute 1:25 aus, um mit 45 erlesenen Sekunden voll betörender Gitarren und fetter Rhythmussektion belohnt zu werden, nur damit ab Minute 2:10 bis 4:15 aber mehr als 2 Minuten fieses Rumgekeife mit ermüdendem Getrommel serviert werden.
Danach folgt jedoch das große Leckerli, der Mittelteil ist wirklich eine wunderschöne Komposition, das ist schon großes Kino. Und obwohl der ab Minute 8 wieder anfängt, seine nicht zu identifizierenden Lyrics ins Mikro zu plärren, ist es da gut zu ertragen, da das Schlagzeug nicht den nächsten Blastbeatwirbel abliefert.
'Sunbather', 'Irresistible' und 'Please Remember' sind zudem sehr gut. Die anderen Lieder sind teilweise aber etwas zu anstrengend für mich.
Insgesamt ein ziemlich interessantes und stellenweise großes Album und wenn man die Black Metal Einflüsse auch noch mag, dann wird das wohl lange bei einem im Cd Abspielgerät rotieren.
Irgendeinem gefällts halt immer nicht, was ja nicht schlimm ist. Aber in diesem Fall sind's halt statistische Ausreißer.
@chrizz_tough (« @Torque
Dein Kommentar - ofen
Wenn das Hipster Black Metal ist, dann sage ich hier und heute, mit stolzer Brust "Ick bin ein Hipster"... das Kind muss ja ´n Namen haben! »):
gratuliere. hier ist deine armschlaufe mit dem hipster dreieck. trag sie mit stolz bis der sonderzug von gleis 8 fährt.
Durch diese Indie Akustik Parts leider unhörbar. Schade.