laut.de-Kritik

'Hard-Pop' vom Feinsten.

Review von

Drei Alben hatten Def Leppard zwischen 1981 und 1983 bereits veröffentlicht und eine beachtliche Fangemeinde um sich versammelt. Als "Hysteria" 1987 mit deutlicher Verspätung in die Läden kommt, spaltet die Band ihre erwartungsvollen Jünger in zwei Lager. Selbst Jahrzehnte später entbrennen vermutlich noch immer Diskussionen um die Bewertung dieses Albums und im selben Atemzug um die Frage, welches Def Leppard-Werk das beste sei. Auch "Pyromania" von 1983 käme dabei nicht nur aufgrund der knapp zehn Millionen verkauften Tonträger in die engere Wahl.

Wie zahlreiche andere Rockbands kämpften auch die Mitglieder von Def Leppard mit unterschiedlich ausgeprägten Alkohol- und Drogensüchten. Der primäre Grund für den jahrelangen Verzug ihres vierten Albums war jedoch tragischer. Drummer Rick Allen verlor bei einem Autounfall Ende 1984 seinen linken Arm. Was bei den meisten Bands das Karriere-Aus für den Trommler bedeutet hätte, entwickelt sich hier zu einem wahren Beispiel an Zusammenhalt. Die anderen Mitglieder Steve Clark, Phil Collen, Rick Savage und Leadsänger Joe Elliott ermutigten Rick, auch weiterhin Teil der Band zu bleiben und boten ihm jede Unterstützung. Auf einem eigens für ihn konzipierten Drumkit lernt er wieder zu spielen. Letztlich dauerte der ganze Prozess vier Jahre, bis sie in vollständiger Besetzung "Hysteria" aus dem Studio bringen.

Trotz des fulminanten Erfolgs des Vorgänger-Albums orientieren sich die Musiker und ihr Produzenten-Team nicht ausschließlich am alten Muster. Aus dem metallenen Konzept der vergangenen Alben formen sie mit spürbarer Experimentierfreude ein neues Konstrukt, dem sie die ein oder andere Kante abschleifen. Weichere Strukturen fließen ein, neue Melodien, die sich auch entgegen dem stärksten Widerwillen gegen vermeintlich banale Eingängigkeit in die Hirnwindungen graben und dort verweilen.

Damit scheinen sie sich dem Mainstream und der Kommerzialisierung anzubiedern. Und eben diese Interpretation spaltet damals wie heute die Hörerschaft, denn zweifellos haben Def Leppard sich in den vier Jahren seit "Pyromania" verändert. Aber das muss ja nicht schlecht sein.

Prominentere elektronische Einflüsse kommen auf "Hysteria" zum Tragen, und so schraubt der Synthie schon im Opener "Woman" die erste Melodie in den Kopf. Elliott begleitet die Standard-Pop-Basics mit seiner markanten Stimme. Die raubeinig intonierten Vocals treiben selbst den Chören den Kitsch aus. Die Auskopplung der pop-lastigen, glaubwürdig rührigen Ballade "Love Bites" erklimmt 1988 die Nummer eins der US-Charts.

Insgesamt präsentiert der Sänger seine Stimme auf diesem Album mit neuem, vielschichtigerem Repertoire. In "Animal" singt er selbstbewusst dreckig, energisch und fordernd. Aber genauso überzeugend liefert er die hymnischen Ohrwurm-Vocals zwischen schrubbenden Rock-Gitarren in "Gods Of War" ab.

Das schlichtweg optimale Zusammenspiel der Band zeigt sich ausgesprochen eindrucksvoll im ausgedehnten Intro zu "Run Riot". Steve Clark und Phil Collen an den Gitarren bilden zusammen mit Schlagzeuger Allen und Bassist Rick Savage eine perfekt eingespielte Rhythmus-Combo. Der Track hätte gerne auch ein Instrumental bleiben dürfen. Für "Armageddon It" hangeln sie sich mit harten, kantigen Riffs, ordentlich Feuer und dem typischen Sprechgesang zielführend am stählernen Gerüst der letzten Alben entlang. Den gleichen Weg beschreiten sie mit "Pour Some Sugar On Me" und erreichen mit der Single-Auskopplung einen weiteren Chart-Erfolg.

"Hysteria" stellt für die damalige Zeit auch ein technisches Meisterwerk dar. Die Lorbeeren dafür gebühren gleich zwei Teams von Toningenieuren, die mit höchster Präzision und teuerstem Equipment an dem Album arbeiteten. Dabei entstanden astreine Aufnahmen der Gitarrenparts, die bei Bedarf verzerrt werden konnten. Dutzende von Layern der Backing Vocals fügen sich nahtlos an akkurate Instrumentals. Produzent Robert John Lange kombinierte Riffs und Hooks zu zwölf fantastischen, in sich stimmigen Tracks.

Versucht man Def Leppard nicht in eine Schublade zu quetschen, sondern lässt sie sich frei zwischen Metal, (Glam-)Rock und Pop bewegen, erhält man ein Album wie dieses, auf dem es keinen Füllstoff gibt. Jeder einzelne Track sitzt und funkelt auf seine ganz eigene Weise.

Die Scheibe erreichte in den US- und UK-Album-Charts Platz eins. Bis heute ging "Hysteria" über 20 Millionen mal über den Ladentisch und damit doppelt so oft wie der Vorgänger "Pyromania". Welche Rückschlüsse man daraus ziehen möchte, bleibt den Zugehörigen der unterschiedlichen Lager überlassen.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Woman
  2. 2. Rocket
  3. 3. Animal
  4. 4. Love Bites
  5. 5. Pour Some Sugar On Me
  6. 6. Armageddon It
  7. 7. Gods Of War
  8. 8. Don't Shoot Shotgun
  9. 9. Run Riot
  10. 10. Hytseria
  11. 11. Excitables
  12. 12. Love An Affection

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LAUT.DE-PORTRÄT Def Leppard

Def Leppard zählen zu den Hardrock-Giganten der 80er Jahre. Ohne Zweifel gehören ihre Alben "Pyromania" von 1983 und das vier Jahre später erschienene …

9 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Schlecht gealtert: Eighties-Patina und viel haariger Pathos. Die Idee eines poppigen Hardrocks/Pop-Metal mit Glam-Attitüde kann nur aus dieser seltsamen Zeit stammen, was wohl auch die gigantischen Verkaufszahlen (12x Platin) erklärt. Weshalb das Album dieses Jahr noch mal auf Platz 39 der US-Albencharts gelandet ist, erschließt sich mir nicht.
    AC/DC hat bewiesen, dass sich Hardrock und Massappeal nicht ausschließen und zeitlos klingen kann. Der Hair Metal der 80er (Def Leppard, Warrant, Poison, Bon Jovi etc.) ist hingegen einfach nur noch vermoderter Kitsch.

  • Vor 6 Jahren

    Kann man aber auch anders sehen...
    Klar sind Def Leppard auf dieser Scheibe der pure Pop, aber es gab zur Erscheinungszeit von "Hysteria" Nichts und Niemanden der auch nur Ansatzweise die etwas "heavyere" Fraktion mit dem Pop so verbünden konnte wie eben diese Scheibe...und AC/DC waren zu der Zeit eigentlich nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und wenn man schon mal das Thema Bon Jovi anschneidet, die hatten zu der Zeit auch ihre Besten Momente. Also ich finde diesen Stein schon gerechtfertigt...egal was die Hard'n Heavy Polizei Heutzutage
    über die 80er sagt....P.S. also auch noch nen Stein für "Slippery when wet" *g*
    P.P.S. Meine Güte was solls, AC/DC haben Def Leppard in den 90ern mit ihrer "Razor's edge" Scheibe dann wieder locker mit links überholt, Bon Jovi haben nach 1992 keine vernünftige Platte mehr veröffentlicht, Def Leppard haben nach "Adrenalize"(dem Nachfolger zu "Hysteria") auch nichts mehr auf die Kette bekommen....aaaber deswegen ist und bleibt die Scheibe um die es hier geht trotzdem hervorragend.
    Also ruhig bleiben und die Steine einfach rollen lassen....

  • Vor 6 Jahren

    ...und bevor ich es vergesse, wo zum Teufel bleibt in der Rubrik Hard Rock der Meilenstein zur "Van Halen - Van Halen"??????
    Das muss mir dann doch jemand mal näher erklären....ähem....*g*