laut.de-Kritik
Die Hamburger überraschen mit Genrevielfalt und subtilem Humor.
Review von Stefan Johannesberg"Wer sind die Görn?"
"Dadadad - Deichkind!"
Wer ein Rap-Album "Noch 5 Minuten Mutti" nennt und es dann auch noch mit pathetischem Deutschrock-Schmalz à la Maffay eröffnet, gehört per se schon mal umarmt, geherzt und geknuddelt. Da können Malte, Philip und Buddy auf dem Nackedei-Cover so unerotisch posen, wie sie wollen - egal. Die Deichkinder haben sich Liebesbekundungen für jenen originellen Auftakt redlich verdient, denn genreübergreifende Ideen und subtiler Humor sind im Hip Hop rar gesät.
Wer jetzt aber denkt, das lustige Intro sei bloß eine einmalige Referenz an hanseatische Kneipenmusiker wie Hans Albers, Udo Lindenberg oder Lotto King Karl gewesen, der irrt. Der kehlig-kaputte Gesang schaut auch im Laufe des Albums als Hookline verkleidet immer wieder vorbei und sorgt für ein verbindendes Element in den Songs. Nur die rasant-groovende Single "Limit", die ein wenig zu stark an Eminems "Without Me" erinnert, bleibt davon gänzlich verschont.
Wer von den vier Hamburger sich für diese stimmlichen Meisterleistungen live vor den Fans verantworten muss, bleibt vorerst im zwiespältigen Halbdunkel. Weit weniger zwiespältig dagegen harmoniert das modern-bouncende Beatfundament mit dem angesprochenen Refrains auf "Crew vom Deich", "Geborn für das" oder "Pferd im Stall". Der Club wird zudem beim Track "Pling Pling" dank Puff Daddy-Anbagger-Appeal überkochen. Und so mancher Rap-Proll guckt irgendwann ziemlich dumm aus der Wäsche, wenn er in der Disco mitten im Hüftschwung die Ironie des Songs endlich versteht.
Wer eher auf derbe Flows und Skillz steht und schon bei Kool Savas "Ausverkauf" schreit, der führt Deichkind natürlich auch weiterhin auf seiner "Wackest Crew"-Liste, denn raptechnisch bewegen sich die Hanseaten oft (gewollt) hart an der Schmerzgrenze des Zumutbaren. Wer aber auf lustige Kalauer-Skits und Selbstironie abfährt, und trotzdem gerne das Tanzbein schwingt, wird auf "5 Minuten Mutti" oft genug fündig. Also: "Wer sind jetzt die Görn? Dadadad – Deichkind!"
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