laut.de-Kritik
Würdevoller Tribut an die Vorbilder und Weiterentwicklung zugleich.
Review von Toni HennigMittlerweile hält es so gut wie jede zweite deutsche Düsterkapelle für eine gute Idee, Coversongs oder ganze Coveralben aufzunehmen, was kürzlich im Falle von Eisbrecher und Blutengel zu größtenteils erschreckenden Ergebnissen führte. Jetzt interpretieren auch noch ausgerechnet Deine Lakaien, die sich in der Vergangenheit mit Coverversionen extrem zurückgehalten haben, auf "Dual" zehn völlig unterschiedliche Stücke aus dem 19. und 20. Jahrhundert neu.
Bevor man allerdings 'Ausverkauf!' schreit, sollte man wissen, dass es sich bei "Dual" nicht um eine Sammlung an gelangweilten Fingerübungen, sondern um ein in mühevoller Kleinarbeit entstandenes Konzept-Doppelalbum handelt. Den gecoverten Songs stehen nämlich auf der ersten CD zehn eigene Tracks gegenüber, die inhaltlich, musikalisch, textlich oder stimmungstechnisch von den Originalen beeinflusst sind. Dabei orientiert sich diese CD nicht an der genauen Trackreihenfolge der Cover-CD, so dass man eine Weile damit zu tun hat, nach Querverweisen zu suchen.
Trotzdem ließ die vorab ausgekoppelte Neuinterpretation des von Patti Smith und Bruce Springsteen geschriebenen Klassikers "Because The Night" den Hörer etwas ratlos zurück, haben Ernst Horn und Alexander Veljanov die Nummer doch in ein angerocktes Darkwave-Korsett verpackt, das weder Fisch noch Fleisch war. Kaschiert das groß angelegte Konzept also nur die musikalische Ideenlosigkeit der beiden? Sicherlich nicht, denn schon das sich daran anschließende Cover von Cans "Spoon" überrascht mit dynamischen Grooves, südasiatischen Rhythmen und psychedelischem Gesang. Die Band ruht sich also nicht auf ihren Lorbeeren aus.
Vertrauteren Klängen begegnet man dagegen in Deine Lakaiens Version von The Cures "The Walk", vermitteln der gleichbleibende Diskotheken-Beat und die wavigen Keyboards die düsteren Wurzeln des Duos am Offensichtlichsten. Dabei strahlt Veljanov gesanglich beinahe so viel Frische aus wie der junge Robert Smith. Die experimentellen Töne vernachlässigt die Formation danach aber trotzdem nicht. Nur hätte das Cover von Kate Bushs "Suspended In Gaffa" weniger Synthetik vertragen können und Modest Mussorgskis "Song Of The Flea" leidet etwas zu sehr unter dem übertriebenen Pathos Veljanovs, der das Stück originalgetreu auf Russisch darbietet.
Etwas behutsamer nähert sich der Sänger Jacques Brels "La Chanson Des Vieux Amants" an, sorgt er doch mit seinem samtigen Barition für eine zugleich romantische wie abgründige Stimmung, ohne in Theatralik zu verfallen. Dazu schwirren synthetische Streicher ebenso elegant wie unheilvoll durch den Track.
Folkige Flöten-Sounds hört man auch, nämlich in der Neuinterpretation von Cat Stevens' "Lady D'Arbanville". Etwas Schweres, Bedrohliches kommt noch durch die Synthies hinzu, so dass der Track noch am ehesten an Ernst Horns Mittelalter-Electro-Projekte Qntal und Helium Vola erinnert. Weiterhin singt Veljanov das Stück mit einer emotionalen Inbrunst, als wäre es sein eigener Song.
Das lässt sich vom Cover von Soundgardens "Black Hole Sun" nicht behaupten, laufen seine Rock-Gesten doch größtenteils ins Leere. Dafür dürfte die Verwunderung umso größer sein, dass gerade eine Neuinterpretation einer Linkin Park-Nummer den Höhepunkt dieser CD bildet, hätte man die US-Amerikaner doch überhaupt nicht als Einfluss der Band vermutet. Dabei handelt es sich auch noch um "My December", das nie auf einem ihrer Studioalben vertreten war.
Jedenfalls macht sich Veljanov die innere Verzweiflung Chester Benningtons so zu eigen, dass man sich beinahe zu Tränen gerührt fühlt. Harmonium-Klänge und folkige Einsprengsel unterstreichen die Traurigkeit des Stücks. Wenn man sich die recht einfache Melodieführung wegdenkt, könnte es sich bei "My December" genauso gut um eine eigene Deine Lakaien-Nummer handeln, so natürlich hat Horn den Song ins bandeigene Gewand überführt.
Das eigentliche Studioalbum beginnt ebenso mit wohlbekannten Tönen, erweist sich doch "Because Of Because" als darkwavige Ballade, die von Veljanovs schwelgerischem Bariton lebt, wie man es von der Band nicht anders kennt. "Sick Cinema" hat im Anschluss mit klirrend kalten Industrial-Sounds, flankiert von psychedelischen Klängen, beinahe etwas Paranoides, verliert aber nie das melodisch Einnehmende aus den Augen. Erhabene Melancholie verströmt schließlich "Snow", das mit seiner folkigen Grundierung an Cat Stevens denken lässt, sich melodisch aber mehr nach "House Carpenter", einer schottischen Ballade aus dem 17. Jahrhundert, anhört. Dank Veljanovs anschmiegsamer Stimme mausert sich die Nummer zum Höhepunkt dieser CD.
Ganz anders "Happy Man", das etwas von der Synthethik der frühen Human League besitzt. Durch die stimmliche Phrasierung bekommt der Track zusätzlich noch etwas kunstvolles Mussorgski-Flair. Das kommt auch in "Qubit Man" nicht zu kurz, wenn der Song immer wieder zwischen dramatischem Streichereinsatz und sperrigen klassischen Akkordfolgen hin- und herpendelt, während die Stimme Veljanovs nahezu avantgardistische Scott Walker-Züge annimmt.
Gut, dass Deine Lakaien immer wieder mit nachvollziehbaren Momenten aufwarten, die den Hörer an die Hand nehmen. "Unknown Friend" kreuzt leicht barocke Töne mit einer ätherisch melancholischen Melodie, die zum Versinken einlädt. "Someone To Come Home To" lässt zum Schluss mit wavigen Trauermarsch-Klängen und wehmütigem Gesang wohlige Erinnerungen an "Dark Star", dem 1991er-Album des Duos, aufkommen.
Letzten Endes liefert die Band mit "Dual" eine würdevolle Hommage an ihre Vorbilder bei gleichzeitiger Weiterentwicklung, ohne ihre dunklen Wurzeln zu verleugnen. Zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Zugänglichkeit und Unkonventionalität finden Ernst Horn und Alexander Veljanov eine ausgewogene Balance. Deine Lakaien bleiben somit hierzulande immer noch die verlässlichste Bank, wenn es um feinsinnige Düster-Klänge geht.
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