laut.de-Kritik
Ob DM ohne Corbijn wohl da wären, wo sie heute sind?
Review von Michael SchuhNicht auszudenken, wo Depeche Mode ohne den Video-Regisseur Anton Corbijn gelandet wären. Ob es wohl einen ähnlichen Kult um die Band gegeben hätte, wenn die Protagonisten weiterhin zweifelhafte Videos in Maisfeldern abgedreht hätten? Der Holländer Corbijn kam jedenfalls genau zum richtigen Zeitpunkt, um das exzellente Songwriting Martin Gores ab 1986 mit unzähligen Filmjuwelen im Drei-Minuten-Format zu veredeln.
Die insgesamt 21 Single-Clips inklusive seiner legendären s/w-Highlights "Never Let Me Down Again" und "Behind The Wheel", dem Cowboy-Streifen "Personal Jesus" und dem ewigen Corbijn-Highlight "Enjoy The Silence" sowie ein Band-Interview, in dem sich selbst der 1995 im Streit ausgestiegene Alan Wilder friedvoll an seine Ex-Band zurück erinnert, kennt der Fan natürlich längst.
Als VHS ist das Paket seit Jahren im Handel und leider bietet auch die digitale Version nur den altbekannten Stereo-Sound. Dafür wartet DVD 2 mit Fan-Stuff in Form selten gezeigter US-Videos auf, wobei vor allem "But Not Tonight" die Ziellosigkeit der Synthie-Popper ohne die visuelle Leitung Corbijns verdeutlicht.
In Amerika anstelle von "Stripped" als Single veröffentlicht, ist der Clip durch Hinzunahme von Filmmaterial des Flop-Streifens "Modern Girls" dem grässlich bunten Zeitgeist der 80er Jahre näher als so manches Duran Duran-Video. Der lieblos zusammen geschnittene "Strangelove '88"-Clip hat gegen das Originalvideo ebenfalls keine Chance, was die Vermutung nahe legt, dass Mute/Sire das amerikanische Rock-Publikum mit Corbijns Kunstwerken damals nicht überfordern wollte.
Schließlich sind noch die Promotion-Filme zu den Alben "Violator", "Songs Of Faith & Devotion" und "Ultra" zu bestaunen, die ebenfalls Interviews mit den Musikern, dem kamerascheuen Daniel Miller (Mute-Chef) und Flood (Produzent) enthalten. Ein wahres Fest für alle DM-Heads, sieht und hört man die Band doch unmittelbar vor, während und nach ihrer Alptraum-Tournee von 1993/94, was tief blicken lässt.
1990 sprühen Gahan und Gore nur so vor jugendlichem Tatendrang, drei Jahre später sitzt ersterer langbärtig gelangweilt und volltätowiert im Schein etwa 40 aufgestellter Kerzen, während Gores Interview-Session stilecht von einer weiblichen Verehrerin gestört wird, die der Gitarrist mühsam abwimmeln muss. Hach ja, der Rock'n'Roll. Insgesamt also eine lohnenswerte Anschaffung, wenn man nicht gerade ein 5:1- oder Surround-Freak ist.
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