29. November 2013

"Wie Asylbewerber bei uns behandelt werden, ist ein Skandal"

Interview geführt von

Im Rahmen des Rock Am See-Festivals trafen wir Andi von den Toten Hosen, um ein wenig über die abgelaufene Tour und ihr soziales Engagement zu quatschen.

Die Sonne scheint. Was sich wie ein Allerweltssatz anhört, stellt sich im Kontext der "Krach Der Republik"-Tour der Toten Hosen als Motto der kompletten Konzertreise dar. Laut Manager Patrick Orth lief die Tournee intern unter dem Namen "Gustav Gans Tour", weil man mit dem Wetter noch nie solches Glück gehabt habe.

Dementsprechend entspannt gestaltete sich die Atmosphäre im Backstage-Bereich des Bodenseestadions. Bassist Andi stand Rede und Antwort und entführt uns ins ferne Usbekistan.

Herzlich Willkommen am Bodensee. Zum wievielten Mal?

Tatsächlich hab' ich mich das vorhin gefragt. Ich glaube, viermal. Oder weißt du es besser?

Sechs.

Sechsmal? Mist! Ich weiß aber noch ganz genau, das erste Mal war mit The Cure, da kann ich mich noch sehr genau dran erinnern. Es war immer nett, wir hatten hier immer sehr viel Spaß. Heute haben wir auch wieder Glück mit dem Wetter und ein echt gutes Programm.

Früher hätte man meinen können, Rock Am See sei ein Garant für Scheißwetter.

Ach, bei uns nicht immer. Soweit ich mich erinnern kann, war es einmal nicht so brillant. Sonst war es immer okay.

Ihr seid in eurer Geschichte immer wieder an komischen Orten aufgetreten. Was war der skurrilste Platz, an dem ihr bisher gespielt habt?

Wir hatten schon immer ein Faible für ungewöhnliche Konzertorte. Ob das jetzt auf der Zugspitze ist oder so etwas wie die Magical Mystery Tour, wo wir bei den Leuten zu Hause im Wohnzimmer spielen. Oder im Vereinsheim, oder ...

... im Gefängnis.

Ja, im Gefängnis. Oder im Mädchenpensionat: Es gab da schon die ungewöhnlichsten Sachen. Wir machen das immer ganz gerne, weil das immer unterschiedliche Orte und dementsprechend unterschiedliche Erfahrungen sind. So etwas wie die Wohnzimmerkonzerte ist einfach ein Riesenspaß. Man weiß zwar nie, wo man hinkommt. Es ist für beide Seiten ein Risiko. Der Gastgeber kennt uns nicht, und wir wissen auch nicht, wie der Gastgeber so drauf ist. Aber gerade auf der letzten Tournee, die wir zu unserem 30-Jährigen Jubiläum gespielt haben, gab es denkwürdige Abende. Ob das jetzt in der Punk-WG in Gießen war, auf einem Dachboden in Bern oder ein Ausflug nach Island, da gab es wirklich eine Menge Highlights. Diese Konzerte sind halt wirklich noch einmal anders.

Im Krankenhaus in der Urologie-Station in Ingolstadt haben wir nach dem Konzert im Krankenzimmer geschlafen. So etwas macht uns einfach Spaß, weil es eben anders ist als eine normale Tour. Die möchte man aber auch auf keinen Fall missen. Wenn heute Abend das Publikum beim Konzert ihre eigene Party feiert, ist das natürlich auch etwas ganz Besonderes. Das Schöne ist, dass wir die Freiheit haben, beides machen zu können. Man steht ja auch nicht nur oben und kuckt sich das an, da passiert ja auch was mit dir.

Es gab natürlich auch manches, das nicht so okay war. Gerade bei Gefängnis-Konzerten. Wir waren mal in Berlin und haben in einer Jugendstrafvollzugsanstalt gespielt. Da sind eigentlich nur die Jugendlichen gekommen, die mit uns wenig zu tun hatten, sondern eher Hip Hop gehört haben. Die haben da ihre Deals durchgezogen. Wir waren eben nur das Rahmenprogramm und für sie eine willkommene Gelegenheit, untereinander ihren Geschäften nachzugehen. Das war nicht so richtig toll. Aber generell gehen wir gerne solche Wagnisse ein.

Gibt es in der Hinsicht noch etwas, das ihr gerne machen würdet?

Da gibts keinen konkreten Plan. So eine Geschichte wie die in Island hat uns sehr gefallen. Als die Bewerbung reinkam, haben wir sofort zugesagt. Wir waren noch nie dort, und die Leute, die sich beworben hatten, waren auch echt nett. Wir reisen immer gerne in fremde Länder und wir haben ja auch Touren gespielt, die durchaus ungewöhnlich waren. Ob das nun in Usbekistan, Ecuador, Tadschikistan oder Jordanien war.

"Wenn wir helfen können, freut uns das"

Kennt man euch dort überhaupt?

Es ist ja heutzutage schon so, dass du dich ganz einfach informieren kannst. Das war früher anders. Heute musst du nur im Netz schauen und bekommst einen Eindruck davon, was die Band so macht. In Tadschikistan war es das erste Rock-Konzert, das da jemals gespielt wurde. Die sind da echt durchgedreht. Die waren sehr euphorisch. Für die Leute und uns war das schon etwas ganz Besonderes. Wir finden aber Abenteuer und in fremde Länder zu fahren generell erst einmal gut. Du lernst solche Länder auf diese Weise auch ganz anders kennen, wenn du als Band unterwegs bist. In Europa oder Amerika kannst du natürlich überall selbst hinfahren, aber in Tadschikistan wirds schon etwas schwieriger. Es gibt aber noch jede Menge weißer Flecken auf der Weltkarte, wo wir noch nicht waren: In Asien und Afrika haben wir zum Beispiel noch gar nicht gespielt.

Auf euren Touren habt ihr immer diverse Organisationen dabei, sei es Oxfam oder Pro Asyl. Wie kommen diese Kooperationen zustande?

Es gibt einige Organisationen, mit denen wir schon langfristig und eng zusammenarbeiten. Wir finden es wichtig, da eine Kontinuität zu haben, das ergibt mehr Sinn. Auf dieser Tour sind das Pro Asyl und Oxfam, mit denen wir auch schon lange zusammenarbeiten. Bei denen wissen wir auch, was die für eine Arbeit machen. Bei Oxfam haben wir uns vor Ort in Afrika angeschaut, was die so machen. Das hat uns sehr überzeugt. Bei Pro Asyl ist das eine ganz andere Thematik. Da geht es darum, wie Asylbewerber in unserem Land behandelt werden und wie die Gesetzgebung immer schlechter geworden ist. Und das ist in unserem Land mit unserer Vergangenheit eigentlich ein Skandal. Insofern unterstützen wir die sehr gerne. Wir merken dann bei Konzerten, dass es unsere Besucher sehr wohl interessiert. Das gibt hoffentlich Denkanstöße. Wenn wir da helfen können, freut uns das.

Ihr seid ja schon selbst als Retter aufgetreten. Erst Fortuna Düsseldorf, dann die Düsseldorfer EG, jetzt das Rock Am See-Festival. Was kommt als nächstes?

Ein Glück, dass es stattgefunden hat. Das ist ein sehr schönes Festival. Ich habe es immer gemocht. Ich glaube auch, dass es noch jahrelang bestehen wird. Das andere war Fortuna Düsseldorf. Das ist der Verein, mit dem wir groß geworden sind, folglich unterstützen wir ihn natürlich Der Verein hatte schon schwierige Phasen zu durchleben. Als es wirtschaftlich wirklich extrem schwierig war, haben wir sie finanziell unterstützt. Gott sei Dank ist das heute nicht mehr nötig, finanziell steht der Verein wieder sehr gut da und auch die gesamte Vereinsführung macht eine sehr gute Arbeit. Sportlich ist es mal wieder nicht so einfach, aber das kennen wir ja.

Die DEG war kurz davor, die Lizenz nicht zu erhalten. Da gab es dann die Idee für ein Benefizkonzert, bei dem wir die gesamten Einnahmen gespendet haben. Somit kann die DEG weiterhin in der ersten Liga spielen. Eishockey hat in Düsseldorf schon eine ganz große Tradition. Wir haben ja auch einen Bezug dazu, waren als Jugendliche oft im Stadion und erinnern uns noch gerne an unser Spiel gegen die Leningrad Cowboys, wo wir von DEG-Spielern unterstützt wurden. Für uns war es klar, dass wir helfen werden, wenn wir es können, aber auf Dauer muss eine andere Lösung gefunden werden. Aber ein generelles Problem von Eishockey in Deutschland ist, dass sich alles auf Fußball konzentriert und da auch die meisten Gelder hinfließen.

"Man sollte genießen, was man hat"

Die Tour "Krach Der Republik" ist die erfolgreichste der Bandhistorie. Eigentlich unglaublich, oder?

Ja, was da gerade passiert, ist auch für uns ziemlich unglaublich. Man genießt das und konnte eigentlich in keiner Form damit rechnen. Es passieren halt auch Sachen, die man nicht planen kann. Wer konnte schon damit rechnen, dass wir mit "Tage Wie Diese" so einen Hit haben werden und dass noch mehr Leute als ohnehin schon das auch live sehen wollen. Wir wissen, dass das nicht der Normalfall ist und genießen das.

Wenn die Tour vorbei ist, werden dann erst einmal die Füße hochgelegt oder gibts schon weitergehende Pläne?

Wir haben ganz bewusst gar keinen Plan. Wir wollen uns nach der Tour mal zusammensetzen und überlegen, was wir denn machen. Was passieren wird, muss man dann schauen. Wir waren ja schon echt eine lange Zeit unterwegs. Vielleicht haben die Leute auch mal genug von uns gesehen. Es wird definitiv erst einmal eine Pause geben. Aber wahrscheinlich wird es dann so sein, wie es bei Bands immer ist: Nach einer Platte und einer Tour kommt wieder eine neue Platte. Aber auch das haben wir letztendlich noch nicht zu hundert Prozent entschieden. Könnte aber gut passieren. Aber es gibt keinen Plan. Man weiß nie, was passiert. Es kann einem ja auch etwas zustoßen und dann sieht alles anders aus. Insofern sollte man nicht so viel planen und sich auf etwas verlassen, sondern das genießen, was man hat.

Schönes Schlusswort. Danke fürs Gespräch.

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9 Kommentare mit 28 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Wieso nehmen die nicht 20 Asylanten in ihrer eigenen Wohnung auf ? Die können ja wunderbar Phrasen rausdreschen ohne wirkliche reale Erfahrungen machen zu müssen.

  • Vor 10 Jahren

    Halt dein verschissenes nazimaul, du verfickter fascho!

    • Vor 10 Jahren

      Kurz und knackig und in einer Sprache, die auch verstanden wird. :D

    • Vor 10 Jahren

      Eigentlich bin ich ja kein Fan von Unregistered, aber hier hat er mal sehr recht!

    • Vor 10 Jahren

      Das "Argument" mit 'nehmt doch welche Zuhause auf' ist in der Tat genau die Totschlags-Masche, die Nazis benutzen. Zuletzt ganz oft auf diesen NPD-gesponserten Aufreger-Seiten, wo sie gegen Asylantenheime Front machen. Unsäglich so etwas. Und zu Unregistered: nuja ... meine Sprache wärs nicht, aber wo er Recht hat ... :koks:

    • Vor 10 Jahren

      wehe dem Fascho täte er ins gleiche Horn blasen. Ich mag das nicht wenn man mit verschiedenen Reglern mass nimmt. =/

    • Vor 10 Jahren

      und zu recht "weh ihm", caff. es gibt keine zwei regler. entscheidend ist doch, dass empathie, menschenwürde und recht dem unrecht und der verrohung nicht weichen muss. in der tat ist unregisterds tonfall auch nicht der meine (deshalb der comment eins tiefer).
      aber wenn leute schon voll erkennbarer menschenverachtung und herabwürdigung posten und erkennbar gar nicht an echter kommunikation interessiert, (geschweige denn belehrbar) sind, ist es doch wichtiger, ein stoppschild auf zu stellen. sich mehr darüber auf zu regen, dass ein kommentar reinen herzens ein wenig übers ziel schießt, als jenem zu kritisieren, der bei 1000en flüchtlingstoten anscheinend nur mit der augenbraue zuckt, aber wenn die falschen nachbarn in die reihen behauste verdrängungsrasensiedlung kommen, gleich schaum vor dem munde hat.....nee caff, das ist mir zu wenig. lies mal eins tiefer, dann weißte bescheid.

    • Vor 10 Jahren

      das hab ich, aus dem Grund poste ich auch hier und nicht weiter unten ;)
      für mich tönts wieder nur so dass der eine -zwar ein totschlag-... aber immerhin ein "Argument" bringt und der andere eigentlich nur beleidigend drauflosschiesst.
      Die Bewertung der ... nennen wir es mal "Argumentation" erfolgt dann nur via politische Couleur, so wird der eine mit "recht hast du" und "gut gemacht" in den Himmel gejodelt.
      und das sind für mich eben schon zwei verschiedene Regler und hat mit differenzieren nichts mehr zu tun. Die ganze Flüchtlingsgeschichte ist einfach auch wieder viel zu Komplex als das man sie allein mit roten oder braunen Farben streichen kann.

    • Vor 10 Jahren

      lass mal unten weiter quatschen. da geht es um inhalte und weniger um form :)

    • Vor 10 Jahren

      Interessiert jetzt wahrscheinlich eh keinen mehr, aber ich will mich trotzdem mal dazu erklären:

      Ich würde Swansons Worte für gewöhnlich auch nie in den Mund nehmen, aber da war auch nicht der Moment für großes Argumentieren und Diskutieren. Der Doktor hatte schon ein paar solche Sachen in der Zeit davor rausgehauen, und ich fand's einfach gut, dass sich auch wer mal dagegen positioniert hat. Den Doktor davon zu überzeugen, dass er Unrecht hat, kannst'e doch knicken.

  • Vor 10 Jahren

    klar, erst bauen wir unseren reichtum auf dem rücken des sterbenden schwarzen kontinents auf und halten die ehemalige kolonialisierung durch wirtschaftliche abhängigkeit aufrecht....aber wenn die elenden dann ein heim neben dem deppenrasen doofer reihenausleberwürste bekommen sollen, die gewohnt sicvh immer nur die rosinen aus dem deutschen kuchen zu pickern und das "woher, warum wie?" gekonnt verdrängen....dann wird es eng....deutschlands biedermannkultur kann so erbärmlich sein...

    • Vor 10 Jahren

      danke sehr! copy+paste, und diese äußerst prägnante ausführung könnte eigentlich standardisiert unter jeden dumpfdeutschen kommentar gepostet werden, der bei solchen themen zwangsläufig kommt

    • Vor 10 Jahren

      tausche ein "sicvh" gegen ein "sind"

    • Vor 10 Jahren

      Alle Reihenhausbewohner sind doofe Leberwürste, jucheeee und das alles ist typisch deutsch jucheee². Mal im ernst, im Kern ja richtig, aber mir geht auf allen Seiten das Verallgemeinere so auf den Sack.

    • Vor 10 Jahren

      zuspitzung ist doch nur ein sprachliches element, den kern zu unterstreichen.
      wer das verständig liest, merkt das doch auch. es geht darum, einen speziellen typus selbstherrlicher euopäer zu entlarven. der inhalt, den man hier bei laut eh kaum diskutieren kann, steht übrigens dann geballt unter cyclos posting eins tiefer.

    • Vor 10 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 10 Jahren

    Überraschend politische Statements von einer Hose, wenn man sich dann aber anschaut in welchen Kreisen der Bruder von Campino verkehrt weiß ich nicht wirklich wie Ernst ich das hier bzw. die Hosen nehmen soll.

  • Vor 10 Jahren

    @abbedudde:
    Was kann denn Campino für die Aktionen, die sein Bruder fährt?
    Gruß
    Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Wenn man nicht mal seinen eigenen Bruder überzeugen kann, moralisch zu leben, wofür dann ne Punkband mit Zeigefinger-Songs?

    • Vor 10 Jahren

      Erstens habe ich keine Ahnung, wie unmoralisch der Bruder von Campino lebt, und zweitens - streichst Du die Segel, wenn Du bei Entscheidungen über Deinen weiteren Werdegang nicht alle Familienmitglieder auf Deiner Seite hast?
      Gruß
      Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Was macht denn der Bruder von Campino so?

    • Vor 10 Jahren

      naja der Bruder von Campino arbeitet bei CMS Hasche Sigle und hat die Insolvenz von Lehman Brothers mitabgewickelt.
      Der ist halt schon ein Schwergewicht und bewegt sich in Sphären von denen unsereins (hoffentlich) träumt:

    • Vor 10 Jahren

      @abbedudde:
      Er wickelt noch ab. Für Amiland mag das Insolvenzverfahren bereits beendet sein, für Lehman Brothers Deutschland dauert es noch an.
      Keine Ahnung, was an seinen Sphären so toll sein soll, daß man Träume daran verschwendet - ich jedenfalls kann mir was Schöneres vorstellen als mal so eben so einen Laden wie Lehman abzuwickeln ...
      Gruß
      Skywise

    • Vor 10 Jahren

      Ja, der traum von solchen bwl fuzzis wie dir wahrscheinlich schon!
      Für andere kannst du nicht sprechen!

  • Vor 10 Jahren

    @Skywise, ich glaube er meint, dass Campis Bruder Insolvenzverwalter von Lehman Brother Deutschland ist. Natürlich verdient er dabei den ein oder anderen Euro, wieso auch nicht?
    Was das mit Asylpolitik zu tun hat, keine Ahnung.