laut.de-Kritik
Methadon für ausgezehrte Konzertgänger.
Review von Christian KollaschWir schreiben das Jahr 2021. Musikfans sitzen mit anderthalb Metern Abstand ums Lagerfeuer und erzählen von früheren Bräuchen und Traditionen, die noch vor gar nicht langer Zeit fester Bestandteil ihres Lebens waren. Mit Geschichten von Circle Pits, Stage Dives und Wall of Deaths schwelgen sie in Erinnerungen und in ihren Köpfen manifestiert sich der fast vergessene Geruch aus Schweiß und Bier.
So dramatisch wird es wohl nicht ablaufen, doch beim Hören der ersten Livecompilation der Donots wird man schon etwas wehmütig. Die Punks aus Ibbenbüren stellen mit "Birthday Slams Live" eine energiegeladene Song-Sammlung aus 25 Jahren Bandgeschichte zusammen, die für ausgezehrte Konzertgänger prima als Methadon taugt.
Dass so eine umtriebige Band mit einem Vierteljahrhundert Performance auf dem Buckel erst jetzt ein Konzertalbum veröffentlicht, macht zunächst baff. Doch der Zeitpunkt kommt in der durch die Pandemie ausgelösten Kultur- und Gigflaute gerade recht. Die rohe Abmischung der Auftritte macht die Atmosphäre in den Hallen in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Wiesbaden und Ibbenbüren greifbar, und die Luft steht dann auch im heimischen Wohnzimmer.
Dieser Querschnitt ihrer Jubiläumstour von 2019 fließt auf "Birthday Slams Live" zu einem großen, mitreißenden Konzert zusammen, auf dem die Band ihr Repertoire auf das Publikum loslässt. Fans der ersten Stunde könnte es vielleicht enttäuschen, dass die Donots ihre ersten drei Alben auf die Bank schicken und nur ihr Material ab "Pocketrock" (2001) ins Rampenlicht stellen. Der Fundus an Pogoprüglern und Gassenhauern bleibt aber dennoch reich, was das Aussieben nachvollziehbar macht.
Im Laufe seiner Karriere schlug das Quintett neben Sprachwechseln schon in einige Musikrichtungen aus. So treffen auf dieser Compilation geradlinige Punk-Anthems wie "Scheissegal" auf dramatische Synthpop-Nummern ("Calling") und Melodycore-Hymnen ("Saccharine Smile"). Formatradiohörer fühlen sich dazwischen vom Airplay-Riesen "Stop The Clock" umarmt.
Egal, welchen Geschmack die Songs treffen mögen: Sie alle verbindet die enorme Spielfreude der Band und die euphorische Resonanz des Publikums. Hier haben alle Beteiligten extrem viel Bock, das macht sich zu jedem Zeitpunkt bemerkbar. Nebenbei überflügeln ältere Songs wie "Dead Man Walking" (2010) in der Liveversion ihre Studiooriginale und kommen deutlich bissiger und energischer herüber.
Kurze Gastspiele wie das des Turbostaat-Sängers Jan Windmeier auf dem treibenden "Gegenwindsurfen", oder das der Antilopen Gang, die "Kaputt" zur Crossover-Abrissbirne aufwerten, schmücken das Liveerlebnis mit ihren Markenzeichen und geben so wunderbare VIP-Gäste ab. Dabei wusste niemand, dass das Motto 'So nah kommen wir erst mal nicht mehr zusammen' lautete, was die Platte in diesen Zeiten so erfrischend wirken lässt.
Mit "Birthday Slams Live" haben die Donots ein tolles Konzertpaket geschnürt, dass neben etwas Wehmut vor allem Begeisterung für ungehemmte Livemusik aufkommen lässt. Ersetzen kann eine Platte das wahre Erlebnis nicht, aber die Band liefert das Beste ab, was gerade möglich ist. Dass die Erlöse des Albums ihrer Livecrew zugute kommen, macht es umso wichtiger.
2 Kommentare mit einer Antwort
Menschlich sympathisch, musikalisch aber abgrundtief schlimm.
Kann ich komplett unterschreiben.
Das ist so eine dieser Bands, die man auf dem Festival so halb anschaut, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat, wie z.B. Bier holen, oder kopulieren.
Sicherlich nette Typen, aber musikalisch ziemlich egal.