laut.de-Kritik
Melancholisches Popalbum erster Güte mit einigen Ecken und Kanten
Review von Joachim GaugerWeiche Klänge, sanfte Streicher und ein melodisch warmer Gesang sind nicht gerade das, was man sich von den Einstürzenden Neubauten erwartet. Das erste Album "Kollaps" vor ziemlich genau 20 Jahren wurde mit seinen Krachcollagen dem Bandnamen doch eher gerecht. Damals dienten Presslufthammer, Bohrmaschinen, Stahlplatten und Megaphon als Instrumente und es galt: "Wer sich am kommerziellen Musikgeschmack orientiert dient der Reaktion." (Blixa Bargeld)
Von solch klangtechnischer Radikalität war bereits 1996 auf "Ende Neu" eine ganze Ecke eingestürzt. Das Jubiläumsalbum "Silence Is Sexy" verzichtet nun fast völlig auf atonale Lärmattacken. Statt dessen dominieren - nicht nur im Opener "Sabrina" - eigentlich recht konventionelle Songstrukturen und Melodien, die mit wenigen eingängigen Klängen auskommen.
Das mag damit zusammen hängen, dass Schlagwerker FM Einheit diesmal nicht dabei ist, oder dass Blixa seit einiger Zeit als Gitarrist bei Nick Cave von den Verlockungen des Wohlklangs kosten darf. So ist das neue Neubauten-Album so bekömmlich geraten, wie keines zuvor, und auch wenn die hervorragende, leicht basslastige Produktion allerlei Samples und Nebengeräusche hörbar macht, sind diese doch eher schmückendes Beiwerk als tragende Elemente.
Dennoch hat jeder Song auf dieser Platte ein ganz eigenes Gesicht und fast jeder etwas Besonderes zu bieten. Das Titelstück beweist, dass vollkommene Stille entweder ein theoretisches Konstrukt ist oder der Tod. "Sabrina", "Heaven Is Of Honey" oder "Sonnenbarke" sind lyrisch-düstere, schlicht-geniale Popsongs, Tracks wie "Zampano" oder "Newtons Gravitätlichkeit" beeindrucken mit hintergründigen oder ironisch-humorvollen Texten. Allein das eintönige "Pelikanol" weckt nicht so sehr die gewünschten assioziativen Phantasien, sondern geht vor allem auf die Nerven.
"Silence Is Sexy": Ein melancholisches Popalbum erster Güte mit einigen scharfen Ecken und Kanten.
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